Falken ziehen ins Halbfinale ein

Der psychologische Vorteil, was ist das für ein schwammiger Begriff, wenn
sich einfach keiner daran hält? Eine Playoff-Serie, in der nur ein Heimspiel
gewonnen wird und Rückstände und Führungen einfach so egalisiert werden? Was
die Heilbronner Falken und die Moskitos Essen ihren Fans boten, hatte
wahrlich Sensationscharakter. Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt
war wohl jede Stimmungslage mindestens einmal dabei. Spiel, Spaß und
Spannung, klingt eher nach einem schokoladigen Nahrungsmittel als nach einer
Eishockeypartie und doch, genau diese Worte beschreiben die Serie der beiden
Kontrahenten.
Die Voraussetzungen für die Heilbronner Falken hatten besser nicht sein
können: als Aufsteiger in der ersten Bundesligasaison gleich auf
Tabellenplatz drei zu landen und sich in den Playoffs das Heimrecht zu
sichern, das hätte kaum einer erwartet. So starteten die Käthchenstädter in
die erste Partie am Gründonnerstag und wurden hart auf den Boden der
Tatsachen zurückgeholt. Die Moskitos schlugen eiskalt zu und fertigten die
Falken auf eigenem Eis mit 6:2 ab. Der psychologische Vorteil lag somit bei
den Moskitos.
Es sah im zweiten Spiel auch zunächst so aus, als ob sie diesen nutzen
würden, führten die Stechmücken doch nach dem zweiten Drittel schon mit 3:1,
doch sie hatten die Rechnung ohne die Falken gemacht. Diese erzielten im
Schlussabschnitt den Ausgleich und setzten sich im Penaltyschießen durch.
Psychologischer Vorteil: Heilbronn.
Die dritte Partie wird wohl ewig im Gedächtnis der Heilbronner und Essener
Fans bleiben. Die Falken dominierten die Partie, ließen Essen kaum eine
Chance und führten nach 57 Minuten und 36 Sekunden mit 6:2. Was dann
geschah, kann man wohl nur mit einem Blackout der Heilbronner erklären.
Innerhalb von zwei Minuten erzielten die Moskitos den Ausgleich. Der Treffer
zum 6:6 fiel zwei Sekunden vor Drittelende. In der Verlängerung konnten die
Mannen von Trainer Jari Pasanen gar den Siegtreffer erzielen. Die Falken
waren am Boden und die Moskitos oben auf.
So auch in der vierten Partie, in der jeder Vorteil bei den heimischen
Moskitos lag. Wäre da nicht diese 3:1-Führung gewesen, die der ESC
herausschoss. Aus irgendeinem nicht erklärbaren Grund bedeutete dieses
Ergebnis für die Falken den Sieg, sie drehten auf, erzielten den Ausgleich
und entschieden das Penaltyschießen für sich. In der Serie stand es nun also
2:2 und noch keine Mannschaft konnte ein Heimspiel für sich entscheiden.
Auch im fünften Spiel sah es zunächst nicht danach aus, dass die Falken
endlich ihren Heimvorteil nutzen sollten, doch ein Schelm wer Böses dachte,
denn nach dem ersten Drittel stand es 3:1 - für die Moskitos. Und wieder
schafften es die Falken den Rückstand zu drehen. 6:3 stand es im letzten
Drittel aus Sicht der Falken, das Zittern begann. Die Angst vom kuriosen
Montagsspiel saß vielen noch im Nacken, doch diesmal konnten die Heilbronner
die Führung verteidigen und so blieb es beim ersten Heimsieg der Serie.
Am gestrigen Sonntag stieg nun das sechste Duell der Serie in Essen. Die
Falken lagen 3:2 in Führung und hatten somit die Möglichkeit den Sack
zuzumachen.
Zunächst zog aber jemand anderes die Aufmerksamkeit auf sich.
