AK Bars Kazan: Der Europa-Champion steckt tief in der Krise

Der AK Bars Kazan befindet
sich nach dem am Freitag mit 4:6 eingefahrenen Auswärtserfolg bei Metallurg
Novokuznetsk auf dem 14. Tabellenplatz der russischen Superliga.
Eine Platzierung in der
unteren Hälfte der Tabelle nach einem Drittel der Vorrunde, hätte dem
Vorjahresfinalisten und Meister der Saison 2005-2006 wohl niemand zugetraut.
Nach eigenem Selbstverständnis will man um den Titel kämpfen, doch liegen
zwischen Realität und Anspruch derzeit Welten bzw. 13 besser platzierte
Mannschaften. Die Krise der “Schneeleoparden” äußert sich jedoch nicht nur in
unbeständigen Leistungen auf dem Eis, sondern scheint ihre Blüten nun sogar
schon mannschaftsintern zu treiben. Legionär Cory Larose etwa verabschiedete
sich kürzlich wieder in Richtung Kanada. Stürmer Sergej Zinovjev, der zusammen
mit Aleksej Morozov und Danis Zaripov noch im Vorjahr die Paradereihe der
gesamten Superliga bildete, wird immer seltener mit seinen kongenialen
Sturmpartnern aufgestellt und macht aus seiner Frustration darüber keinen Hehl.
Trainer Zinetula
Biljaletdinov steht angesichts der Talfahrt indes nicht zur Disposition und
bemüht sich seinerseits, den immer
größer werdenden Mediendruck durch meist wortarme, dabei aber bissige
Kommentare, so gut wie irgend möglich von seiner Mannschaft fernzuhalten. Dass
die derzeitige Situation aber auch an ihm nicht spurlos vorbeigeht, bewies
Biljaletdinov eindrucksvoll am Abend des 11. Oktober nach der 4:2 Niederlage
bei Avangard Omsk, als er auf die Frage nach Unstimmigkeiten innerhalb der
Mannschaft, folgendes verlauten lies: “Gerüchte verbreiten diejenigen, die dem
AK Bars keinen Erfolg wünschen. Indem sie uns mit Dreck bewerfen, versuchen sie
einen Konflikt innerhalb der Mannschaft auszulösen. Aber egal, sollen sie sich
das Maul zerreißen, solange sie wollen “
Während Geld alleine nicht
für Harmonie sorgt, versucht man in Kazan derzeit wenigstens der sportlichen
Talfahrt mit eben jenem Mittel beizukommen und ging in den vergangenen Wochen
erfolgreich auf große Einkaufstour. Als Neuzugänge für die laufende Saison
gelten der Finne Jukka Hentunen vom amtierenden NLA-Meister HC Lugano, US-Torhüter
Robert Esche von den Philadelphia Flyers, Stürmer Oleg Petrov vom EV Zug, sowie
der zuletzt von den St. Louis Blues ins Farmteam nach Peoria abgeschobene 32-jährige
tschechische Nationalstürmer Petr Cajanek. Reges Interesse zeigte Kazan zuletzt
auch an einer Verpflichtung des schwedischen Stürmers Christian Berglund vom SC
Bern.
Während all diese Namen,
von denen von Vereinsseite noch kein einziger als definitiver Neuzugang
bestätigt worden ist, in naher Zukunft
für die Kehrtwende beim AK Bars sorgen sollen, äußerte sich Stürmer Danis Zaripov
in einem Interview für die Zeitung “Novije Izvjesti” zum bisherigen
Saisonverlauf seiner Mannschaft. Hier nun in Auszügen das Interview des mit 42
Toren ligaweit erfolgreichsten Torschützen und Play-off-Topscorers der Saison
2006-2007:
Danis, schon seit
Saisonbeginn holt der AK Bars nur mit Mühe Punkte, schießt wenig Tore und
erinnert überhaupt nicht an die Mannschaft, die noch vor einem halben Jahr die
Gegner vom Eis fegte. Was ist also mit euch passiert?
Zaripov: Wenn wir mehr Tore schießen würden, würde sich der
Erfolg automatisch einstellen. Aber bisher gelingt uns das nicht. Ich weiß auch
nicht womit unsere ungleichmäßige Spielweise sonst noch zusammenhängt.
Vielleicht hängt das mit den personellen Veränderungen im Kader vor der Saison
zusammen. Viele Leader haben die Mannschaft verlassen, z.B. Aleksandr Eremenko,
Vitalji Proshkin, Igor Shchadilov, Vladimir Vorobjev...
Im Grunde haben sich die
Abwehrreihen verändert, die Sturmreihen aber doch nicht unbedingt?
Zaripov: Wenn man Probleme in der Abwehr hat, verliert man die
Sicherheit. Es scheint mir, als würde uns einfach eine Siegesserie fehlen,
damit die jungen Spieler den Glauben daran gewinnen könnten, dass sie im Stande
sind stabil und zuverlässig zu spielen. Das Problem liegt in der Psyche. Und
darüber hinaus stimme ich nicht damit überein, dass es im Sturm keinerlei
Veränderungen gab. Uns haben gleich 3 Center verlassen. Badjukov, Tereshchenko
und Junkov. Das sind herbe Verluste.
