Wie ich es sehe... Die Hockeyweb-Kolumne von Werner Nieleck
Vor einigen Tagen war ich Gast bei einem
Turnier im polnischen Sosnowiec. Dass ich nach einer Pause von neun Jahren
wieder dorthin fuhr, hatte zwei Gründe. Erstens waren die Krefeld Pinguine
beteiligt, zu denen ich eine besondere Beziehung habe, und zweitens wollte ich
sehen, wie es in jener Stadt und deren Umgebung aussieht, die zweimal uns
(West-) Deutschen Glück und Erfolg brachte.
Es ist selten genug, dass eine DEL-Truppe
in unserem östlichen Nachbarland als Turnier-Teilnehmer auftritt. Schon allein
deswegen lohnte sich schon der Besuch. In Sosnowiec, was nicht zum historischen
Schlesien gehört und somit ganz scharf von Kattowitz abgegrenzt werden muss,
spielten jeweils zwei ungarische und slowakische Teams, eines jeweils aus Lettland
und Schweden sowie die schon genannten Krefeld Pinguine und der Gastgeber
Zaglebie Sosnowiec.
Ein Zuschauer aus Krefeld fragte mich, ob
vor 20 Jahren in Kattowitz (die Metropole Schlesiens ist keine zehn Kilometer
von Sosnowiec entfernt) die letzte A-WM stattfand. „Nein“, widersprach ich,
„das ist jetzt mittlerweile 33 Jahre her.“ Ich kann mich noch genau an jenes
Turnier erinnern, weil ich zum erstenmal im Ausland eine WM besuchte und weil
unser Team wenige Sekunden vor Schluss das 2:1 gegen den Gastgeber erzielte und
so den Klassenerhalt sicherte. Polen und die DDR mussten damals den bitteren
Gang in die B-Gruppe vollziehen.
Dabei stiegen die Polen mit einem
historischen Sieg in das Rendezvous der acht (ja, damals waren nur acht
Mannschaften beteiligt!) Besten ein. Die Sowjetunion wurde geschlagen, und ein
schmaler junger Mann aus Siedlce (weiß Gott nicht die Wiege des polnischen
Eishockeys, geschweige denn des Welteishockeys) machte das Match seines Lebens.
Quasi im Alleingang besiegte der Mann, der aus sportlichen Gründen von Siedlce
(80 km östlich Warschau) nach Kattowitz übersiedelte, durch seine Tore den
großen Bruder. Zwei Jahre später wechselte er nach Sosnowiec, wo er sieben
Jahre spielte. „Das ist so, als würdest du von Düsseldorf nach Köln wechseln.
Ich wurde lange als Verräter beschimpft.“ Dieser „Verräter“ hieß Wieslaw
Jobczyk und war ab 1985 Lokalheld beim Zweitligisten Duisburg. Später ließ er
in Ratingen seine Karriere ausklingen.
Ausgerechnet dieser Wieslaw Jobczyk lief
mir über den Weg. Die Wiedersehensfreude war groß. Jobczyk, auch als
Mittfünfziger rank und schlank wie ehedem, ist gefragter Experte beim
polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Mit der neuen Regelauslegung kann
sich der alte Recke jedoch nicht so richtig anfreunden. „Zum Eishockey gehört
Kampf, manchmal auch ein bisschen
Haken, Halten oder Behindern“, verkündet er augenzwinkernd. „Wie sie jetzt
spielen, tut mir weh.“ Abgepfiffen ist längst nicht seine Karriere als gutsituierter
Vertreter von Industrie-Armaturen.
Krefeld bekleckerte sich übrigens nicht mit Ruhm. In diesem nicht
gerade mit Spitzenklubs gespickten Turnier belegten die Linksrheinischen
lediglich den dritten Platz und hatten noch Dusel, dass ihr Torwart Danijel
Kovacic eine(!) Sekunde vor Schluss im Spiel um Platz drei gegen den Gastgeber
einen Alleingang stoppte und seinen Teamgefährten so das Penaltyschießen
ermöglichte.
Ach ja, das zweite Mal hatten wir
Deutschen im Jahre 2000 Glück. Bundestrainer Hans Zach schaffte mit seinem Team
beim B-Turnier in Kattowitz trotz einer Niederlage gegen Gastgeber Polen den
sportlichen Aufstieg. Somit musste er sich nicht vorwerfen lassen, dass er sein
Mitwirken bei der folgenden A-WM nur dem Umstand verdanken dürfe, weil sie in
Deutschland stattfand.
Das sieht in diesen Jahren leider genau
entgegengesetzt aus. Die Adlerträger stiegen heuer sportlich ab, sind aber für
die kommende WM als Gastgeber qualifiziert. Geschichte wiederholt sich also
doch nicht immer.