Hauptschiedsrichter Ulpi Sicorschi hatte wohl beschlossen erst einmal seinen
Standpunkt klar zu machen, tat dies jedoch zunächst recht einseitig, sodass
sich die Falken des Öfteren im Powerplay wiederfanden. Als sie gar zwei Mann
mehr auf dem Eis waren, wurde die Überzahl genutzt. Luigi Calce fälschte
einen Schuss von Kapitän J.-F. Caudron unhaltbar ab (9.). In der Folgezeit
entwickelte sich ein munteres Spielchen, in dem Essen von Minute zu Minute
stärker wurde. Dies gipfelte im Ausgleich, den der Topscorer der Liga Martin
Bartek erzielte (16.). Mit einem verdienten Unentschieden ging es in den
Mittelabschnitt.
Den begannen die Moskitos deutlich druckvoller und kamen immer wieder
gefährlich vor das Heilbronner Gehäuse. Zunächst blieb aber Danny aus den
Birken Sieger. Doch beim abgefälschten Schuss, der bei Carl-Johan Johansson
seinen Ursprung hatte und Dean Beukers Kelle passierte, hatte der junge
Torwart keine Chance (25.). Die Falken waren nun völlig von der Rolle und
nur 29 Sekunden später musste Aus den Birken erneut hinter sich greifen.
Geisberger schoss zum 3:1 ein (26.). 3:1 - richtig, da war doch was! Ein
Ruck ging durch die Falkencracks und vor allem die Reihe um Luigi Calce,
Matt Elich und Marcus Kink sorgte immer wieder für Torgefahr. Zeitweise
konnten sich die Moskitos bei ihrem Torhüter Jochen Reimer bedanken, der ein
ums andere Mal rettete. Die gefährlichste Reihe der Käthchenstädter sorgte
dann auch für den Anschlusstreffer und wieder war der Vollstrecker Luigi
Calce, der gegen seinen Ex-Verein zu Hochtouren auflief.
35 Sekunden waren im letzten Drittel gespielt, als der Italo-Kanadier mit
deutschem Pass erneut in Erscheinung trat und den Ausgleich erzielte. Die
Falken hatten zum vierten Mal in dieser Serie einen 1:3-Rückstand aufgeholt
und das schien die Moskitos zu lähmen. Es lief kaum noch etwas nach vorne
und wenn doch, war entweder die Verteidigung der Falken oder Torwart aus den
Birken zur Stelle. Die Falken versäumten es zunächst trotz einiger Chancen
den Sack zuzumachen und verhalfen den Stechmücken wieder ins Spiel. Essen
machte noch einmal Druck und warf alles nach vorne, doch es sollte nichts
helfen. Bei einem Angriff der Falken gewann Frank Mauer den Puck an der
Bande im Zweikampf, kurvte um das Tor und schoss frei vor Reimer zur
4:3-Führung der Falken ein (52.). Warum Mauer völlig unbedrängt im Drittel
der Moskitos seinen Kreis ziehen durfte, wird wohl ungeklärt bleiben. In den
letzten Minuten war die Spannung greifbar, die Uhr lief runter und die
Falken zogen ins Halbfinale ein.
Eine Serie ging zu Ende, die an Spannung und Kuriositäten kaum zu überbieten
sein dürfte. Wer hätte gedacht, dass das Team mit Heimrecht nur ein
Heimspiel gewinnt und trotzdem weiter kommt? Wer hätte geglaubt, dass eine
Mannschaft, die eine 6:2-Führung innerhalb weniger Minuten verspielt, diesen
Nackenschlag wegsteckt? Wer hätte gedacht, dass eine Mannschaft viermal
hintereinander einen 1:3-Rückstand umbiegt? Manch einem wird diese Serie
noch sehr lange in Erinnerung bleiben. Auf und neben dem Eis gab es eine
Vielzahl schöner Momente. Bezeichnend dafür, dass die Teams beider
Mannschaften am Ende gemeinsam ihre Mannschaften feierten. Für die Moskitos
geht es nun in die Sommerpause, während die Falken am Freitag die erste
Halbfinalpartie gegen den EV Landshut bestreiten. Heilbronn ist in dieser
Serie klarer Außenseiter, doch mit dem Kampfgeist und Siegeswillen werden es
die Jungs von Rico Rossi auch den Kannibalen nicht einfach machen. (FG)