Cortina macht bei umstrittener Eishockey-WM aus der Not eine JugendDie Eishockey-WM startet
Das Land gilt als letzte Diktatur Europas. Sein Machthaber Alexander Lukaschenko regiert autoritär und lässt als einziger Staat auf dem Kontinent die Todesstrafe zu. Noch nie war eine Eishockey-WM derart umstritten. Kritiker warnen, dass Lukaschenko das Turnier als Propaganda-Show missbraucht. „Ich finde es unerträglich, dass ein Regime, das einsperrt und hinrichtet, durch die Austragung der WM eine Auszeichnung erfährt“, sagte im Mai 2012 der damalige CDU-Politiker Pofalla.
Lukaschenko wirft westlichen Ausländern vor, sie würden den „Geist des Umsturzes“ in sein Land tragen. Dennoch setzte der 59-Jährige – wohl auf Druck des Eishockey-Weltverbandes IIHF - für den Zeitraum des Turniers die Visumspflicht aus. Geschichten von Land und Leuten aber wird es nur so geben, wie er es will. Medienvertreter, die über mehr als Eishockey berichten möchten, mussten beim weißrussischen Außenministerium eine zweite Akkreditierung beantragen. Kein Zweifel, dass diese Journalisten unter Beobachtung stehen und wer keinen Ärger riskieren mag, sollte es besser bei sportlichen Schlagzeilen belassen.
Für die - und ganz im Sinne Lukaschenkos natürlich positive - möchte das deutsche Eishockey-Nationalteam sorgen. Zwar musste Bundestrainer Pat Cortina Absagen vieler Leistungsträger wie Dennis Endras, Christian Ehrhoff, Alexander Sulzer, André Rankel, Patrick Reimer und Michael Wolf verkraften. So entschloss sich Cortina, aus der Not eine Jugend zu machen. Der 49-Jährige gab in der Vorbereitung Talenten eine Chance und wurde äußerst angenehm überrascht. Torhüter Philipp Grubauer (22) sowie die Angreifer Leon Draisaitl (18), Yasin Ehliz (21), Dominik Kahun (19), Marcel Noebels (22) und Tobias Rieder (21) konnten alle überzeugen und saßen gestern in der Maschine nach Minsk.
„Sie haben sich ihre Nominierung verdient. Wir nehmen niemanden mit zu einer WM, weil er jung ist“, sagte Cortina. Der Italo-Kanadier aus Montreal scheint der lang erhoffte Glücksfall für den Deutschen Eishockey-Bund zu sein. Denn außer Yasin Ehliz (Nürnberg Ice Tigers) werden die berufenen Talente in Nordamerika ausgebildet, Cortina aber hat sie auf dem Schirm und beweist mit deren Nominierung nicht minder Weitblick. „Die Jungs erhalten durch die Absagen nun früher ihre Chance. Aber wenn ich sie jetzt nicht ins kalte Wasser werfe, wann denn dann? Ich muss doch auch perspektivisch denken und planen. Wir haben 2017 die WM in Deutschland und da wollen wir eine sehr gute Rolle spielen“, sagte Cortina.
Kurzfristig gilt es, in Minsk zu bestehen und dort zum Auftakt gegen Aufsteiger Kasachstan zu gewinnen. „Wenn wir im ersten Spiel einen Schlüssel zum Sieg finden, dann kann das auch der Schlüssel für weitere sechs gute Spiele sein“, sagte Cortina, ohne ans Viertelfinale zu denken. „Wir haben in der Vorbereitung gegen vier der sieben Gruppengegner getestet und gesehen, dass wir gegen alle mithalten, aber auch Probleme bekommen können. Wir wollen die WM zufrieden verlassen. Mit einer Zielvorgabe würde ich diesem jungen Team doch nur unnötig Druck machen.“