Emotionaler Ausnahmezustand: Deutschland im WM-HalbfinaleKommentar zum Sieg gegen die Schweiz

Das DEB-Team siegte 1:0. Und war genauso fassungslos vor Glück wie ich. Minutenlang stapfte Sven Felski nach dem Spiel mit einem Dauergrinsen durch die Katakomben der Arena, stammelte in Endlosschleife: „Leck mich am Arsch!“ Sorry, liebe Leser, damals fuhren die Emotionen Achterbahn. Halbfinale! Das war unglaublich. Ich, der ewige Defätist, hatte nicht einmal Wechselklamotten dabei. „Bleib da“, sagte mein Chef. Und ich musste mich in Köln neu einkleiden. Feiertagskluft für das Halbfinale gegen Russland. Das ging bekanntlich verloren. Mehr als unglücklich. „Wir waren damals näher an Gold als an Platz 4“, sagte mir Felle später tief frustriert. Stimmt. Das Spiel um Platz 3 gegen Schweden wurde praktisch abgeschenkt. Längst war der emotionale Stecker gezogen.
Niemals, dachte ich damals, werde ich so etwas noch einmal erleben. Diese Riesenchance auf eine Medaille. Diesen Jubel. Diese Euphorie.
Doch es kam anders. Wie jeder weiß.
Erst Olympia 2018 in Südkorea. Mit dem Sensations-Silber, das golden glänzte. Und jetzt das. WM-Halbfinale. Elf Jahre nach den Tagen von Mannheim. Immerhin, diesmal musste ich mir keine neue Kleidung kaufen. Ich verfolgte die Partie am heimischen TV. Mehrfach musste ich mich kneifen. Immer! Und immer wieder! Hatte ich das alles nur geträumt? Nein! Ich war wach. Ich war wirklich wach. Mit nicht mehr messbarem Adrenalin. Mein Herz hämmerte am Anschlag.
Kampf! Wille! Leidenschaft! Dieses Team begeistert, sorgt für Gänsehaut. In! Jeder! Sekunde! Gibt niemals auf. 0:2? Egal. Weiter. Immer weiter. Bis ins Finale? Warum nicht! Diesen Jungs um den fantastischen Towart Mathias Niederberger, der „Krake von Riga“, oder den unkaputtbaren Marcel Noebels, ist alles zuzutrauen. Alles! Und so werde ich am Samstag wieder vor dem Fernseher sitzen. Im emotionalen Ausnahmezustand. Auf der Suche nach einer neuen Maßeinheit für meine Gefühle. Wenn das Blut mit Hochdruck durch meine Adern schießt wie ein reißender Strom. Mitfiebern. Als würde ich selbst auf dem Eis stehen. Und ... lassen wir das, jetzt fange ich wirklich an zu träumen.