Wenn zwei sich streiten, freut sich der DritteChronologie, Fakten und Folgen des Endes im Zweitligastreit
Doch wie kam es zu dieser, letztlich überraschenden außergerichtlichen Einigung in letzter Minute? Wie sehen ihre Einzelheiten aus und wie wird sie von den Beteiligten und Betroffenen mit welchen Folgen bewertet?
Während DEB-Vizepräsident Manuel Hüttl am vergangenen Dienstag erstmals für den Verband öffentlich in die Offensive ging, mittels Presseerklärung die Unausweichlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung im Zweitligastreit erklärte und in einem dreiteiligen Interview auf Hockeyweb an den Folgetagen die Unannehmbarkeit der gegnerischen Forderungen auf die „notwendige Gestaltungshoheit des Dachverbandes“ zurückführte, hatte Präsident Uwe Harnos offenbar bereits ganz andere Vorstellungen. Seit Donnerstag führte er, seinen Angaben zufolge, direkten Email-Verkehr mit den Verhandlungsführern der neun streitenden Zweitligisten und verabredete sich zu einer finalen Verhandlung am vergangenen Sonntag in München, um im letzten Moment doch noch eine außergerichtliche Lösung zu finden. Zuvor kam es am Freitag und Samstag noch zum turnusmäßigen Treffen des DEB mit seinen Landesverbänden in Mannheim.
An der zehn bis zwölf Stunden dauernden sonntäglichen Sitzung nahmen Harnos, Hüttl und BEV (Bayerischer Eislauf Verband)-Präsident Dieter Hillebrand als Vertreter der Landesverbände auf seiten des DEB teil. Alfred Prey (Teammanager aus Bremerhaven), René Rudorisch (Geschäftsführer aus Crimmitschau) und Ernst Rupp (Geschäftsführer aus Heilbronn) vertraten die Eishockey-Zweitligisten in dem Gespräch. Letzterer verabschiedete sich vorzeitig, „weil das Ergebnis schnell feststand“. Vorgestern Abend gaben dann die Parteien in einer gemeinsamen Erklärung die vollzogene Einigung bekannt: Die ESBG (Eishockey Spielbetriebs-GmbH) wird mit einem neuen Kooperationsvertrag bis 2018 ausgestattet und fortan als DEL2 weiterhin den Spielbetrieb der 2. Liga, jetzt aber in Selbstverwaltung der 12 sportlich qualifizierten Clubs, organisieren. Ab nächster Saison 2014/15 sollen es 14 Clubs sein. Der DEB verzichtet auf seine Stimmenmehrheit und wird sich künftig, ebenso wie jeder Zweitligaclub, auf einen Geschäftsanteil und eine Stimme in der ESBG beschränken. Und: Die DEL (Deutsche Eishockey-Liga) bekommt ebenso einen Geschäftsanteil mit Stimme von den Zweitligisten auf dem Silbertablett überreicht - ohne jede Gegenleistung, um damit künftiges Wohlwollen zu befördern.
Mit quasi noch blutender Nase verwies Harnos gestern immer wieder auf „das positive Ergebnis einer Einigung im Sinne des Sports“ nach dem DEB-Knockout. „Ab sofort“ würden drei Personen anstelle des eigentlich dafür zuständigen ESBG-Aufsichtsrats die Lizenzierungsprüfung der Zweitligisten durchführen und drei Personen die Geschäftsführung übernehmen. Namen wollte er „noch nicht“ nennen, ebenso keine weiteren Einzelheiten, die noch erarbeitet werden müssten. Ziel sei es, bis zur Gesellschafterversammlung am 26.07.13 alle noch offenen Detailfragen zu klären und „dann gemeinsam zu veröffentlichen“.
