Wenn Alfred Hitchcock zum Märchenonkel verkommt
Cory Gustafson kehrt nach Landshut zurückEs gibt Tage, da steht man – sprichwörtlich – mit dem linken Fuß zuerst auf. Meist haben diese dann wenig Gutes zu bieten. Es soll aber auch Tage geben, an denen es besser gewesen wäre, erst gar nicht aufzustehen. Unter diese Rubrik dürfte wohl ein Großteil der Steelers-Cracks den gestrigen Sonntag einordnen; allen voran wohl Goalie Scott Fankhouser: Da hat der 28-Jährige in seiner Karriere 19 NHL-Spiele bestritten und dabei im Schnitt um die 3,5 Tore kassiert, vollzieht im Sommer 2003 den Sprung nach „good old Germany“ und lacht sich mit dem SC Bietigheim-Bissingen gleich einen der Top-Favoriten im Kampf um die Zweitliga-Meisterschaft an. Und mit eben diesem Team reiste der Goalie – im Gepäck die besten Vorsätze, den schwachen Saisonauftakt vergessen zu machen – an die Isar. Ein Sieg sollte, ja musste her gegen die Youngster-Truppe des niederbayerischen Außenseiters. Dass ihn im Verlauf der Partie dann aber allen voran die Youngster bisweilen ganz alt aussehen ließen, daran wird Fankhouser wohl noch einige Zeit zu knabbern haben.
2326 Zuschauer werden die an Spannung und Dramatik kaum zu überbietende Partie ebenfalls so schnell nicht vergessen. Denn: Im Vergleich zu dem, was die Cannibals- und Steelers-Cracks auf das Eis im Stadion am Gutenbergweg zauberten, verkommen selbst die Meisterwerke von Thriller-König Alfred Hitchkock zu „Kinderkram“. Beide Teams gingen von Beginn an ein hohes Tempo. Schon nach wenigen Sekunden musste Nolan McDonald rettend gegen Craig Teeple eingreifen, auf der Gegenseite – es lief immer noch die ersten Spielminute – scheiterte Eric Dylla nach feinem Solo. Im direkten Gegenzug machte es Robert Brezina um einiges besser: 1:02 Minuten gespielt und Nolan McDonald war erstmals geschlagen. Die Cannibals ließen sich vom frühen Rückstand jedoch nicht aus dem Konzept bringen, suchten weiter ihre Chance in der Offensive. Thomas Schenkel brachte eine Hereingabe nicht unter Kontrolle und Aki Tuominens Schuss von der blauen Linie strich knapp am Tor vorbei. In der neunten Minute wurden die Bemühungen der Niederbayern dann doch belohnt, als Markus Welz in Überzahl von Zdislaw Zareba in Szene gesetzt wurde, nicht lange fackelte und Fankhouser zum 1:1 überwand. Eric Dylla fand kurz danach in Fankhouser seinen Meister, während Calvin Elfring in der 13. Minute ein Powerplay der Gäste zum 1:2 nutzte. In der Folge erarbeiteten sich die Kannibalen, nun ihrerseits wieder in numerischer Überlegenheit, einige Möglichkeiten, ohne dass dabei jedoch Zählbares heraussprang. Und auch ein Break von Kapitän Kamil Toupal – diesmal in Unterzahl – brachte nicht den gewünschten Erfolg. Und wieder sollte sich dies rächen: Darren Ritchie brachte seine Farben noch vor der ersten Pause mit 3:1 in Front. Glück für die Cannibals aber, dass wenig später Nolan McDonald gegen Andrej Kovalev zumindest noch das 1:4 verhindern konnte.
Prommersberger scheiterte zu Beginn des Mittelabschnitts an Fankhouser, Hammer verzieht nur um Zentimeter. Als dann Robert Paule auf der Strafbank saß, endlich der längst fällige Anschlusstreffer zum 2:3. Andi Geipel hatte in der 23. Minute von der blauen Linie abgezogen und über den rechten Innenpfosten fand der Puck den Weg ins Netz. Und es sollte noch besser kommen. Zwar konnte Fankhouser gegen Derraugh noch klären, als aber Andi Geipel ein Klassesolo mit einem Schlenzer ins kurze Eck abschloss, war auch der Steelers-Keeper geschlagen. Nur zwei Minuten später zog Andi Geipel in Überzahl von der blauen Linie ab, Zdislaw Zareba hielt die Kelle dazwischen – 4:3 für die Kannibalen. Am Gutenbergweg war nun endgültig die Hölle los. Wiederum nur 120 Sekunden – diesmal saß Seyller bei Landshut auf dem Sünderbänklein – schlugen die Steelers zurück. Aus dem Gewühl heraus erzielte Craig Teeple den 4:4-Ausgleich. Sekunden vor dem zweiten Wechsel verpasste Markus Hundhammer die erneute Führung für die Cannibals, als er nach einem Solo knapp verzog.
Chancen für Derraugh und Dylla zu Beginn des Schlussabschnitts brachten nichts ein und Toupals Geschoss von der blauen Linie landete in der Fanghand von Keeper Fankhouser. Auf der Gegenseite rettet Nolan McDonald gegen Calvin Elfring – ein offener Schlagabtausch mit Vorteilen für die Heimischen. Dann der große Auftritt von Alex Feistl: Der (noch) 17-Jährige zog nach Pass von Justin Plamondon, der diesmal wegen des verletzungsbedingten Ausfalls von Mats Lindmark die sechste Kontingentstelle besezte, auf und davon, verlädt Fankhouser im Stile eines ausgepufften Profis und stellte auf 5:4. Die Stadionuhr zeigte 53:28 Minuten. Ein Treffer zum Zungeschnalzen zum richtigen Zeitpunkt, dem nur 68 Sekunden später Markus Welz die vermeintliche Vorentscheidung zum 6:4 folgen ließ. „Vermeintlich“ deshalb, weil sich die Steelers auch in dieser schier aussichtslosen Situation noch nicht aufgeben wollten – sie fighteten zurück. Und das mit Erfolg: Erst verkürzte Darren Ritchie in Überzahl auf 5:6 (57. Minute) und als Prommersberger eine Strafe verbüßte, besorgte Andrej Kovalev in der 59. Minute den 6:6-Ausgleichstreffer. Wie schon zum Heimauftakt gegen Weiden drohte nun eine Verlängerung. Dass es letztendlich nicht so weit kam, lag zum einen an Peter Gulda, der sich exakt eine Minute vor der Schlusssirene eine Zwei-Minuten-Strafe (plus seine zweite Diszi) einhandelte und damit den Kannibalen eine weitere Möglichkeit zum Powerplay eröffnete, und zum andern an der Tatsache, dass bei den Cannibals eben auch die Yougster bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. So auch Dominik Hammer, der 20 Sekunden vor Spielende die Scheibe aus halblinker Position in die Maschen jagt. Die Entscheidung zum 7:6 – und wieder hatte Fankhouser gegen einen Cannibals-Youngster mehr alt als gut ausgesehen. Der Jubel im Stadion am Gutenbergweg wollte kein Ende nehmen, denn so eine Partie hatten wohl selbst die „alteingesessenen“ Fans noch nicht erlebt – Spannung pur eben, anstatt nur „Kinderkram“. (gl)