Wie ich es sehe... Die Hockeyweb-Kolumne von Werner Nieleck
Heute sprach er zum ersten Mal vor einem größeren Auditorium, der neue
Haie-Chefcoach Igor Pawlow. Rund 50 Medienvertreter hatten sich bei der
Saisoneröffnungs-Pressekonferenz der Domstädter eingefunden. „Ein
ausverkauftes Haus“, verkündete Pressesprecher Philipp
Walter schmunzelnd. Es war unübersehbar: Der gebürtige Russe
mit einem weltbekannten Namen wirkte wie ein Magnet. Selten war das
Medieninteresse im „hillige Kölle“ so groß wie heuer nach einer
total verkorksten Saison.
Und Pawlow wäre nicht er selbst, wenn er den Journalisten nicht mit
Wortspielen schon bei der ersten Frage begegnen wäre. „Im Frühling hat
unser Sommertraining begonnen“, vermerkte er süffisant auf die Frage nach
dem sogenannten Sommertraining. Das erinnerte mich an meine erste Frage, die
ich ihm als frischgebackenem Pinguin-Coach vor Jahresfrist stellte. „Was
erwarten Sie von Ihrem Team?“ „Sie haben schon die Antwort gegeben.
Noch sind es Spieler. Daraus muss ich ein Team erst machen. Später kann ich
Ihnen diese Frage beantworten“, lautete die schlagfertige Entgegnung. Und
dass er im nächsten Satz seine schon berühmt gewordene Floskel „wie
gesagt“ verwendete, spricht dafür, dass er sich zumindest in seiner
Ausdrucksweise nicht geändert hat.
Geändert hat er sich offenbar auch nicht in bezug auf Direktheit, wobei
der einen oder anderen Person zumindest verbal kräftig vor das Schienbein
getreten wird. „Der Erfolg liegt allein am Trainer“, verkündete er
heute, dabei sich weit aus dem vielzitierten Fenster lehnend. „Und an der
Vorbereitung“, schob nach, offensichtlich beim näheren Überlegen wohl
wissend, wie weit sich sein Oberkörper vom Guckloch entfernte.
Köln, Geldknappheit und Trainer aus Russland, das ist wohl ein
Dreiklang, der nach Erfolg riecht. Nicht nur die uralten Fans erinnern sich an
die Saison 1992/93. Da hatten die Rheinländer eine Durststrecke überwinden
müssen und flogen bereits im Viertelfinale der Spielzeit zuvor aus den
Play-offs. Das Star-Trio Kießling/Draisaitl/Stümpel verließ den Verein, weil
die finanzielle Situation einen Verbleib dieser Cracks nicht mehr zuließ. Der
damalige Präsident Heinz Landen verpflichtete den in unseren Breiten nahezu
unbekannten Russen Wladimir Wassiljew als neuen Bandenchef. Landen damals:
„Isch wollte schon immer ´ne Russ´“.
Dabei verschwieg er, dass Wassiljew preiswert war und die Verpflichtung eines
sogenannten Startrainers aus Geldmangel gar nicht möglich war.
Das Ende der Saison ist wohl den meisten bekannt: Die Kölner Haie kamen
bis in die Endspiele und mussten sich in einer denkwürdigen Finalserie den
Erzrivalen aus Düsseldorf im fünften und entscheidenden Match mit 1:2 nach
Verlängerung geschlagen geben.
Ob die Kölner Verantwortlichen, die sich in der Vergangenheit des öfteren
mit Blauäugigkeit hervortaten, mit Pawlow den richtigen Griff getan hatten,
bleibt trotz aller positiver Aspekte abzuwarten. Denn bei dem „Trainer
des Jahres“, der er in meinen Augen in der Vorsaison war, ist neben viel
Licht auch Schatten vorhanden. Das Beispiel Krefeld und Moskau gegen Ende der
letzten Spielzeit mag gezeigt haben, dass Pawlows Worte, markant und zweifellos
treffend ausgesprochen, in allerkürzester Zeit Makulatur sein können. Da wollte
er zunächst aus dem Vertrag mit den Seidenstädtern heraus, nach Kassieren einer
Moskowiter Absage wieder an der Bande der Pinguine stehen. Jedenfalls wünsche
ich den Kölnern, der Mannschaft und ihrem zahlreichen Umfeld, dass der
Haie-Chefcoach auch am Ende der Saison Igor Pawlow heißen wird. Und vielleicht
hat der schlitzohrige gebürtige Russe auch selbst gemerkt, dass das
„pacta sunt servanda“ (Verträge müssen eingehalten werden), so alt
und manchmal nicht mehr zeitgemäß der Ausspruch ist, mitunter sogar Freunde
schafft.