„Harry brennt!“Sender trifft Christof Kreutzer I – Das Hockeyweb-Sommergespräch
Von Angesicht zu Angesicht: Christof Kreutzer (links), der neue Trainer des EC Bad Nauheim, im Gespräch mit Hockeyweb-Mitarbeiter Michael Sender. (Foto: Michael Sender)Herr Kreutzer, Anfang April haben die Eishockey Cracks Bad Nauheim bekannt gegeben, dass Sie der neue Cheftrainer des Traditionsclubs sind. Wie sahen ihre ersten Arbeitswochen aus?
Christof Kreutzer: Die erste Phase diente der Orientierung und war eine Bestandsaufnahme: Was ist gegeben? Was wird wie gehandhabt? Wie finden unsere Vorstellungen zusammen? Hauptpunkt ist natürlich, wie weit die Kaderplanung ist. Wer ist unter Vertrag und welche Spielertypen brauchen wir noch? Welche Mittel haben wir? Ich bin mit den Verpflichtungen bisher sehr zufrieden und auch in der Geschäftsstelle wurde die ein oder andere Kleinigkeit verändert.
Welchen Eindruck haben Sie von ihrem neuen Arbeitgeber?
Bad Nauheim ist sehr gut aufgestellt. Hier wird hart und ehrlich gearbeitet. Manch Erstligist kann sich eine Scheibe davon abschneiden. Was Andreas Ortwein (Geschäftsführer der EC Bad Nauheim GmbH, Anm. d. Verf.) hier seit über zehn Jahren leistet, hat Hand und Fuß. Er ist ein Tausendsassa.
Noch pendeln Sie zwischen Düsseldorf und Bad Nauheim. In Kürze werden Sie ganz nach Hessen ziehen. Ist es das erste Mal, dass Sie Düsseldorf verlassen?
Ja, ich habe mein ganzes Leben in Düsseldorf verbracht. Als aktiver Spieler hatte ich das Glück in Düsseldorf bleiben zu können. Nach der Nachwuchszeit spielte ich zwei Jahre in der Zweiten Liga in Solingen und Ratingen, also direkt um die Ecke, musste nicht umziehen. Danach bin ich zurück nach Düsseldorf gewechselt. Ich bin mit der Stadt sehr verwurzelt. Mitte Juli werde ich gemeinsam mit meiner Frau fest nach Bad Nauheim ziehen.
Wie fühlt es sich an, die Heimat zu verlassen?
Ich komme gerne nach Bad Nauheim. Es ist ein sehr schönes Fleckchen und es fühlt sich gut an. Als Spieler war ich gefühlte 1000 Mal hier. Aber da kamen wir zum Spiel und fuhren im Anschluss direkt wieder. In den vergangenen Wochen konnte ich mich umschauen und mir einen Eindruck von der Stadt verschaffen. Hier lässt es sich bestens leben.
Ist Bad Nauheim schöner als Frankfurt?
Ja, ich denke schon, wobei es schwer ist die Orte miteinander zu vergleichen. Frankfurt ist eine Großstadt, von Banken und Hochhäusern geprägt. In Bad Nauheim fühl ich mich wohler, weil es ruhiger und entspannter ist. Ich wohne auch in Düsseldorf etwas außerhalb. Ich mag zwar die Nähe zur Stadt, aber ich muss nicht mittendrin sein.
Ihr Weg führt aus der ersten in die zweite Liga. Ist das für einen Mann mit ihrer Vita nicht ein Rückschritt?
Vorsicht bei Menschen, bei denen man glaubt, sie machen einen Rückschritt – vielleicht ist es nur ein Anlaufnehmen! Ob Liga eins oder zwei ist egal - Bad Nauheim passt zu mir! Klar habe ich das Ziel, irgendwann wieder in der DEL zu trainieren, aber vordergründig muss die Zusammenarbeit von Vertrauen geprägt sein. Daher ziehe ich den Zweitligisten vor. Die gemeinsame Ausrichtung ist gegeben. Ich kann nach meinen Vorstellungen arbeiten. Wenn ich mich nicht entfalten und meinem Stil verfolgen kann, hat es auf Dauer keine Chance. Ich will mich voll und ganz auf Bad Nauheim konzentrieren. Ich habe Andreas direkt gesagt, dass ich keine Ausstiegsklausel für die DEL brauche. Ich lasse den Verein nicht mitten in der Saison im Stich.
Und wenn die DEG plötzlich anklopft?
Es müsste sich schon sehr viel ändern in Düsseldorf. Man kann niemals nie sagen. Wenn nach der Saison ein Interessent da wäre, müssten wir es gründlich durchsprechen, aber in der laufenden Saison stehe ich nur für den ECN zur Verfügung. Es müsste hier sehr miserabel laufen, sodass eine weitere Zusammenarbeit keinen Sinn machen würde. Davon gehe ich nicht aus. Ich stehe zu meinem Wort und freue mich sehr auf die kommenden Wochen.
Wie kam der Kontakt zwischen Ihnen und dem ECN zustande?
Ich kenne die Leute aus Bad Nauheim schon einige Jahre. Andreas Ortwein und ich haben die Kooperation zwischen DEG und ECN ins Leben gerufen. In den drei Jahren lernten wir uns sehr gut kennen und wissen wie der andere tickt. Andreas wusste nicht, ob er die Chance hat, mich zu kriegen, aber er hat es versucht. Diese Einstellung gefällt mir. Wir waren uns schnell einig. Ich stand noch mit einem Erstligisten in Verhandlungen, wartete aber nicht und entschied mich rasch für Nauheim. So wie ich die ersten Wochen erlebe, bestätigt es mich in meiner Wahl. Ich mag das familiäre Umfeld. Hier kann ich in Ruhe sowohl mit den jungen als auch erfahrenen Spielern arbeiten.
