Als Deutschland in Korea Eishockey spielteFiete Bögelsack über die DDR-Trainingsreise nach Pjöngjang
Die DDR-Nationalmannschaft zu Gast in Nordkorea. (Foto: privat)Tatsächlich hat auch die DDR-Nationalmannschaft nie gegen Südkorea gespielt – wohl aber gegen den Norden. Und das obwohl diese Spiele in den meisten bekannten Listen der DDR-Eishockey-Auswahl nicht auftauchen. Aber Friedhelm Bögelsack (61) hat die Reise nach Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas, selbst mit der Kamera festgehalten. Und selbst das ist eine Geschichte in der Geschichte.
„Mensch, Fiete, das wird ein Superding“
1987 hatte die DDR gerade die B-WM in Canazei, Italien hinter sich gebracht. „Und ich hatte überhaupt keine Lust mitzureisen“, erinnert sich der 188-fache Nationalspieler der DDR noch heute lebhaft. „Unser damaliger Mannschaftsleiter sagte dann zu mir: ‚Mensch, Fiete, das wird ein Superding.‘ Und auch der lange Ziesche kam zu mir“, erinnert sich Bögelsack an das Gespräch mit dem damaligen DDR-Nationaltrainer Joachim Ziesche. Und auch er versprach Bögelsack, der ursprünglich für Empor Rostock gespielt hatte, 1970 bei der Reduzierung der DDR-Oberliga auf zwei Teams dann aber zu Dynamo Berlin wechselte, das die Reise eine tolle Sache werden würde.
Also ging es ab nach Nordkorea. Dass das aber nicht alles so doll werden würde, zeigte sich schon beim Abflug. „Wir haben unser eigenes Essen mitgenommen, hatten auch das Verbot, dort Salate zu essen“, beschreibt Bögelsack sein mulmiges Gefühl. „Und dann die Luftfeuchtigkeit. Da bist du über die Straße gelaufen und warst sofort klitschnass.“ Die Eishalle aber, die war imposant. „Das war ein Riesending für 7000 oder 8000 Zuschauer“, weiß Bögelsack.
Dreimal Training am Tag
Wurde die Reise noch zum versprochenen „Superding“? „Wenn du jetzt ein Messer hättest, würdest du es mir in die Rippen jagen, oder?“, sagt damals der „lange Ziesche“ zu Bögelsack. Und Fiete Bögelsack schüttelt noch heute den Kopf. „Wir mussten dreimal am Tag trainieren. Und wir konnten ja nicht weg“, lacht er. Auch Konditionsarbeit wurde betrieben – im riesigen Kim-Il-sung-Stadion, das erst 1982 renoviert worden war. „Nordkorea wollte ja 1988 zusammen mit dem Süden die Olympischen Sommerspiele ausrichten“, so Bögelsack. Das klappte nicht. Bekanntlich fanden die Spiele nur im Süden, genauer in Seoul statt. Und wenn trainiert wurde, „wurden die Türen zugemacht“.
Das war beim Eishockey nicht anders. „Wir haben zwei Testspiele gegen Nordkorea gemacht“, erinnert sich Bögelsack. „Da waren pro Drittel immer 30 andere Zuschauer in dem riesigen Stadion, die Fahnen geschwenkt haben. In der Pause kamen dann die nächsten rein.“ Das hat Bögelsack verdutzt. Warum ist denn das Eisstadion nicht voll? Also fragte er nach. Des Rätsels Lösung: „Das war eine Belohnung für besondere Leistungen, ein Drittel lang europäisches Eishockey gucken zu dürfen.“
Ergebnis? Zweimal deutlich zweistellig
Für Bögelsack war das Ganze aber keine Belohnung. „Irgendwann rief ein Spieler nur laut: Fiete.“ Er konnte sich noch wegducken und bekam einen heftigen Stockschlag auf den Unterarm. „Ich habe noch zu Ende gespielt, aber das ist mordsmäßig angeschwollen.“ Für seinen Gegenspieler ging es nicht so gut aus. „Ich glaube, der hat danach nie wieder Eishockey gespielt.“ Die Teams der DDR und Nordkoreas haben auch gemeinsam trainiert. „Wir sollten ihnen im Bereich des Athletik- und Krafttrainings helfen.“ Der Unterschied auf dem Eis war jedenfalls riesig: „Ich kann beim besten Willen nicht sagen, wie genau die Endstände waren. Aber wir haben beide Spiele deutlich zweistellig gewonnen.“
