Vom DEL-Aspiranten zum Tabellenschlusslicht

Es sollte in der neuen Spielzeit alles besser laufen, bei den Regensburger Eisbären. Im Vorjahr galt man zum Saisonstart unter Peter Draisaitl als einer der möglichen Kandidaten für einen Aufstieg in die DEL. Am Saisonende stand letztlich Beppo Schlickenrieder an der Regensburger Bande und die Eisbären erreichten als glücklicher Achter gerade noch die Playoffs. In der aktuellen Spielzeit käme eine solche Wende eher einem Wunder gleich.
Zwar konnte der finanzielle Kollaps im Verlauf der Saison noch in letzter Minute verhindert werden, aus sportlicher Sicht ist die Lage dafür so brenzlig wie lange nicht. Abgeschlagen stehen die Regensburger wider Erwarten und wider Willen am Tabellenende der zweiten Eishockey Bundesliga. Das Experiment, Wayne Hynes zum Start einer erfolgreichen Trainerkarriere zu verhelfen, scheiterte jäh. Inzwischen ist auch Hynes nicht mehr in Regensburg und Igor Pavlov leitet die Geschicke. Zumindest was das Powerplayspiel betrifft ist die Handschrift des Letten bereits deutlich zu erkennen, für einen Totalumbruch kam die Verpflichtung dagegen zu spät. Die Punkteausbeute ist weiterhin nicht konstant genug und ein zu Saisonbeginn nicht für möglich gehaltener Abstieg in die Oberliga könnte durchaus Realität werden.
Die Gründe hierfür sind vielschichtig:
Einer der Wichtigsten für die mangelnde Punkteausbeute in den bisherigen Spielen liegt sicherlich an der Undiszipliniertheit einzelner Akteure. So ist die Strafzeitenstatistik auch die einzige, in der die Eisbären in der oberen Hälfte zu finden sind. Selbst bei den dreißig punktbesten Stürmern der Liga taucht mit Niklas Hede nur ein einziger Regensburger Akteur auf. Symptomatisch besetzt Hede hier Platz 30.
Zudem sucht man bei den Eisbären weiterhin vergeblich nach einem echten Leader im Team, so wie dies in früheren Jahren Martin Ancicka oder Shawn Heaphy waren. Klar verfügen die Domstädter haufenweise über erfahrene und konstant scorende Spieler in ihren Reihen, dennoch werden Niederlagen leise und scheinbar ohne emotionale Regung hingenommen. Hier gibt es niemanden, der auf der Eisfläche lautstark Anweisungen gibt und in der Lage ist, die Mannschaft als Führungsperson wachzurütteln.
Auch hat nur ein Team weniger Tore geschossen, als die Eisbären. Dabei sollte doch gerade der qualitativ durchaus prominent besetzte Sturm das Prunkstück der diesjährigen Mannschaft darstellen. Spieler wie Ervin Masek, Niklas Hede, Jason Miller und Radek Vit sind Bundesligadauerbrenner und gehören von Saison zu Saison zu den punktbesten Offensivkräften ihrer jeweiligen Teams. Bis auf Jason Miller haben alle auch noch einen deutschen Pass, was dem Kader in Kombination mit den Kontingentstellen weitere Tiefe verleihen sollte. Zudem gesellte sich mit Mike Wirll noch ein weiterer kanadischer Offensivakteur in die Mannschaft, der mit den Referenzen des Toptorjägers der ECHL in die Domstadt wechselte.
Inzwischen ist bei den nach wie vor sehr treuen und euphorischen Fans allerdings Ernüchterung eingekehrt. Die etablierten Spieler in Sturmreihe eins und zwei präsentieren sich alles andere als durchschlagskräftig. Klar durfte man beispielsweise von Mike Wirll beim ersten Europaengagement keine Wunderdinge erwarten, die teilweise eklatante Vernachlässigung der Defensivarbeit beim jungen Kanadier hinterlässt dagegen einen faden Beigeschmack. Jason Miller, Niklas Hede und Ervin Masek sind sichtlich bemüht, agieren jedoch zumeist ohne Fortune und damit nicht effektiv genug. Enttäuscht ist man auch von Radek Vit, der zwar ordentlich punktet, aber sich im Spielaufbau immer wieder unerklärliche Aussetzer leistet, die zu unnötigen Scheibenverlusten führen. Auch der kürzlich verpflichtete Peter Flache wusste nur im ersten Spiel zu gefallen. Dabei war allen Beteiligten bei Begutachtung der bisherigen Karrierestatistiken des hünenhaften Stürmers klar, dass er sich nicht zum teaminternen Topscorer aufschwingen wird. Die einzige kleine Chance, vielleicht durch die Verpflichtung eines Hochkaräters doch noch den Playoffstrohhalm zu ergreifen verpuffte also mit der Besetzung der letzten freien Kontingentstelle.
