„Wir hätten Punkte verdient“Eispiraten Crimmitschau - Heilbronner Falken

Ich schaute mich um im weiten Rund. Ich saß zum ersten Mal im „Kunsteistadion im Sahnpark“ in Crimmitschau, einem der geschichtsträchtigsten Eishockey-Orte der ehemaligen DDR. Der ASK Vorwärts Crimmitschau spielte ab 1964 hier um die Eishockeymeisterschaft im Osten des geteilten Deutschland. Aber bereits 1971 entschied die Staatsführung, dass Eishockey keine förderungswürdige Sportart mehr sein soll. Durch die Reduzierung der Oberliga auf die beiden Dynamo-Teams aus Berlin und Weißwasser fanden in Crimmitschau nur noch die Amateurmeisterschaften statt. Seinerzeit hießen diese aber „Bestenermittlung“. Der Gebrauch des Wortes Amateur hätte ja dazu geführt, dass jeder erkannt hätte, dass es in der DDR eben doch Profi-Sportler gab. Bis zur Einstellung 1990 fanden die jährlichen Wettkämpfe in dieser Eishalle statt. Und genau dort befand ich mich nun. Nun trafen die Eispiraten auf die Falken aus Heilbronn. Es wurde nicht in der Oberliga gespielt und auch keine Besten ermittelt. Es war das Spitzenspiel im Tabellenkeller der DEL2. Es gibt Orte an denen ist Sportgeschichte lebendig und fügt sich nahtlos in unser aktuelles Zeitgeschehen ein.
Vorletzter gegen Letzter
Am gestrigen Abend empfingen die Hausherren aus Crimmitschau den Tabellenletzten aus Heilbronn. Da die Eispiraten selber auf dem vorletzten Tabellenplatz, mit zwei Punkte Vorsprung auf die Falken, lagen war besondere Würze in der Partie. Heilbronn wollte die rote Laterne abgeben, die Eispiraten aber sicherlich dankbar dieses Gastgeschenk ablehnen.
Dementsprechend zerfahren war die gesamte Partie. Das erste Drittel war geprägt von starken Defensivleistungen auf beiden Seiten. Mitch Versteeg gelang in der 6. Spielminute das 1:0 für die Gäste aus Schwaben. Die ca. 15 mitgereisten Fans aus der Käthchenstadt feierten Ihre Mannschaft lautstark. Dieser Führungstreffer war ein Spiegelbild des Spiels. Versteeg bekam die Scheibe im eigenen Drittel, lief mit ihr in das Drittel der Eispiraten, schoss und traf. Spielerische Highlights und Angriffskombinationen waren Mangelware, die Teams neutralisierten sich weitgehend. Sofern Schüsse auf die durch Peter Holmgren (Eispiraten) und Sinisa Martinovic (Falken) gehüteten Tore kamen, konnten diese abgewehrt werden.
Das zweite Drittel verlief nicht wesentlich anders. Auch in den zweiten zwanzig Minuten sah man beiden Teams an, das es diese Saison noch nicht wirklich rund läuft. Bezeichnend war hier ein Check gegen Pat Baum, der in für einige Minuten auf dem Eis liegen liess. Allerdings war kein Eispirat an dieser Situation beteiligt, wurde er doch von seinem Heilbronner Teamkollegen Frantisek Mrazek quasi über den Haufen gerannt. Sportlich fair zeigten sich hier die Zuschauer aus Crimmitschau. Keine hämischen Gesänge, ob dieser lustig anmutenden Situation, waren zu hören, sondern ein aufmunternder Applaus ging durch den Sahnpark, als Baum leicht benommen zur Spielerbank fuhr. Am weiteren Spielverlauf konnte er teilnehmen.
Fünf Tore in neun Minuten
Es dauerte bis zur 51. Minute bis das Spiel richtig Schwung bekam und zu einer echten Nervenschlacht wurde. Zunächst erhöhte der junge Andreij Bires auf 2:0 für die Gäste aus Heilbronn. Die Zuschauer die aufgrund dieser vermeintlichen Vorentscheidung das Stadion verließen, werden im Nachhinein auf sich selber sauer sein.
Durch zwei Strafen befanden sich die Eispiraten in doppelter Überzahl. Das fünf auf drei Powerplay nutze Max Campbell zum Anschlusstreffer, es stand nur noch 1:2 aus Sich der Hausherren. Die anschließende Überzahl mit nur einem Spieler verlief vermeintlich erfolglos. Doch 12 Sekunden nachdem die Falken wieder vollzählig waren jubelte die Eishalle erneut. Ein harter Schuss von der blauen Linie schlug im Tor ein. Ausgleich! Torschütze war erneut Max Campbell. Man konnte die nun aufkommende Spannung quasi fühlen. Durch diesen Treffer, waren nun wieder die Falken Tabellenletzter und Crimmitschau oben auf, das viel besagte Momentum lag eindeutig auf Seiten der Hausherren. Aufgrund der Falken-Spiele der letzten Wochen konnte man erahnen, was in den Köpfen der Spieler vor ging. Schon wieder einen Rückstand hergegeben, schon wieder der Einbruch im letzten Drittel, schon wieder drohten die sicher in Händen geglaubten Punkte weggerissen zu werden. Doch anders als in den letzten Wochen behielten die Falken die Köpfe oben und spielten und arbeiteten konzentriert weiter. Florian Kirschbauer erhielt in der 57. Minute von Schiedsrichter Stefan Vogel eine zwei Minuten Strafe wegen Beinstellen. Die Unterzahlformation der Eispiraten stand sicher. Lange hielt Robert Hock den Puck am Schläger, alle möglichen Passwege waren zugestellt. Eispiraten-Trainer Fabian Dahlem stand nicht hinter, sondern auf der Bande und dirigierte seine Mannen in die richtige Positionen. Ein kleiner Fehler der Eispiraten, es war plötzlich eine Gasse frei, nutze Hock und spielte die Scheibe zu Frantisek Mrazek, der nun fast alleine vor Holmgren stand. Mit viel Routine spielte er den Torhüter aus und brachte die Falken 2 Minuten und 2 Sekunden vor dem Ende des Spiels in Führung. Die letzten beiden Spielminuten verbrachten die Eispiraten mit sechs Feldspielern im Drittel der Gäste. Aber irgendein Falken-Bein oder Sinisa Martinovic waren stets im Weg. Wenige Sekunden vor Ende der Partie löffelte Mitch Versteeg die Scheibe hinter der Torlinie einfach mal raus, etwas Luft schaffen, durchatmen. Die Linienrichter zeigten Icing an und die Eispiraten warteten auf den Pfiff. Der kam auch allerdings anders als erwartet. Die Scheibe berührte erst im Verteidigungsdrittel der Eispiraten wieder das Eis und rutschte in Zeitlupe ins Tor. 2:4.
Fabian Dahlem sagte nach dem Spiel: „Wir hätten hier Punkte verdient gehabt!“
Absolut richtig. Die Gäste waren an diesem Abend nicht das bessere Team, sie waren das glücklichere.