Können Sie sich vorstellen, einen DNL2-Spieler in der ersten Mannschaft spielen zu lassen?
Da muss ich mir erstmal die Gegebenheiten anschauen. In der Vorbereitung werden wir prüfen, wie weit die Spieler aus dem Nachwuchs sind. Vielleicht ist ja der ein oder andere dabei – das kann immer passieren, klar. Dafür muss der Spieler vor allem körperlich und spielerisch entsprechend weit sein, um Fuß zu fassen. Ab und zu kann man dann einen reinwerfen. Ich werde den Teufel tun einen, der gut spielt, nicht aufs Eis zu stellen. Hilfreich für die Entwicklung ist die Kooperation mit Herne. Jungs wie Kolb oder Ratmann müssen aber bei uns eine Rolle spielen. Auch Garrett Pruden wird hoffentlich den nächsten Schritt gehen und sich hier etablieren. Ich baue auf den Ehrgeiz und den Willen der Spieler.
Wie wichtig ist ihnen die Zusammenarbeit mit jungen Spielern?
Junge Spieler gehören in jedes Team, egal in welcher Liga. Aber Junge Spieler entwickeln sich nur mit entsprechender Spielpraxis und sie brauchen erfahrene Spieler, die ihnen auf dem Eis den Weg weisen. Maxi Kammerer z.B. geht jetzt in die NHL. Dem hab ich damals einen Dreijahresvertrag gegeben, weil ich wusste, dass er das Zeug hat ein Großer zu werden. Nach seinem Aufbaujahr habe ich ihn voll integriert und an die Seite von Rob Collins, einen der erfahrensten Spieler der Liga, gestellt. Rob war von Anfang an bereit junge Spieler zu fördern, sie anzuschauen und ihnen die nötigen Tipps zu geben. Maxi hätte jetzt keinen NHL-Vertrag, wenn er diese Phase nicht durchlaufen hätte.
Was denken Sie über die Nachwuchsförderung im deutschen Profieishockey?
Die Nachwuchsarbeit ist allgemein stark ausbaufähig. Ich finde es schade, dass Vereine wie Bremerhaven den vermeintlich leichten Weg gehen und deutsche Pässe rauswerfen wie andere Eintrittskarten. Dadurch leidet das deutsche Eishockey. Besonders die Erstligisten müssen eine Vorbildfunktion ausüben. Eltern fragen sich doch: Wozu soll ich meinen Sohn zum Eishockey schicken, wenn die erste Mannschaft unerreichbar bleibt? Behauptungen wie „deutsche Spieler sind zu teuer“ sind für mich blanke Ausreden. Es muss ein Umdenken stattfinden.
Ihr Assistenztrainer ist Publikumsliebling Harry Lange. Kannten Sie ihn schon vorher?
Nein, wir kannten uns überhaupt nicht. Wir verstehen uns sehr gut, das läuft prima. Er ist sehr hungrig, was wichtig ist. Er brennt für diese Aufgabe. Er hat zwar bisher wenig Trainererfahrung, aber das ist kein Problem. Er hat hier jahrelang gespielt und weiß, wie die Dinge laufen. Das macht es leichter, die Abläufe zu verstehen. Er muss im Laufe der Zeit sehen, ob es die Aufgabe ist, die er sich vorstellt. Er ist auch im Nachwuchs tätig und ein ideales Bindeglied zum Profibereich. Mir ist es wichtig den Nachwuchsverein zu fördern und stehe auch da in Kontakt mit den verantwortlichen Trainern. Ich möchte meinen Input liefern und wenn jemand Fragen hat, stehe ich zur Verfügung um zu helfen. Ich denke, Harry und ich werden gut zusammen arbeiten.
Ende Mai sind Sie 51 Jahre alt geworden. Wie fühlen Sie sich?
Topfit! Ich könnte wieder spielen (lacht). Klar habe ich meine Wehwehchen – ob Rücken, Schulter, Knie, was auch immer da mal kaputt war. Das merkt man mit zunehmendem Alter. Aber ich habe in letzter Zeit viel Sport getrieben, habe etwas für mich getan und fühle mich seitdem viel besser. Wer Sport treibt, kann Stress leichter bewältigen. Das ist auch wichtig der Mannschaft gegenüber.
Wie darf ich mir eine Geburtstagsfeier bei Familie Kreutzer vorstellen?
1000 Gäste, nur Party, saufen bis zum Abwinken... Nein, quatsch. Meinen 51. haben wir ganz ruhig im kleinen Kreis gefeiert. Der ein oder andere Freund war da, Wurst gegrillt, fertig. Größer war es bei meinem 50. im letzten Jahr. Das war nach meiner Beurlaubung bei der DEG. Meine Frau hat eine Überraschungsparty organisiert, wovon ich wirklich überhaupt keinen Schimmer hatte. Das war super. Die hatte genau die richtigen Leute eingeladen, das Ganze hat mächtig Spaß gemacht. Meine Frau hat mich in dieser Art und Weise vorher nie überrascht. Geplant war, dass wir entspannt essen gehen. Stattdessen hatte sie ein Lokal gemietet und plötzlich standen alle vor meiner Nase und es wurde eine große Party.
Michael Sender