„Wir sind ja nicht im Kirchenchor“Krefelds Trainer Franz Fritzmeier im Interview

Unser Mitarbeiter Wolfgang Hüskes sprach mit Franz Fritzmeier, dem neuen Trainer der Krefeld Pinguine und jüngstem Coach der DEL.
Herr Fritzmeier, was ist Ihr Fazit nach den ersten vier Spieltagen?
„Insgesamt sehr positiv. Am ersten Wochenende war ich überrascht, dass die Mannschaft meine Vorgaben schon so gut umgesetzt hat und dass wir gegen zwei starke Gegner gepunktet haben, am zweiten fehlten uns leider die drei Punkte gegen Düsseldorf; da muss man ehrlich sagen, das Spiel muss man gewinnen, dann bist du voll im Soll. Die Jungs waren von Anfang an sehr willig und konzentriert. Wir steigern uns von Tag zu Tag, es kommt mehr Rhythmus rein, wir gewöhnen uns mehr aneinander. Wir hatten jetzt auch schon einen schweren Moment gemeinsam in Nürnberg, wo das erste Drittel natürlich nicht so prickelnd war, aber auch da müssen wir gemeinsam durch. Wir müssen uns stetig verbessern, aber auch so spielen, dass wir punkten.“
Was ist Ihrer Meinung nach die größte Stärke der Mannschaft?
„Der Zusammenhalt.“
Und was ist momentan die größte Schwäche – bzw. wo liegt das größte Defizit?
„Wir sind manchmal ein wenig unerfahren und verhalten uns nicht clever genug. Wir müssen abgebrühter werden, denn es geht ums Momentum. Man hat’s zum Beispiel in Hamburg gesehen: wir führen 3:1, dann machen wir eine Strafzeit, es fällt das 3:2, und das Momentum ist weg, und es war sofort klar, dass es ganz eng wird. Ebenso wechselte das Momentum nach dem 1:1 für Düsseldorf. Da müssen wir konsequenter sein und auch stabiler werden, und nicht nur physisch zulegen, sondern auch mental.“
Krefeld hat die jüngste Mannschaft und junge Spieler machen nun mal Fehler.
„Aber wir sind in der DEL. Es ist toll, dass so viele gute junge Spieler in Krefeld spielen, die viel Potenzial haben und das schon umsetzen, was sonst ein gestandener Spieler machen muss, aber wir uns jetzt steigern, und ein junger Spieler wird jeden Tag älter, also muss er sich jeden Tag steigern; anders ist das nicht zu machen.“
Ein Defizit der Mannschaft bestand/besteht darin, dass sie es nicht schafft, in Unterzahl die Scheibe mit einem harten Schuss aus dem Drittel zu bekommen.
„Es ist in der Tat so. In Unterzahl ist die Hauptsache, zu verteidigen und zu zerstören und nicht ein Tor zu schießen. Es geht darum, die Scheibe, sobald wir sie kontrollieren, mit voller Wucht aus dem Drittel zu befördern. Und das war auch das Problem vor dem 1:1 gegen Düsseldorf, wo wir es zweimal nicht geschafft haben, die Scheibe hinaus zu befördern. Wir arbeiten daran, und das ist etwas, was für mich absolut klar ist: die Scheibe muss raus. Da gibt es kein Vertun, Unterzahl ist dazu da zu verteidigen, und auch wenn wir vorne in der gegnerischen Zone mal die Scheibe gewinnen sollten, geht es darum, Zeit zu killen und nicht zu versuchen, irgendwie ein Tor zu schießen.“
In der letzten Pressekonferenz war von Spannungen in der Mannschaft die Rede.
„Wir sind hier im Profisport, und das ist hauptsächlich Entertainment und Business. Hier tickt alles ein bisschen anders als in einer Firma, aber am Ende des Tages geht es nicht darum, dass wir uns den ganzen Tag lieb haben. Es werden ständig Entscheidungen getroffen, die nicht so angenehm sind; es geht nicht darum, dass wir hier eine Komfortzone haben, es geht um Geld, es geht um Leistung. Ich finde, eine gewisse große Harmonie muss schon da sein, etwa wie in einer Familie. Es muss Spannungen geben, sonst gibt es keine Leistung, und wo gehobelt wird, fallen Späne, aber man muss sich danach auch wieder in die Augen schauen können und sagen: O.K., weiter geht’s. Gerade in schlechten Zeiten zeigt sich der Charakter einer Mannschaft. Wenn es im Training einmal zur Sache geht, ist mir das Recht. Wir sind ja nicht im Kirchenchor.“
Wie sind Sie bislang mit dem Umfeld der Mannschaft zufrieden? Sie kommen ja jetzt aus Köln.
