Wie ich es sehe... Die Hockeyweb-Kolumne von Werner Nieleck
„Ich brauche Erfolg, verdammt noch mal!“ schnauzte Pinguin-Chefcoach Igor Pawlow in einer Pressekonferenz vor der Saison, als er auf seine Erwartungen angesprochen wurde. Dass die Schützlinge des gebürtigen Russen nach zehn Spielen schon achtmal als Sieger das Eis verließen, damit sich und letztlich auch Pawlow zum geforderten Erfolg verhalfen, erstaunt die gesamte Fachwelt. Die Schwarz-Gelben führen die Tabelle an, was, um einmal das inflationär gebrauchte Wort zu benutzen, tatsächlich sensationell ist.
Persönlich halte ich gar nichts von Tabellen in der Anfangsphase der Saison. Zu meiner Kinderzeit (ich bin 1946 geboren) wurden diese Dinger nach dem ersten Spieltag nicht einmal abgedruckt. Heute ist es anders. Da schreiben Kollegen mitunter an Spieltag Nummer zwei, dass „sensationell“ der Tabellenführer gestürzt wurde. Doch am letzten Sonntag stand der zehnte Spieltag auf dem Programm, und dann hat die Hitliste schon einen nicht zu unterschätzenden Aussagewert.
Ich gestehe, auch mich hat die positive Entwicklung am linken Niederrhein überrollt. Die Pinguine demonstrieren an jedem Spieltag ganz deutlich , dass unsere Sportart zur Kategorie Mannschaftssport gehört. Supertechniker Jan Alinc weg? Macht nix! Aufräumer Daniel Kunce ebenfalls nach Duisburg? Na und? Und vorher schon Ex-Publikumsliebling Sascha Seliwanow aussortiert? Auch egal! Dafür kamen unter anderem Nobodies wie Shay Stephenson aus der „Eishockeyhochburg“ Mailand oder Torwart Scott Langkow, der in den letzten Jahren kaum Spielpraxis hatte, sowie eine Handvoll junger Leute aus den Niederungen der deutschen Eishockeylandschaft. Auch Charlie Stephens, der bei der DEG eine schwache Saison absolvierte und daher keinen neuen Vertrag bekam, wechselte Jersey und Rheinseite. In Krefeld reißt er das Spiel an sich und glänzte beispielsweise in Köln als Vorbereiter für Youngster Patrick Hager, der dreimal das Tor traf und den verletzten Boris Blank somit hervorragend vertrat.
„Die vierte Reihe ist ganz wichtig. Sie entscheidet mitunter das Spiel“, doziert der Mann, der seinerzeit das lettische Nationaltrikot trug und mit seinem jetzigen Kapitän Herberts Vasiljevs in einem Team stand. Sei es aus Mangel an gestandenen Akteuren, sei es aus Geldmangel, unter Pawlow bekommt die vierte Reihe zumindest bei numerischem Gleichstand genauso ihre Chance wie der Paradesturm. Sie dankt es ihm mit Torerfolgen, ob es sich um das stämmige Eigengewächs André Huebscher mit seinen 19 Jahren oder um den ein Jahr älteren Michael Endraß handelt, der in der Vorsaison noch für den Drittligisten Deggendorf am Fuße des Bayerischen Waldes stürmte. Da verwundert es kaum noch, dass der lange Philip Riefers zu den ganz wenigen gehören könnte, die den Sprung von der DNL in die DEL auf Anhieb meistern.
Dem Cheftrainer, der im Sommer ein knüppelhartes Training durchzog, sind die Gegner mehr oder weniger gleichgültig. Auf die Frage, ob er von diesem oder jenem Kontrahenten ein Video studiert hätte, antwortete er auf seine typische, spitzbübische Art: „Ja, schon, war aber schwarz-weiß.“ Hartes Training, zwei Tage hintereinander frei, das sind so die Eigenarten jenes Mannes, der zum erstenmal DEL-Luft schnuppert und sich erstaunlich (das Wort „sensationell“ vermeide ich jetzt) schnell an die neue Umgebung gewöhnt hat. Schon längst hat er sich bei den Fans einen Namen gemacht. Apropos Fans… Verglichen mit den Werten der Vorsaison weisen die Zuschauerzahlen (4.447 im Durchschnitt) im leider immer noch halbvoll besetzten KönigPalast den höchsten Pluswert (773) auf, wenn einmal von den Ausnahmen Kassel (Neuling) und Berlin (neue Halle) abgesehen wird.
„Wir sind physisch bereit. Wir können auch 100 Spiele bestreiten“, erklärt Igor Pawlow, dessen Aussagen nie prahlerisch klingen, sondern stets von Pragmatismus geprägt sind. Pawlow und seine Mitstreiter haben bisher jedenfalls die Liga aufgemischt, auch wenn die Pinguine in der Etat-Liste weit unten stehen und nur von ganz wenigen Vereinen „unter“troffen werden. Und genau deswegen freut mich das Ganze.