Auch außerhalb des Eisstadions war alles ungewohnt. „Ich hatte gerade eine Ausbildung zum Sportfotografen absolviert und vor Ort viele Bilder gemacht“, so Bögelsack. Und da gab es gleich eine Ansage, dass er aufpassen solle, was er fotografiert – sonst ist der Film weg. „Wir durften auf den Zimmern nicht über Sport und nicht über unseren Alltag in der DDR sprechen“, erinnert er sich an eine weitere Kuriosität. Worüber dann gesprochen wurde? „Keine Ahnung, ich glaube über Frauen“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Auf ein (oder mehrere) Bier in der japanischen Botschaft
Damit es abends nicht zu eintönig wurde, sind die Spieler losgezogen. Die klare Ansage war: Um 24 Uhr ist Bettruhe. „Wir haben dann eine Botschaft Japans gefunden. Da hat dann jeder von uns drei Literflaschen Bier getrunken. Die Japaner haben uns dann ziemlich angestarrt“, amüsiert sich Bögelsack. Das wurde dann das Stammziel der Spieler. „Und die Trainer haben nicht herausgefunden, wo wir jeden Abend waren“, freut sich Bögelsack noch heute. „Unser Physio wollte mal mit. Da haben wir gesagt: ‚Ne, du gehörst zum Trainerteam. Das geht nicht.‘ Mann, war der sauer.“
Es gab auch einige Ausflüge. „Wir sind beispielsweise mal ans Gelbe Meer gefahren. Und die Feldarbeiter wussten offenbar immer genau, wann die deutschen Eishockeyspieler kommen. Denn kaum sind wir mit dem Bus an ihnen vorbeigefahren, haben sie alles fallen lassen und Fahnen geschwenkt.“ Und weil Bögelsack auch das fotografiert hat, war der Film dann tatsächlich weg. „Wir waren von der DDR ja einiges gewohnt, aber das war nochmal etwas ganz anderes.“
70 bis 80 Spiele pro Jahr
Das Niveau der DDR-Nationalmannschaft war jedenfalls beachtlich. Trotz der Reduzierung auf Berlin und Weißwasser. „Wir hatten ja auch viele Camps, dann jährliche Turniere in der Schweiz und in Schweden. Dann Länderspielserien. Dann Meisterschaftsspiele. Dann der Europapokal. Pro Saison kamen wir auf 70 bis 80 Spiele – und wir haben auf Topniveau mitgehalten.“ Selbst im Sommer wurde durchtrainiert. „Weil das bei uns aktuell nicht so ist, hängen wir anderen Nationen auch hinterher. Als ich nach meiner ersten Saison in Hannover nach dem letzten Spiel in Nürnberg gefragt habe, wann wir nächste Woche trainieren und Bruce Keller mir sagte, dass wir erst im August weitermachen, konnte ich das gar nicht glauben.“
Damals jedoch kam Bögelsack nach zwei Wochen in Nordkorea zurück nach Hause. „Ziemlich abgemagert, weil ich mit dem Essen so pingelig bin. Ich habe nur Kuchen und ungarische Salami gegessen.“ Nein, Fiete Bögelsack, der heute als Nachwuchstrainer in der Wedemark arbeitet, hatte damals keine Lust auf diese Reise. Doch sie hat sich in sein Gedächtnis eingebrannt.
AUFRUF:
Auf die Idee zu dieser Geschichte kamen wir in Zusammenarbeit mit DDR-Eishockey. Mit dem Kollegen von DDR-Eishockey versuchen wir eine möglichst vollständige Liste aller DDR-Länderspiele (einschließlich Spiele gegen Vereinsmannschaften und weitere Teams) zu erstellen, da die meisten vorhandenen Listen, wie dieses Beispiel zeigt, unvollständig sind. Haben Sie Zeitungsausschnitte zu DDR-Länderspielen oder Jahrbücher des damaligen DELV der DDR und könnten Sie uns Kopien zur Verfügung stellen? Wenn ja, würden wir uns über eine E-Mail an [email protected] freuen.