Sollte der Klassenerhalt geschafft werden, wurde alles richtig gemacht und das gesparte Geld kann in die neue Kaderplanung gesteckt werden. Steigen die Regensburger dagegen ab, wird man sich einer Reihe von Vorwürfen stellen müssen und Jahre der Weiterentwicklung gehen plötzlich verloren.
Auch vom Verletzungspech blieben die Eisbären nicht verschont, denn für Andreas Dörfler und Axel Hackert scheint die Saison wohl vorzeitig beendet zu sein. Eine Entschuldigung für die augenblickliche Situation sind diese beiden Ausfälle freilich nicht.
Doch wie so oft, bringen auch die schwersten Krisen Positives hervor. Die Eigengewächse Daniel und Stefan Huber konnten nämlich selbst die größten Kritiker überzeugen und zeigen von Spiel zu Spiel, was man durch bedingungslosen Kampfgeist alles wettmachen kann. Mit Alexander Feistl bekamen sie einen ähnlichen Spielertyp an ihre Seite beordert und stellen weit mehr, als nur eine Entlastung für die vermeintlichen Topreihen dar. Am effektivsten präsentiert sich derzeit die dritte Sturmformation mit Max Kaltenhauser, Andreas Driendl und Max Schmidle. Die Spieler sind augenscheinlich sehr engagiert bei der Sache und jeder Treffer zieht regelrechte Jubelstürme nach sich. So ist auch die ein oder andere Unkonzentriertheit verzeihbar.
Was sich zu Beginn der Spielzeit beim Blick auf den Kader als größtes Regensburger Problem herauskristallisieren könnte, trat letztlich auch ein. Den Eisbären fehlt bis zum heutigen Tage ein echter Offensivverteidiger. Zwar bemühte sich der inzwischen abgewanderte Rory Rawlyk den Spielaufbau anzukurbeln, doch auch seine Mittel waren wohl aufgrund der mangelnden Erfahrung, diesbezüglich begrenzt. In der Hintermannschaft setzen die Regensburger inzwischen ausnahmslos auf Defensivspezialisten und ein Verteidigertor ist bei den Eisbären eine Rarität geworden. Den größten Schritt hat wohl Chris Heid gemacht, der, zumindest bis zu seiner Verletzungspause der konstanteste Eisbär war. Auch Max Prommersberger spielt nahezu unauffällig, was dieser Tage in Regensburg durchaus als Kompliment gesehen werden darf. Jan Hemmes hat sich nach nervösem Saisonstart inzwischen auch etabliert. Unerklärlich sind dagegen die Leistungsschwankungen von Sven Gerike. Der Regensburger Kapitän wirkt häufig nervös und leistete sich zuletzt ungewohnt viele Fehlpässe.
Paul Flache war nach dem Abgang von Rory Rawlyk der einzige Kontingentspieler in der Regensburger Defensive. Doch nach seiner Genesung agierte er neben Jason Miller und Bruder Peter in der ersten Sturmreihe. Somit spielen die Eisbären derzeit ohne ausländischen Verteidiger. Ein Umstand der nicht weiter schlimm ist, aber dennoch im Spielaufbau große Lücken hinterlässt. So sind die Defensivspezialisten gezwungen, sich entgegen ihrer normalen Spielweise auch für die Offensive einzusetzen. Christian Franz zum Beispiel ist sehr darum bemüht in die für ihn eher ungewohnte Rolle zu schlüpfen und hat sich für die schwache Vorsaison bis zum jetzigen Zeitpunkt rehabilitieren können. Auch Franz zeigt, dass durch bedingungslosen Einsatz Berge versetzt werden können und präsentiert sich von Woche zu Woche auffälliger.
Hinter den Verteidigern steht nur noch einer und damit die fünfte Regensburger Kontingentstelle. Patrick Couture spielt wahrlich nicht seine beste Saison in Deutschland und musste den ein oder anderen vermeidbaren Gegentreffer hinnehmen. Wer jedoch das Spielgeschehen näher beobachtet, muss feststellen, dass sich Couture in nahezu jeder Partie einem wahren Feuerwerk von Schüssen erwehren muss. Der Gegentorschnitt des Kanadiers ist sicherlich nicht tragbar, eine Statistik über die Fangquote würde diesen aber wieder in positiveres Licht rücken.
Nachdem die Transferfrist inzwischen abgelaufen ist, steht fest, dass die Regensburger Verantwortlichen bis zum Saisonende weiterhin auf die Akteure der aktuellen Mannschaft setzen wollen. Zwar haben diese in einigen Spielen durchaus Potential gezeigt, der Kampf um den Klassenerhalt dürfte sich aber dennoch zur Nervenschlacht entwickeln.
Von Michael Pohl