René Rudorisch wusste für die Zweitligisten deutlich mehr zu berichten: Am Ende der kommenden Saison 2013/14 werden die vier Letztplazierten in Best-of-Seven-Play-downs zwei Teilnehmer ermitteln, die zusammen mit den vier Halbfinalisten der Oberliga-Meisterschaft in einer Einfach-Punktrunde vier Zweitliga-Qualifikanten ausspielen werden. Dabei wird mit unterschiedlichen Waffen gekämpft: Die Zweitligisten treten mit fünf, die Oberligisten mit nur zwei Kontingentspielern an. In den Folgejahren soll jeweils ein direkter Absteiger aus der DEL2, sofern ein Qualifikant aus der Oberliga die Lizenzprüfung besteht, und ein direkter Aufsteiger aus der Oberliga die Verzahnung nach unten gewährleisten. Einen ursprünglich für die DEL2 vorgesehenen Infrastruktur-Punkteplan als Lizenzierungsvoraussetzung wird es ebenso wenig geben, wie eine Lizenzierungsgebühr - diese beiden Aspekte dürfen, neben der notwendigen sportlichen Qualifikation der Ligenteilnehmer als Achtungserfolge des DEB gewertet werden. Zudem bleiben dem unbestätigten Vernehmen nach, wohl seine Zustimmungs- und Vetorechte erhalten.
Finanzieller Bestandteil einer Lizenzierung bleibt also eine 50.000 Euro Grund- und eine Sicherheitsbürgschaft in Höhe des halben Vorjahresverlustes für jeden Bewerber. Ab der Saison 2014/15 sollen einheitliche Verbandsabgaben die bislang zuschauerabhängigen Zahlungen ersetzen. Und: Die offene Abgabenforderung des DEB in Höhe von 160.000 Euro für die vergangene Saison soll jetzt von der ESBG „zeitnah“ bezahlt werden – „ist doch logisch“, sagt Rupp. Die Prüfung der Lizenzunterlagen wird, laut Rudorisch, aber erst nach Wahl eines neuen Aufsichtsrats in der nächsten Woche vonstatten gehen. Einig ist man sich mit dem DEB aber wohl in der Installation eines kommissarischen dreiköpfigen Geschäftsführergremiums, „bis zur Verfügbarkeit eines Nachfolgers“ für den ausgeschiedenen Alexander Jäger, so der Crimmitschau-Chef.
Über allem aber steht die angekündigte Hoffnung der Zweitligisten, „nach einer Phase des Kennenlernens, in vier bis fünf Jahren, mit der DEL über einen geregelten Auf- und Abstieg nach oben sprechen“ zu können, so Rudorisch. Einen solchen „hätten wir schon vor zwei Jahren sicher haben können“, erinnert sich Rupp der von den Zweitligisten verpassten Gelegenheit, dem von DEB und DEL ausgehandelten Kooperationsvertrag beizutreten, in dem die Verzahnung durch eine jährliche Relegation ab 2012 vorgesehen war. „Allerdings müssen wir dann sicherlich das jetzt vorgesehene 'Farmteam-Konzept' nochmal überdenken“, gesteht Rudorisch konzeptionellen Nachjustierungsbedarf für eine künftige Verzahnung.
Nun kann die Arbeit „von Profis für Profis“, so das Credo der DEL2, also endlich beginnen. Im Vergleich zur Vergangenheit wird das "in erster Linie durch das nun steigende Selbstbewusstsein der Clubs und vielleicht ein paar kleine Vermarktungserfolge der Liga" zum Ausdruck kommen, so Rudorisch. „Ziel ist es, die Förderung des Profi-Nachwuchses im Fokus zu haben“, gab Rosenheims Vorsitzender Wilhelm Graue in einer Erklärung der Zweitligisten zu Protokoll. „Dies ist eine Aufgabe, deren Ergebnis man vielleicht erst in zehn Jahren sehen wird“, schraubt Rudorisch aber gleich die Erwartungshaltung zurück. Kurzfristig wird aus terminlichen Gründen erstmal der DEB-Pokalwettbewerb gestrichen, der ja vor allem der Wettkampfpraxis der U20-Nationalmannschaft diente. Dafür wird in der übernächsten Saison die Kontingentspieleranzahl auf vier pro Club gesenkt, erklärt Rudorisch erste praktische Fördermaßnahmen. Im übrigen sei nun vor allem auch der DEB in der Verantwortung für die Nachwuchsgewinnung.
