Die doppelte Weltmeisterschaft
Die doppelte Weltmeisterschaft
Die USA sind
Inlinehockey-Weltmeister. Und jetzt ganz neu: Die USA sind
Inlinehockey-Weltmeister. Diese gewisse Schizophrenie, die der
Sportfan ansonsten vom Boxen kennt, zieht sich nun schon seit Jahren
durch die „Sommervariante“ des Eishockeys. Zwei Verbände
fühlen sich zuständig – beide haben gute Argumente.
Der
Eishockey-Weltverband (IIHF) kann für jeden ersichtlich die
klaren Parallelen zum Wintersport ziehen. Die Inlineskates also nur
eine andere Disziplin – klar, die IIHF ist zuständig.
Der
Rollsport-Weltverband (FIRS) kann für sich ins Feld führen,
für alle Sportarten auf Rollen zuständig zu sein. Keine
Frage also, die FIRS ist zuständig.
Das Internationale
Olympische Komitee (IOC) hat die Frage zumindest für sich
geklärt und die FIRS zum „Governing Body“ für die
Sportart Inlinehockey erklärt.
Das hält allerdings
beide Weltverbände nicht davon ab, eigenständige
Weltmeisterschaften auszurichten. Die IIHF-Inlinehockey-WM fand in
diesem Jahr vom 28. Juni bis zum 4. Juli in Schweden statt, die
FIRS-Inlinehockey-WM ging vom 12. bis zum 17. Juli in Tschechien über
die Bühne. In beiden Fällen gewann die USA – USA Hockey
bei der IIHF-WM, USA Roller Sports bei der FIRS-WM.
Da lohnt sich ein Blick
darauf, wer eigentlich an welcher Weltmeisterschaft teilnimmt.
Spannend ist, dass sich
mit Schweden, Finnland, Slowakei, Österreich, Slowenien,
Kroatien, Ungarn, Japan und dem Exoten Brasilien gleich neun Nationen
auf die „Eishockey-Variante“ der Inlinehockey-WM beschränkt
haben. Dazu gehören mit Schweden und Finnland eben auch zwei
Top-Nationen des Eishockeysports, die logischerweise auch das
Potenzial dazu haben, im Inlinehockey ganz oben zu stehen. Schweden
ging beispielsweise als Titelverteidiger in die Heim-WM, musste dann
aber den USA den Vortritt lassen.
Nur in der
„Rollsport-Variante“ gingen Kolumbien, Spanien, Frankreich,
Italien, Mexiko, Venezuela und – als beste Eishockey-Nation dieser
Reihe – die Schweiz an den Start. Also immerhin auch sieben
Nationen.
„Doppel-Starter“,
jeweils vertreten durch den nationalen Eishockey-Verband bzw. den
nationalen Rollsport-Verband, sind Kanada, die USA, Tschechien,
Australien, Argentinien (!), Großbritannien und Deutschland.
Dabei stellen nur Argentinien (hier wieder ein Ausrufezeichen),
Deutschland und die USA gänzlich unterschiedliche Mannschaften.
Allerdings spielte mit Charles Yoder in diesem Jahr ein
Inlinehockey-Veteran für USA Hockey, der lange Jahre auch für
USA Roller Sports aktiv war.
Insgesamt 15 Spieler
waren bei beiden Weltmeisterschaften vertreten. Thomas Woods,
Frederick Corbeil und David Hammond spielten für „beide
Kanadas“, Enrico Bergamin, Anthony Collins, Stephen Belic und Dean
Dunstan liefen zweimal für Australien, Nathan Finney und Daniel
Hutchinson zweimal für Großbritannien auf. Den Vogel
schoss aber Tschechien ab. Mit Roman Handl, Ondrej Jirkuv, Pavel
Strycek, Jan Besser, Patrik Sebek und Martin Vozdecky spielten gleich
sechs Spieler bei beiden Titelwettkämpfen. Interessant
allerdings: Der Eishockey-Weltmeister und 397-fache NHL-Spileler
Karel Rachunek, der in der vergangenen Eishockey-Saison für das
KHL-Team von Dynamo Moskau aktiv war, spielte nur bei der FIRS-WM.
Immer mal wieder hat es
Gespräche zwischen IIHF und FIRS gegeben – eine wirkliche
Annäherung gab es nie. Zwar gibt es minimale Unterschiede in
Spielzeit und Dauer der Strafzeiten, aber nichts wirklich
Entscheidendes. Wo das Problem liegt, eine von IIHF und FIRS
gemeinsam beschickte Inlinehockey-Kommission ins Leben zu rufen,
bleibt wohl das Geheimnis der Verbände.
In Deutschland gab es
zwischen DIHL (vom DEB organisiert) und IHD-Bundesliga (die IHD ist
die Inlinehockey-Kommission des Deutschen Rollsport- und
Inline-Verbandes) den Versuch einer gemeinsamen Meisterschaft. Aber
so hart es klingt: Es scheiterte an der schlechten Struktur des
Inlinehockeysports in Deutschland im Allgemeinen und der IHD im
Besonderen. Die DIHL kann national – so wie die IIHF-WM
international – als die sportlich anspruchsvollere Variante gelten.
Allerdings besteht die DIHL in diesem Jahr nur aus elf Teams, die
IHD-Bundesliga gar nur aus vier (!) Mannschaften. Allerdings ist
Deutschland eine Art Sonderfall, da die Inline-Variante Skaterhockey
(hier gibt es international nur eine Europameisterschaft) die mit
großem Abstand am besten organisierte Inlinehockey-Variante
ist. Im Gegensatz zum Inlinehockey wird beim Skaterhockey mit Ball
(statt Puck) und mit Köperkontakt gespielt. Hier gibt es in
Deutschland ein sehr gut funktionierendes Ligensystem für
Senioren (Männer und Frauen) sowie für den Nachwuchs.
So spannend Inlinehockey
(zumindest im eislosen Sommer) sein kann, eines ist klar: Sollten der
Inlinehockeysport – national und erst recht international – die
Zersplitterung nicht überwinden können, wird diese Sportart
über den Status einer bisweilen kuriosen Randsportart nicht
hinaus kommen. (Friedhelm Thelen / Foto: www.beroun2010.com)