Ein Schnellschuss aus der Wut herausKommentar

Kontinuität und Verlässlichkeit. Das sind zwei Begriffe, die keinen vom Hocker reißen. Sie sorgen nur selten für Schlagzeilen, sie sind nicht bunt und knallig – und doch ungeheuer wichtig.
Was fehlt dem Eishockey im Vergleich zu den anderen wichtigen Sportarten des Landes? Die platteste Antwort wäre Geld, was richtig ist, aber dann doch etwas zu kurz greift. Warum sind die Zuschauerzahlen in vielen Eishallen auf dem absteigenden Ast? Der Modus in den Ligen wird dauernd geändert. Das Abspringen eines Sponsors kann einen Eishockeyclub schnell an den Rand der Existenzfähigkeit bringen. Die Kaderlisten rotieren mancherorts schneller als das Karussell des örtlichen Jahrmarkts. Und dann gibt es immer mal wieder Funktionäre, die bereit sind, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Dass sich mit Rainer Beck ein Immobilieneigner samt ausreichend ausgestattetem wirtschaftlichen Hintergrund in Landshut engagiert, ist eine tolle Sache. Landshut schien bis zu seinem Einstieg schweren Zeiten entgegenzusehen. Dass Beck als „Eishockey-Quer-Einsteiger“ Missstände im deutschen Eishockey ausmacht, ist bezeichnend. Denn wirklich lange brauchte der Mann für diese Erkenntnis nicht.
Tatsächlich bekleckert sich der Deutsche Eishockey-Bund in letzter Zeit selten mit Ruhm. Die ESBG und damit die 2. Bundesliga sagte nein zum Kooperationsvertrag mit der Deutschen Eishockey-Liga. Kein Auf- und Abstieg, nicht einmal per Relegation. Keine Förderlizenzen für junge Talente zwischen DEL und Liga 2. Dann scheiterte Jakob Kölliker – ein Mann, den DEB-Chef Uwe Harnos holte – als Bundestrainer. Die Folge: Es gibt überhaupt keinen Bundestrainer mehr und auch keinen Sportdirektor. Ein „Kompetenzteam“ als Stein der Weisen? Naja.
Und dann die Lizenzierung in der 2. Bundesliga. Da verweigern DEB und (!) ESBG den Landshut Cannibals die Zulassung, weil der Kooperationsvertrag mit dem Stammverein fehle. Tatsächlich müssen sich die Handelnden fragen lassen, ob noch alles klar ist. Bevor einem Verein die Lizenz und damit die Existenzgrundlage aufgrund einer (wenngleich wichtigen) Formalie entzogen wird, klärt man ab, ob es wirklich so ist. Andererseits hätten die Cannibals von sich aus dem Prüfungsgremium den Umstand des derzeit nur mündlich existierenden Vertrags erklären müssen.
Die Reaktion: Beck ist sauer. Das ja noch zu Recht. Aber dann will er eine „DEL 2“ aus dieser Wut heraus ohne den DEB gründen. Selbst wenn man zum Schluss käme, dass Uwe Harnos ersetzt werden muss, ist die Zerschlagung der wenigen noch vorhandenen Strukturen im deutschen Eishockey bestenfalls waghalsig. Die unabhängige Liga als Allheilmittel? Was ist, wenn dort auf einmal jemand säße, der den Zorn auf sich zieht? Zerschlagen wir das Konstrukt erneut? Und hat die 2. Liga die unabhängige DEL nicht als Problem ausgemacht? Und jetzt will man den gleichen Weg gehen? Dazu kommen die Begleiterscheinungen: Ohne vertragliche Bindung würde eine solche zweite Spielklasse zur „wilden Liga“ werden. Landshut ist ein immens wichtiger Nachwuchsstandort – aber plötzlich könnten die Youngsters nicht mehr international in den U-Nationalmannschaften spielen, sobald sie auch nur einmal in dieser wilden Liga aufgelaufen wären. Können wir vielleicht auch mal an diese Spieler denken? Oder sind sie nur Mittel zum Zweck?
Die Fragen gehen weiter: Was ist, wenn nicht alle Zweitligisten mitmachen? Bleiben sie zurück? Spielen sie eine „2. Rest-Bundesliga“? Oder wird das über zwei Jahre mühsam aufgebaute und gar nicht mal so schlechte Konstrukt der viergliedrigen Oberliga zerschlagen, um die „reguläre“ 2. Bundesliga aufzufüllen? Dann gibt es von Seiten der „DEL 2“-Befürworter bedenkliche Äußerungen: Die Oberligisten seien beim DEB ja gut aufgehoben. Muss man da die Neigung erkennen, die „Nichtabstiegslinie“ einfach um eine Klasse nach unten zu verschieben? Solidarität mit den Nicht-DEL2-Willigen und den Oberligisten sieht freilich anders aus.
Und das alles, weil Rainer Beck festgestellt hat, dass Uwe Harnos nun sein Feind ist?
Reformen fußen auf genauen Überlegungen, auf der Zustimmung vieler, wenn nicht aller. Sie müssen langfristig wirksam werden und ebenso lange tragen. Ein Schnellschuss aus der Wut heraus taugt da kaum.
Denn so langweilig Begriffe wie Kontinuität und Verlässlichkeit vielleicht scheinen: Letztlich sind sie es, die einen Zuschauer zum Fan machen und Sponsoren veranlassen, in einer Sportart Partnerschaften einzugehen.