"Der Spaß ist wieder da!"
Michael, die meisten Eintragungen in den Foren kann man mit: „Willkommen zu Hause, Schmerdi!“ zusammenfassen. Wie geht es dir dabei?
Mir ging es genau so. Dresden ist nach Freiburg für mich wie eine zweite Heimatstadt geworden. Ich bin hier toll aufgenommen wurden, von der Mannschaft, von den Fans. Meine Mutter schaut auch gern in die Foren und freut sich, wenn etwas Positives über mich drin steht. Das hat sie mir natürlich berichtet, dass sich viele über meine Verpflichtung gefreut haben.
Du wolltest auch in der letzten Saison gern in Dresden bleiben?
Ja, ich wollte schon, aber ich habe für die Planungen der Mannschaft der letzten Saison keine Rolle gespielt. Es hätte noch eine Möglichkeit bestanden für weniger Geld hier zu spielen, wenn jemand abgesagt hätte. Aber es gab dann Angebote von anderen Clubs und da musste ich mich entscheiden.
In Bietigheim lief es in dieser Saison ziemlich schlecht für dich, du hast nicht ins System des Trainers gepasst, wurdest frei gestellt. Ab wann merkt man, dass es nichts wird?
Im Grunde habe ich es gemerkt, bevor ich mir meine Schlittschuhe geschnürt habe. Ich weiß nicht, es war nicht nur das System, ich habe keine Chance bekommen. Er hat nur mit den Jungs gespielt, die schon jahrelang da waren. Ich habe auch keine Möglichkeit gehabt, mich wirklich zu zeigen. Es wurde dann gesagt, ich passe nicht ins System, ich denke aber, er hat mich auch als Mensch nicht gemocht. Ich bin ein Eishockeyspieler, der nicht nur machen kann, was aufgezeichnet ist, ich muss während des Spiels auf Situationen reagieren und Entscheidungen treffen, die im besten Fall zu Chancen oder Toren werden. Aber das hat dem Trainer nicht gefallen, weil es nicht genau das war, was er wollte. Jeder Spieler hatte dort nur eine Option offen, was er spielen sollte. Aber wenn die Scheibe zu mir kommt, dann sehe ich im Spiel mehrere Optionen, passe ich oder laufe ich mit der Scheibe und dann muss ich entscheiden, was das Beste ist, um nach Möglichkeit eine Chance zu erspielen.
Das klingt nicht sehr kreativ.
War es auch nicht, es war alles zufällig. Es war ja auch ein sehr defensives System. Wir standen mit fünf Mann hinten drin und haben trotzdem die meisten Gegentore der Liga bekommen. Da muss ich natürlich hinterfragen, aber es wurde nichts geändert.
Hast du eine Ahnung, warum du dann genau verpflichtest wurden bist?
Ich war drei Tage zum Probetraining, dann hat mein Agent den Vertrag ausgehandelt. Ich weiß nicht mal, ob mich der Trainer wirklich haben wollte. Sie hatten auch wenig Leute und fast keinen Mittelstürmer. Dann bin ich hingekommen und sollte als Center spielen. Klar, ich kann das machen, aber es ist nicht meine Lieblingsposition, da muss ich mich erst eingewöhnen. Auf der Position war ich noch nie, bloß mal, wenn jemand ausgefallen war und dann auch nur, wenn ich mit der Scheibe laufen und auch Pässe spielen kann. Aber in dem System in Bietigheim machte der Mittelstürmer auch etwas anderes. Es war echt schwer. Ich habe drei Spiele als Center gemacht und dann habe ich überhaupt nicht mehr gespielt.
Jetzt haben die Steelers den Trainer gewechselt, der hat kleine Veränderungen vorgenommen, auf einmal läuft es wieder?
Es klingt hart, aber in der Mannschaft herrschte der Tod. Wenn ich es mit hier vergleiche, hier reden alle miteinander, lachen und haben Spaß und dann geht man aufs Eis und konzentriert sich aufs Training oder aufs Spiel. Das war dort anders, der Spaß hat komplett gefehlt. Wir haben immer dienstags unheimlich hart trainiert, wo man drei oder vier Tage eigentlich zur Regeneration gebraucht hätte. Dafür war es die anderen Tage nicht so intensiv, weil alle nicht mehr an ihre volle Belastungsgrenze kamen. Wir waren nie bei 100 Prozent. Alle waren mental am Boden, der Erfolg war nicht da und man setzt sich selber unter Druck. Der Trainer konnte mit der Situation auch nicht umgehen und hat uns nur demoralisiert. Es gab nie irgendetwas Positives. Ich habe mit einigen Spielern von Bietigheim telefoniert, die bekommen grade wieder Spaß am Eishockey zurück. Jetzt haben sie zweimal gewonnen, da wird sofort die Stimmung besser.
Hättest du rückblickend etwas anders machen können?
Hab ich mich auch gefragt. Ich bin zwar ein Spieler, der nicht so schnell aufgibt. Aber ich kann nichts ändern, wenn ich überhaupt keine Möglichkeit dazu bekomme. Nach einem Spiel habe ich das Gespräch mit dem Trainer gesucht, um einige Situationen anzusprechen. Das stieß auf völlige Ablehnung. Das war vielleicht auch der Knackpunkt, danach haben wir kaum noch geredet.
Nun bist du in Dresden, welche Unterschiede siehst du zwischen dem System Dresden und dem System Bietigheim?