„Köln ist top. Hier ist es zwar nicht so groß, aber ich finde, das Interesse am Eishockey ist noch größer, und das ist echt schön. Ich finde, hier in Krefeld lebt die ganze Stadt Eishockey. Ich bin mit dem Umfeld (Geschäftsstelle usw.) sehr zufrieden. Es hätte nicht viele Vereine gegeben, für die ich Köln verlassen hätte, und es war für mich auch nicht so einfach, Köln zu verlassen. Ich habe hier gemerkt, dieser Verein gibt dir ganz viel Vertrauen, und wir brauchen hier jetzt frischen Wind. Es ist eine neue Zeit angebrochen, und wir müssen wirklich anschieben, um etwas auf die Beine zu kriegen. Zwei Punkte sind für mich wichtig: wir müssen optimistisch bleiben, weil wir hier wirklich einen coolen Club mit coolen Traditionen haben, aber auch realistisch. Wir müssen optimistisch bleiben, aber auch auf dem Boden der Tatsachen. Eine gewisse Bescheidenheit schadet nie. Klar, bei den Haien hätte ich vielleicht Deutscher Meister werden können, aber es geht nicht nur darum. Jeder will Deutscher Meister werden, aber wir dürfen die Leute auch nicht auf den Arm nehmen.“
Sind Sie mit dem Spielplan der DEL zufrieden? Vor Weihnachten haben die Pinguine z.B. vier Heimspiele hintereinander, das kann eigentlich nicht sein.
„Ich finde das auch sehr unglücklich. So schön unser Sport ist, aber wenn man die Entscheidungen im Eishockey sieht, muss man sich häufig fragen, was die Leute, die diese Entscheidungen treffen, sich manchmal so denken. Vieles ist sehr fraglich.“
Wenn es so kommen sollte, dass die Pinguine am Ende der Saison am Tabellenende stehen, würde das Ihre Entscheidung, nach Krefeld zu wechseln, für Sie persönlich im Nachhinein als falsch darstellen oder ist das Ergebnis am Ende dieser Saison für Sie und Ihre langfristige Planung mehr oder weniger uninteressant?
„Uninteressant nicht, aber ich schaue auch nicht jeden Tag auf die Tabelle. Wir müssen jeden Tag arbeiten, um besser zu werden und das Maximum herauszuholen. Ich habe noch nie etwas bereut, ich fühle mich sehr wohl hier. Ich glaube nicht, dass es so sein wird. Es war schon eine Entscheidung, hierhin zu kommen, denn Köln hatte schon einen Plan mit mir, und ich habe hin und her überlegt, aber am Ende des Tages kam immer heraus: Ja, du willst es machen. Ich hatte ein langes Gespräch mit Köln, weil ich wollte, dass alles sauber abläuft, aber mein Wunsch war zu groß, hierhin zu kommen. Ich denke, ich würde es immer wieder machen, selbst wenn es nicht klappt. Bei allem Realismus, ich will den Laden hier in Schwung kriegen. Profisport ist Entertainment, und wir brauchen etwas für die Leute in der Stadt, mit dem sie sich identifizieren können. Mein Ziel ist es, so etwas wie eine Marke zu schaffen. Wer sind wir denn? Einerseits haben wir immer sehr hohe Ansprüche, aber das ist etwas weg von der Realität. Wirt müssen etwas generieren, damit die Leute sagen: 'Da gehe ich am Freitag hin, weil es dort cool ist.' Wenn man nicht der Meisterschaftsfavorit ist, muss man etwas anderes machen, z.B. sind Mainz 05 oder der SC Freiburg auch eine attraktive Marke; man muss irgendetwas haben, man darf nicht so eine graue Maus sein. In der Zukunft müssen wir uns in der Spitze verstärken, und der Rest kann dann aus jungen Spielern bestehen. Wir müssen ein positives Gefühl generieren. Krefeld ist eigentlich ein toller Club, aber manchmal ist so eine schwarze Wolke über dem Ganzen, so eine Negativität.“
Ja, die Krefelder sind in dieser Beziehung etwas schwierig…
„Ich weiß schon, wie die Leute hier ticken. In Köln ist das etwas anders. Die haben ja diese Saison auch noch nicht so super gespielt, aber in Köln ist immer alles positiv. Wir müssen einen Weg finden, dass man sagt: ‚Die Pinguine, die sind cool.‘ Wir sind nicht supercool und super lustig, wir sind kein Karnevalsverein, aber wir müssen irgendwie einen Weg finden. Ich bin froh, dass ich jung bin, dass ich Energie und Zeit habe, so dass wir das bestmögliche aus jedem Tag machen.“
Herr Fritzmeier, vielen Dank für das Gespräch.
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