In der Bewertung der Einigung kam bei den Zweitligisten wenig Triumphgefühl, als vielmehr Erleichterung zum Ausdruck - der lange Kampf hat Spuren hinterlassen: „Ich bin froh und zufrieden, denn es ist alles schwer genug gewesen“, seufzte Graue. „Ich bin froh, dass es so gekommen ist“, sagte auch Rupp. „Erleichtert sind wir alle“, gestand Rudorisch. Fast staatsmännisch gab Bietigheims Geschäftsführer Volker Schnabel druckreif zu Protokoll: „Es ist die optimale, für beide Seiten tragbare Lösung im Sinne des Sports erzielt worden.“ „Es wird Eishockey gespielt. Mehr sage ich dazu nicht“, hielt sich Riessersees Ralph Bader knapp, der als einer der wenigen Zweitligisten eine DEB-geführte Liga bevorzugt hatte.
Welche Folgen die Auseinandersetzung für den schwer geschlagenen DEB und seine Führung haben wird, ist noch nicht absehbar. „Die Einigung ist positiv im Sinne des Sports“, wiederholt Harnos immer wieder. Es lohne nicht, zurückzuschauen, sondern die Zukunft sei jetzt zu gestalten. Dafür ist ihm aber kaum noch Masse geblieben: Kein Zugriff auf die DEL. Lediglich ein Stimmanteil in der neuen DEL2. Die halbe Verantwortung für die Nationalmannschaft an die DEL abgetreten. Vom Ziel, das deutsche Eishockey wieder unter einem Dach zu vereinen, weiter entfernt denn je. Die Frage nach seinem Rücktritt „stellt sich nicht“, sagt Harnos. Hüttl wollte sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter äußern. Seine Reaktion lässt jedoch vermuten, dass er eine andere Einschätzung zu der Einigung hat. Und wo war eigentlich sein Vize-Kollege Erich Kühnhackl in dem ganzen Streit? Auf ein Wort aus seinem Munde, mit der natürlichen Autorität des deutschen Jahrhundertspielers gesprochen, suchte die Eishockey-Gemeinde in den vergangenen Monaten, wie auch im langen Gezerre um Bundestrainer- und Sportdirektorposten vergebens.
Die DEL, vom Streit nur mittelbar betroffen und freundlich mit einem Stimmanteil in der künftigen ESBG/ DEL2 bedacht, begrüßt die außergerichtliche Einigung nicht nur, wie es in einer Stellungnahme heißt. Ihr Geschäftsführer Gernot Tripcke gesteht unumwunden: „Wir freuen uns über die Entwicklung!“ Nun müsse die DEL2 formelle Voraussetzungen erfüllen, um den Prozess der geplanten Zusammenarbeit voranzutreiben.
Klostersees Vorsitzender und Medien-Anwalt Alexander Stolberg, der mit seinem Oberliga-Club ebenfalls nur mittelbar von dem Streit um die 2. Liga betroffen war, sieht die vereinbarte Lösung kritisch: „Ich bin der Überzeugung, dass niemand davon profitiert, außer die DEL! Stattdessen ist unserem Sport wieder einmal ein enormer Schaden in der Öffentlichkeit entstanden.“ Man hätte sachorientiert miteinander, statt öffentlich übereinander diskutieren sollen. „Leider Gottes wird aber jedes Jahr eine solche Sau durch's Eishockey-Dorf getrieben. Dabei wäre es das größte Marketing-Instrument, wenn man einmal am letzten Spieltag wüsste, wie die nächste Saison abläuft.“
Auch Rudorisch sieht bei aller Freude die DEL2 nun in der Pflicht: „Wir stehen jetzt in der Verantwortung, Nachweise für die Richtigkeit und Nachhaltigkeit unserer Vorhaben zu bringen.“ - Saisonstart soll am 13.09.13 sein.
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