Schwedenhappen (25)Die WM aus einem anderen Blickwinkel
Fairer Murray
Andy Murray, in den neunziger Jahren Coach der Eisbären Berlin, ist bei der WM als Kommentator für einen kanadischen TV-Sender tätig. Dass die Slowaken seine Landsleute im Viertelfinale aus dem Rennen warfen, fand er völlig zu Recht. „Die Kanadier haben sehr undiszipliniert gespielt. Die Fünfminutenstrafe plus Spieldauer gegen Getzlaf ging völlig in Ordnung.“ Mit keiner Silbe erwähnte der Ex-Coach der Kanadier, dass beide Unparteiische Tschechen waren. „Das hat damit überhaupt nichts zu tun.“
„Exoten“ vor Ort
Sie fielen nicht wegen ihrer gelb-blauen Trikots auf, denn das hatte ja die überwiegende Mehrzahl beim zweiten Viertelfinalmatch in Stockholm. Auffallend war, dass sie Deutsch sprachen, und zwar mit einem für die meisten Deutschen nicht geläufigen Akzent. „Wir kommen aus dem Pustertal“, erklärte Patrick Kirchler, Pressesprecher vom HC Pustertal aus Bruneck in Südtirol, allgemein „Patza“ genannt. Er absolvierte heuer seine 14. WM und wurde begleitet von Harry, der es erst auf fünf Turniere brachte. Der Dritte im Bunde ist Iwan, „von Patza und Harry certified“, wie es auf dem T-Shirt zusammen mit den WM-Teilnahmen lustig vermerkt wurde.
Tradition zählt eine Menge
Dass die Schweden trotz allem eine Eishockeynation sind, war am Mittwoch zu konstatieren. Zu einem Freundschaftsspiel der blau-gelben Legende gegen ein russisches „Gazprom“-Team wurden rund 3.000 Besucher gezählt. Das war klar mehr als in zahlreichen WM-Matches, in denen es um etwas ging. Mit dabei waren auch der Ex-Mannheimer Jonas Bergqvist sowie die beiden Ex-DEG-Cracks Viktor Gordiuk und Ake Liljebjörn. Übrigens gewannen die Gazprom-Leute das Match recht deutlich.
Spektakuläres Viertelfinale
„Jetzt haben wir eine Europameisterschaft“, sagte ein gestandener russischer Kollege, nachdem auch die US-Amerikaner gegen Finnland spektakulär aus dem Rennen ausgeschieden waren. Neun (!) Sekunden vor Schluss machten die Finnen alles klar. Auch selten, dass es im ganzen Match nur eine einzige Strafzeit gab. Ähnlich turbulent ging es auch in der Partie der Schweden gegen Tschechien zu. Eine 1:0-Führung der Gastgeber unter tosendem Jubel der Fans im nicht (!) ausverkauften Globe, drei tschechische Treffer am Stück zum 1:3, anschließend Ausgleich, und 29 Sekunden vor Ertönen der Schlusssirene das vierte Tor für die Böhmen, Mährer und Schlesier. Übrigens wurden im Viertelfinale keine Hymnen mehr vor den einzelnen Spielen gesungen oder gespielt.
Punkte
Dass unser Team in der internationalen Rangliste durch diese Katastrophen-WM von Rang acht auf Nummer zehn gefallen ist und sich somit für Olympia noch qualifizieren muss, war klar. Klar ist aber auch, dass die Slowakei einen Riesensprung nach vorn gemacht hat. Die Cracks von Tatra und Donau, vor der WM auf einem bescheidenen zehnten Rang, klettern mindestens drei Plätze (an Deutschland, die Schweiz und Norwegen, das übrigens Deutschland überholte, vorbei) und können sich sogar auf Rang sechs vorstoßen, wenn sie ins Endspiel kommen.
Kleine Nachlese
Welch ein Unterschied zwischen der mit viel Herz ausgerichteten Weltmeisterschaft im Vorjahr in Pressburg (Bratislava) und Kosice und dem nüchtern „durchgezogenen“ Turnier in Stockholm! Hier mussten die „Animateure“ bei den meistern Geisterspielen Ton und Aktion angeben, so dass das Publikum mitunter wie dressierte Affen wirkte. In der Slowakei kam vieles spontan. Nicht einmal auf den Bahnhöfen herrschte WM-Form. Zu den Partien der Gastgeber wurden teilweise kurze Züge eingesetzt, so dass man sich wie der berühmte Hering in der Büchse vorkam. Einen Gewinner hatte das Turnier auf jeden Fall. Das war unser Schiedsrichter Lars Brüggemann (Iserlohn), der bis dato eine ausgezeichnete Leistung bot.