Heißt von der Schweiz lernen, siegen lernen?Wie sich das Schweizer Eishockey reformierte

Das „Schweizer Modell“ wird gerne als Schlagwort benutzt. Das „Schweizer Modell light“ wäre sozusagen die Bündelung aller Kräfte unter einem Dach. Das aber ist nur eine der offensichtlichen Veränderungen, die vor fast genau zwei Jahren herbeigeführt wurde – in ihrer Struktur geht es aber darüber hinaus.
Die Swiss Ice Hockey Federation entstand aus einem Zusammenschluss des bisherigen Verbandes (ursprünglich Schweizerischer Eishockeyverband, SEHV; Umbenennung 2001 in Swiss Ice Hockey Association, SIHA) mit der National League und der Regio League. Die NL war und ist zuständig für die Organisation des Spielbetriebs in den beiden höchsten Spielklassen, der NLA und der NLB. Die Regio League ist am ehesten mit den deutschen Oberligen und den sich nach unten anschließenden Ligen der Landesverbände zu vergleichen. Aber Vorsicht, „am ehesten“ heißt natürlich nicht „zu 100 Prozent“.
Schon drei Jahre vor dem Zusammenschluss zur neuen Swiss Ice Hockey Federation gab es Ideen, die in diese Richtung gingen. In der frühen Phase gab es in der Schweiz durchaus Widerstände gegen dieses neue Konstrukt, weil die Clubs befürchteten, an Einfluss zu verlieren. Dennoch wurden 2010 die Weichen gestellt, um das neue, gemeinsame Dach für das Schweizer Eishockey auf den Weg zu bringen.
In der Struktur sieht es so aus, dass nachgeordnet zu einem „General Meeting“, in der deutschen Verbandsstruktur würde man wohl von einer Mitgliederversammlung sprechen, ein Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat existiert, dem wiederum der „CEO“ (Chief Executive Officer), auf Deutsch am ehesten ein Geschäftsführer, untersteht. Verwaltungs-/Aufsichtsrat und CEO obliegt das operative Geschäft, weshalb sie im Rahmen der Statuten mit nicht unerheblichen Gestaltungskompetenzen ausgestattet sind. Danach splittet sich die Struktur wie folgt auf: Dem Bereich Elitesport zum einen gehören die beiden Profi-Spielklassen der National League (also NLA und NLB), die Nationalmannschaft sowie das für die Profiligen zuständige Schiedsrichterwesen an. Die NL bleibt, im Rahmen der SIHF-Statuten, autonom und wurde zur 100-Prozent-Tochter der Swiss Ice Hockey Federation. Dem Geschäftsbereich Ausbildung und Amateursport zum anderen sind seiner Bezeichnung gemäß die Sparten Ausbildung/Entwicklung, die Regio League (Amateurligen) mit dem wiederum dafür zuständigen Schiedsrichterwesen, die Verbandssportgerichtsbarkeit und der Verbandsservice (Verwaltung, Spielertransfer etc.) zugeordnet. Finanz- und Marketingabteilungen wirken übergreifend (siehe Organigramm).
Die erfolgreich vollzogene Zusammenführung des Schweizer Eishockeys unter dem Dach der Swiss Ice Hockey Federation ging mit der klaren Aufteilung von Zuständigkeiten und Aufgaben einher. Das Bemerkenswerte an dieser Entwicklung: Die Entscheidung, sich in dieser Weise zu organisieren, verlief zwar nicht ohne Widerstände, aber mit deutlich weniger Lärm, als es derzeit im Streit um die Zukunft der zweiten deutschen Spielklasse der Fall ist. Das setzte letztlich die Einsicht aller Beteiligten voraus, für eine Einigung und eine zukünftig konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle des Schweizer Eishockeys in seiner Gesamtheit auch eigene Positionen aufzugeben. Tatsächlich war es so, dass die Gesellschafter der National League, also die Clubs, und die Regio League auf Kompetenzen verzichtet haben, um miteinander arbeiten zu können. So hat hat der Profibereich durch die Eingliederung der Nationalmannschaft in die Abteilung „Elitesport“ sowie die Besetzung relevanter Positionen zwar an Einfluss gewonnen, die Regio League, also das regionale Amateureishockey, steht in diesem Konstrukt dennoch im direkten Blick der Swiss Ice Hockey Federation.
Was bedeutet das für den aktuellen Streit um die zweite deutsche Liga? Erst einmal muss jedem klar sein, der Gefallen am „Schweizer Modell“ findet, dass eine 1:1-Übertragung (!) auf das deutsche Eishockey oder das irgendeines anderen Landes schwer vorstellbar ist, einfach weil die (z.B. die rechtlichen) Gegebenheiten im Vorfeld einer solchen Entwicklung andere sind. Beispielsweise gehörten die NLA und NLB ohnehin zusammen. Eine DEL 2 nach jetzigem vorgeschlagenen Muster durch die Mehrheit der ESBG-Vereine hätte insofern noch nichts mit dem gemein, sondern wäre – wie die ESBG – eine eigenständige Gesellschaft. Und bei allen Absichtserklärungen für eine gemeinsame Handlungsweise mit der DEL wäre ein Bruch jederzeit möglich. Aber auch mit dem DEB-Konzept wären wir nicht bei einem „Schweizer Modell“, da zum einen die DEL als eigenständige Organisation weiterhin existieren würde und der Verband selbst in der Öffentlichkeit nicht gerade mit einer ausgeprägten Reformbereitschaft von sich reden machte. Beide Seiten mögen für sich in ihrem Teile des Schweizer Konzepts (gemeinsame Profistruktur hier – ein Dach, weil ein Akteur in Form der ESBG weniger dort) erkennen, das gleiche ist es deswegen aber noch lange nicht.
Was die Vertreter aller beteiligten Lager am Beispiel des „Schweizer Modells“ allerdings lernen können, ist: Eine Zusammenarbeit aller Bereiche ist denkbar! Es ist machbar, dass alle Belange in vollem Umfang bedacht werden! Es war in der Schweiz umsetzbar, weil man miteinander und nicht übereinander gesprochen hat!
Geboten ist jedoch, ob sich die Vernunft auf Seiten von Verbands- und Clubbossen auch hierzulande durchzusetzen vermag oder nicht, offen zu sagen: Auch das „Schweizer Modell“ ist nicht zu 100 Prozent perfekt. Auch in der Schweiz wird der Aufstieg von der 1. Liga (der Regio League) in die NLB oder von der NLB in die NLA verwährt, wenn gewisse Voraussetzungen (z.B. die Spielstätten betreffend) nicht erfüllt sind. Auch in der Schweiz geraten Clubs noch immer aus den unterschiedlichsten Gründen in finanzielle Probleme – in der Gesamtstruktur aber scheint es seit zwei Jahren recht gut zu laufen.
Über das „Schweizer Modell“ reden heißt nicht, dass es 1:1 übertragbar wäre oder dass es das Wundermittel gegen alle Probleme des deutschen Eishockeysports ist. Das „Schweizer Modell“ ist erst einmal nichts anderes, als der Weg, den die Schweiz beschritten hat, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Für Eishockey-Deutschland bleibt aber dringend zu hoffen, dass möglichst bald von einem „deutschen Modell“ die Rede sein kann, das mindestens genauso zukunftsweisend ist. Und dass die Sommerpause dann auch wirklich wieder das ist: eine Pause, ehe es ab Herbst um Sport geht. Und nur um den Sport!