Man sagt, dass
Nationaltorwart Vasilij Koshechkin, der ganz offensichtlich unvorbereitet in
die Saison startete, große Vorwürfe gemacht werden. So hat er zum Beispiel im
vor kurzem mit 7:3 gegen Spartak Moskau verlorenen Spiel in den ersten 10
Spielminuten gleich 4 Gegentore bekommen.
Zaripov: Also in diesem Spiel hat die komplette Mannschaft versagt,
deswegen würde ich den Misserfolg nicht ausschließlich auf Vasiljis Auftritt
schieben. Wenn auf der Anzeigetafel solch verheerende Zahlen stehen, worüber
kann man da noch viel diskutieren? Torhütern muss man immer etwas mehr Zeit zur
Akklimatisierung einräumen, an sie glauben. Koshechkin ist Profi und wird sich
mit den ganzen Schwierigkeiten schon zu helfen wissen. Darüber hinaus sollten
wir auch nicht vergessen, dass Mika Noronen schon vor Saisonbeginn einen
doppelten Schlüsselbeinbruch erlitt. So hat es der erst 19-jährige Stanislav
Galimov letzten Endes als Ersatz auch nicht leicht.
Und dennoch hat sich der
AK Bars mit einer ganzen Reihe qualitativ guter Spieler verstärkt. So zum
Beispiel mit Nationalverteidiger Aleksej Emelin und Perspektivspieler Grigorji
Shafigulin. Aus der NHL kehrten Nikita Alekseev und Denis Archipov in die
Heimat zurück.
Zaripov: Ja, das ist alles richtig. Die Jungs bemühen sich
und spielen bei voller Leistungsstärke. Aber um zu Leadern in der Mannschaft
aufzusteigen, das volle Spielverständnis mit den Partnern zu finden, dafür
benötigen sie einfach Zeit.
Meinen Sie nicht, dass
die Zeit in Schwung zu kommen abgelaufen ist? Es kann doch durchaus passieren,
dass der AK Bars mit solch instabilen Leistungen nicht unter die ersten Acht kommt,
oder die Play-offs am Ende sogar ganz verpasst.
Zaripov: Ach kommen Sie, lassen Sie uns die Situation doch
nicht dramatisieren! Unsere Jungs sind talentiert und fähig genug, die Tabelle
anzuführen statt am Ende dieser rumzukrebsen. Niemand lässt den Kopf hängen, im
Gegenteil, alle arbeiten mit vollem Eifer. Das sind auch keine
Durchhalteparolen. Irgendetwas wieder wettmachen kann man nur im Training. Wir
bemühen uns gewisse Automatismen einzustudieren, sei es das Über- und
Unterzahlspiel, oder das schnelle Umschalten von Defensive auf Offensive.
Gut, reden wir also über
Sie persönlich. Im Mai haben sie ihren Vertrag beim AK Bars um 2 weitere Jahre
verlängert. Gab es auch anfragen anderer Vereine aus der Superliga? Salavat
Yulaev hat so gut wie alles zusammengekauft, dabei trat man doch mit Sicherheit
auch an sie heran?
Zaripov: Ja, es gab Angebote wie aus Ufa, so auch von anderen
Vereinen der Liga, aber mich zog es nirgendwo hin. Mir gefällt es in Kazan. So
viel im Übrigen zur Frage nach der Atmosphäre innerhalb der Mannschaft. Wenn
hier alles so schlimm wäre, wie man es in den Zeitungen zu lesen bekommt, dann
hätten doch schon längst alle die Mannschaft verlassen. Aber davon ist zum
Glück nichts zu erkennen.
Wer wird ihrer Meinung nach dieses Jahr um den Titel kämpfen?
Zaripov: Salavat, SKA Sankt Petersburg, Magnitogorsk,
Lokomotiv Yaroslavl, Dynamo und CSKA Moskau...auch uns und Avangard Omsk, das
ebenfalls schwach gestartet ist, darf man noch nicht abschreiben. Was Salavat
angeht, hatte ich ehrlich gesagt so
meine Zweifel - einfach zu viele Stars. Aber die Mannschaft spielt ziemlich
ansehnlich und führt verdient zusammen mit Skt. Petersburg die Tabelle an. Die
Petersburger haben natürlich schon überrascht. Bis Trainer Barry Smith kam,
vermochten sie es nicht zu glänzen, obwohl die Mannschaft bei genauerem
Hinsehen schon ziemlich erfahren ist mit
Spielern wie Sushinskji, Rjabykin, Jachanov, Suglobov oder Torhüter Lamothe.
Denken sie ernsthaft,
dass der AK Bars im Rennen noch um die Meisterschaft mitmischen wird?
Zaripov : Zweifeln Sie etwa daran? Aus unserer derzeitigen
Lage werden wir uns mit Sicherheit befreien. Aber Sie werden ja selbst
sehen.
(aus dem Russischen: Adam
Cienski)
Lesen Sie dazu auch:
Russische Superliga – Der Eishockey-Riese ist auf Volldampf – Teil 1
und
Russische Superliga – Der Eishockey-Riese ist auf Volldampf – Teil 2