Wie ich es sehe... Die Hockeyweb-Kolumne von Werner Nieleck
Jeder redete und redet vom Sensationsteam Krefeld, zumindest bis Sonntagabend. Kaum einer erwähnte die Wolfsburger, die sich ebenfalls, von der Konkurrenz unterschätzt, in der Hitliste ganz oben befinden.
Krefeld und Wolfsburg, größer könnten die Gegensätze kaum sein. Hier die Schwarz-Gelben vom linken Niederrhein mit viel Eishockey-Tradition und zwei deutschen Meistertiteln, dort die Ost-Niedersachsen von der ehemaligen Zonengrenze, die lange Jahre den Hauch von Möchtegerns vor sich hertrugen.
Früher kamen mir die Wolfsburger in ihren jetzigen gewöhnungsbedürftigen Trikotfarben lange genug suspekt vor. „Künstlich!“ schoss es mir immer durch das Hirn, wenn ich an diese graue Stadt, deren Umfeld mit dem dazugehörenden Werk seinerzeit von den Nazis aus dem Boden gestampft wurde, und die damalige Eishockey-Mannschaft dachte. Doch da in der DEL einige Vereine (bzw. GmbH) existieren, die kaum über Tradition verfügen, musste ich mich zwangsläufig mit den neuen Gegebenheiten anfreunden, sie zumindest akzeptieren.
Die Grizzly Adams Wolfsburg, die mehr oder weniger aus einem Fanklub hervorgingen (vor rund 13 Jahren war es einmal mehr in der VW-Stadt mit dem „Profieishockey“ zu Ende, und durch diesen Hobbyverein wurde die Sportart kurzfristig gerettet), machten zum ersten Mal von sich reden, als sie vor gut vier Jahren in die DEL aufgenommen wurden. Im Team fanden sich damals Richard Pavlikovsky und Ivan Ciernik wieder, die Jahre später für Furore in der höchsten deutschen Spielklasse sorgen sollten. Eine Verzögerung beim Bau der neuen Arena war der alleinige Grund, dass sich die Leute von der ehemaligen Grenze wieder zurückziehen und in Liga 2 ein tristes Dasein fristen mussten.
Der erneute Anlauf war spektakulär, denn der haushohe Favorit Kassel wurde in den finalen Play-offs besiegt, das Comeback war gelungen. Davor kam im Januar 2006 für den verschlossenen und mitunter seltsamen slowakischen Bandenchef Stefan Mikes, nachdem Wunschcoach Bob Leslie den Wünschen der Verantwortlichen doch nicht gerecht wurde, der zuweilen grantelnde Oberbayer Toni Krinner. Gut ein Jahr später heuerte der alte Hase und ehemalige Bundesligaakteur Charly Fliegauf als Manager in Wolfsburg an. Damit begann eigentlich der Erfolgsweg der Grizzlys. In der ersten Saison noch dezent auf dem 13. Tabellenplatz eingelaufen, verstärkten sich die Männer mit dem Skoda-Zeichen auf den Jerseys gezielt.
„Wir hatten im Sommer 2007 nicht mehr viel Zeit, uns auf dem Transfermarkt umzusehen“, gibt Fliegauf eine plausible Auskunft über die seinerzeitigen „Noteinkäufe“. Der gebürtige Oberbayer ist aus seiner langjährigen Arbeit in Augsburg den sportlichen Überlebenskampf gewohnt. „Wir haben uns relativ früh mit deutschen Spielern versehen und auch genügend Zeit gehabt, die Ausländer zu scouten“, so der ehemalige Verteidiger, dem Neider nachsagen, dass er halt Durchschnitt war und ist, sowohl als Spieler als auch als Manager. Nun, Fliegauf hat es immerhin geschafft, mit einem relativ geringen Etat die Wolfsburger dahin zu bringen, wo sie nur ganz wenige Fachleute vermuteten, nämlich an die Sonnenseite der Tabelle.
So langsam begreifen auch die bisher recht zurückhaltend reagierenden Zuschauer, dass in Wolfsburg etwas Neues, Positives abgeht, was nicht ins alltägliche Programm gehört. „Sie kommen langsam aber sicher, unsere Fans. Am Sonntag waren es gegen meinen alten Verein Augsburg 2.000. Das gibt uns und mir Hoffnung“, so der Manager am heutigen Dienstag. Wo er war? Natürlich unterwegs, um sich Spieler anzuschauen, die wahrscheinlich wieder gut einschlagen werden und den Namen „Grizzly Adams“ noch bissiger werden lassen.