In Bietigheim haben wir einfach nur die Scheibe tief gespielt und an der roten Linie gewartet, dass der Gegner einen Fehler macht, damit wir einen Konter fahren konnten, und das auswärts wie zu Hause. Wir sind sehr selten ins andere Drittel gekommen, nur nach Fehlern der Gegner. Darauf hatte sich jeder eingestellt, dass in der neutralen Zone keine Fehler gemacht werden dürfen. In Dresden wird zwar auch defensiv nach hinten gearbeitet, aber wenn wir die Scheibe haben, probieren wir, nach vorn zu spielen, Scheibe tief, aggressiv forechecken und im Angriffsdrittel Chancen zu kreieren.
Das Dresdner System kommt dir aber mehr entgegen?
Auf alle Fälle. Ich bin auch ein sehr körperlicher Spieler. Hier kann man mit Geschwindigkeit in der Offensivzone die Scheibe besser halten, körperlicher spielen, mehr checken. Das ist so mein Spiel, da bin ich auch kräftig genug, um mich da durchzusetzen.
Kanntest du schon jemand aus der jetzigen Mannschaft?
Hugo Boisvert kannte ich aus der Zeit in Kassel, mit Jörg Wartenberg habe ich schon hier in Dresden gespielt, Bastian Steingroß kenne ich aus Freiburg, wir treffen uns auch im Sommer dort. Mit Henry Martens in einem Jugendcamp zusammen gespielt, aber das ist sehr lange her.
Wie hat dich die Mannschaft aufgenommen?
Ich muss sagen, überragend. Ich hab mich noch nie so schnell in eine Mannschaft integrieren können. Ich hab einen Platz neben Bastian Steingroß in der Kabine, das hat sehr geholfen. Die Betreuer sind gleich gekommen, das Team hat sich vorgestellt, die ganze gute Stimmung schwappte so über mich drüber. Auch im Training, wenn etwas gut gelaufen ist, wurde gleich abgeklatscht, dann kommen ein paar Sprüche, da reagiert man drauf und man ist ganz schnell ein Teil der Mannschaft.
Wie groß war der Druck vorm ersten Spiel in Dresden?
Ehrlich gesagt, ich war ziemlich aufgeregt und nervös, das ist mir lange nicht passiert. Ich wusste, dass die Erwartungshaltung groß war und ich wollte natürlich einen guten Eindruck hinterlassen. Nach den ersten Minuten ging es dann. Ich hab mir gesagt, spiele erstmal einfach und sieh zu, was du hinbekommst. Ich wusste, dass mir nach einer so langen Zeit auch die Spielkondition fehlt und dass ich noch nicht bei 100 Prozent bin. Es war klar, dass ich noch nicht so große Akzente setzen kann, ich hab versucht, defensiv meine Aufgabe zu machen und zu schauen, was nach vorne geht.
Es ist schon auch eine konditionelle Sache, wenn man so lange kein Spiel mehr gemacht hat?
Richtig. Es gibt ja mehrere Arten von Kondition. Körperlich bin ich fit, auch meine Ausdauerkondition ist gut, ich habe kein Problem damit, jetzt 15 Kilometer zu laufen. Aber die Spielkondition fehlt mir, so eine Minute lang kurze Strecken Vollgas geben, dann Pause und den Puls schnell runter fahren, dass ich wieder Gas geben kann. Das muss ich wieder trainieren, aber das kommt mit der Spielpraxis wieder.
Über mangelnde Spielpraxis wirst du dich hier sicher nicht beschweren können.
Genau (lacht).Ich habe schon zwischen den ersten beiden Spielen einen Unterschied gemerkt. Gegen Hannover hat man mir bestimmt angesehen, dass ich weiß im Gesicht war und nach Luft geschnappt habe. Am Sonntag ging es schon besser, ich denke, dass ich wieder einen Schritt nach vorn mache.
Nun hast du die ersten Spiele hier gemacht, gegen Hannover verloren, in Crimmitschau gewonnen?
Den Freitag hatte ich mir auch anders vorgestellt. Hannover hat eine richtig gute Mannschaft, wer weiß, wo es da bisher geklemmt hat. Ich fand zwar, dass wir besser waren, aber die haben richtig gut verteidigt, haben alles konsequent abgeblockt. Natürlich musste ich mir dann ein paar Sprüche anhören (lacht), so in der Art, überall wo ich bin, wird verloren. Umso mehr habe ich mich dann gefreut, dass wir in Crimmitschau gewonnen haben. Ich bin in die Kabine rein und habe tierischen Freudenschrei losgelassen. Ich hatte schon fast vergessen, was das für ein geiles Gefühl ist, ich wusste fast nichtmehr, wann ich das letzte Mal gewonnen habe.
Thomas Popiesch hat gesagt, er gibt dir Eiszeit und Vertrauen, aber beweisen müsstest du dich selber. Siehst du Dresden noch einmal als Neustart?
Ja. Es ist auch super Gefühl, dass ich weiß, ich bekomme von ihm Unterstützung, auch vom Co-Trainer. Damit bauen sie mich auch auf, denn es war ja auch vom Kopf her eine schwierige Situation. Sie wissen, dass ich noch nicht bei 100 Prozent sein kann und dass alles klappt. Das ist wichtig für mich, da kann ich in Ruhe arbeiten und mach mir nicht selber zu viel Druck. Natürlich werde ich hart arbeiten, dass es irgendwann klappt. Auf alle Fälle will ich das Vertrauen, was ich jetzt von allen bekomme, zurückzahlen.
Der Spaß am Sport kommt zurück?
Ja, ich freu mich schon aufs Training und auf die Spiele, es macht wieder Spaß, am Morgen aufzustehen. Ich freu mich für Dresden zu spielen und werde natürlich kontinuierlich arbeiten, dass wir Spiele gewinnen und ich meinen Teil dazu beitragen kann.
Gegen die Wölfe Freiburg hat es nun auch mit dem Tore schießen geklappt.
Ich habe mich so gefreut. Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, das Loch im Eis müsste man eigentlich immer noch sehen.