Platz acht kein Ziel mehr - Prior nimmt Druck von der Mannschaft
Die Anspannung der letzten Wochen konnte Gary Prior nicht
verbergen. Die Niederlagenserie seiner Mannschaft inklusive der aufkeimenden
Kritik an seiner Person hat Spuren hinterlassen. Spuren, die dem sonst so
smarten Kanadier ein wenig von seiner gewohnten Nonchalance und Eloquenz nahmen.
Dass er sich beim offiziellen Statement auf der Pressekonferenz im Anschluss an
die 3:4 n.P Niederlage gegen die Bietigheim Steelers ausschließlich die
Leistung des Unparteiischentrios als Ursache für die zweifellos verlorenen zwei
Zähler heranzog, mag angesichts der sich überschlagenden Ereignisse in den
Schlussminuten nur zu verständlich sein. „Ich habe mit ihm gesprochen, er ist
ein netter Mensch, der auch nur sein Bestes versucht. Aber warum fragt er bei
der Strafe von Schorschi Kink seinen Linienrichter, obwohl er selbst besser
postiert war“, fand Prior nur schwer die richtigen Worte für Referee Kleiner.
Doch auch beim persönlichen Gespräch merkte man dem Eishockeylehrer sein Gefühlsleben
unschwer an. Als ein Journalist zum wiederholten Male die Serie von sieben
Niederlagen am Stück ansprach, wies Prior ihn auf den unter der Woche
beschlossenen Neuanfang hin. Dem Medienvertreter erschien diese Aussage zu
lapidar, weshalb er die Frage – mit leicht umformulierten Inhalt -erneut
stellte. Diesmal lautete die Antwort vom Münchner Trainer: „Schreiben Sie
doch was Sie wollen.“ Eine abwertende Handbewegung gab es obendrauf.
Prior, Manager Winkler und die Vorstandschaft haben sich ebenso wie die
Mannschaft einem tatsächlichen Neubeginn unterworfen. Der bisherige
Saisonverlauf wurde ad acta gelegt, das Spieljahr ab dem eben beendeten
Wochenende neu begonnen. Sicher, auch der Neustart brachte für den EHC München
kein anderes Bild als das gewohnte des zweiten Siegers. Die Niederlagen gegen
Wolfsburg und Bietigheim möchte Gary Prior aber ohne wenn und aber als „einen
halben Schritt nach Vorne“ wissen. „Wir haben jetzt zweimal sehr gut
gespielt. Für mich ist die Leistung und die Art wie sich die Mannschaft präsentiert
hat wichtiger gewesen.“ Eingedenk der Klasse der beiden siegreichen
Kontrahenten eine durchaus sinnvolle Denkweise. Es scheint fast so, als hätte
die Mannschaft bisweilen mit dem Druck, Platz acht erreichen zu können, nicht
umgehen können. Diese mentale Belastung wurde den Spielern nun genommen. „Der
achte Platz ist nicht mehr machbar, für uns beginnt jetzt die Vorbereitung auf
die Abstiegsrunde. Das heute war eine Leistung zum Aufbauen, es bleibt sicher
positiv in den Köpfen der Spieler“, so Prior.
Die Gefahr mangelnder Einstellung angesichts des fehlenden Ziels wird durch die
Breite im Kader gebannt. „Es werden ab sofort Spieler auf der Tribüne
sitzen“, kündigte der Headcoach an. „Wem das nicht gefällt, der kann
sofort wechseln.“ Erst nach Bedarf, dann nach Leistung wird künftig in Sachen
Kontingentspieler aufgestellt. John Sicinski soll in diesen Tagen wieder mit dem
Training beginnen und soweit die lädierte Schulter es zulässt an die Seite von
Dan Carlson und Mike Pandolfo rücken.
Oliver Rabuser