Wie ich es sehe... Die Hockeyweb-Kolumne von Werner Nieleck
Der ganz normale Alltag hat uns wieder. Die Spiele von Peking, von
wichtigen dienstbeflissenen Funktionären erneut als die „best games
ever“ bezeichnet, sind vorbei. Superlative (es gab 38 mitunter
„unglaubliche“ Weltrekorde), so lächerlich sie zuweilen auch
geklungen haben, werden für eine gewisse Zeit wieder in der
sportgeschichtlichen Schublade verschwinden. Da war vom „schieren
Wahnsinn“ die Rede, was immer diese Zensur auch zensieren mag. Dann wimmelt
es nur so von „Extremitäten“ und „Absolutismen“, dass
man schon meint, man wäre in das Zeitalter des Absolutismus zurückgekehrt. Ich
für meinen Teil finde folgende Steigerung am schönsten: Es gibt den Favoriten,
den hohen Favoriten, den Top-Favoriten und den absoluten Top-Favoriten. Wie
wieder einmal mit den verschiedenen Prädikaten umgegangen wird, verdient
schon allergrößten Respekt.
Wir Eishockeymenschen, besonders hier in Deutschland, machen es eine
oder zwei Nummern kleiner. Für Olympia müssen sich die Adlerträger erst noch
(in Hannover) qualifizieren, und auch unsere höchste Liga hat lange nicht mit
einem international so rennomierten Ansehen aufzuwarten wie beispielsweise im
Handball und/oder Fußball. Und trotzdem: Die Liga lebt von der Spannung, auch
wenn vielen die Punktrunde, besonders in der Vorsaison, endlos erschien. Doch
wer erinnert sich nicht gern (oder ungern, je nach Sichtweise) an die Spielzeit
2007/2008? Nürnberg als Punktbester schmierte ab, bevor die Entscheidung
überhaupt nahte, während die Eisbären als Zweite Deutscher Meister wurden.
Düsseldorf als Neunter und damit zunächst nur Teilnehmer an der
Play-off-Qualifikation stieß bis ins Halbfinale vor und lieferte dem späteren
Champion von der Spree ein engeres Rennen als die Kölner in der Finalserie. Wir
sollten die Iserlohner nicht vergessen, die sich zum ersten Mal in ihrer
DEL-Geschichte für das Viertelfinale qualifizierten und aus ihrer schmucken
Eissporthalle am Seilersee ein Tollhaus machten. Dass die Zuschauerzahlen im
Vergleich zur Spielzeit 2006/2007 rückläufig waren, hatte auch viel mit dem
ausgeleierten Spielplan zu tun. In der anstehenden Saison gibt es allein schon
wegen der neuen Arena in der Hauptstadt bessere Zahlen.
Um noch einmal auf Olympia und den vielzitierten „Wahnsinn“
zurückzukommen: Medaillen wurden schon einige Tage nach der Verleihung
aberkannt. Bei den chinesischen Turnerinnen redete man gar (aus berechtigtem
oder unberechtigtem Mund) von Passfälschungen, die das Mindestalter von 16
Jahren auswiesen, sogar Pferde wurden gedopt. Ausreden für diese Missgriffe
waren stets vorhanden. In diesem Zusammenhang wundert es mich, dass nicht den
Pferden der Schwarze Peter in die Schuhe bzw. Hufe geschoben wurde.
Nun, wir vom Eishockey hatten in letzter Zeit viel zu tun mit dem Thema
„Doping“. Doch es war nie das Doping an sich, was
„unseren“ Sportlern vorgeworfen wurde, sondern nur der fehlende
Hinweis, wo sich der betreffende Athlet zu dieser und jener Minute aufhält. Ein
hoher Funktionär, der seinen Namen hier nicht wiederlesen möchte, sagte mir:
„Werner, ich bin kein Neuling in bezug auf Internet usw. Aber was da
verlangt wird, ist schon enorm. Da kannst du dich ganz leicht vertippen. Und
dann ist die Verwarnung oder sogar Sperre fällig.“
Lassen wir doch das ganze unerfreuliche Brimborium beiseite und freuen
uns auf das nächste Wochenende, wo die ersten Pflichtspiele stattfinden, auch
wenn es sich lediglich um den Pokalwettbewerb handelt. Sie wissen selbst,
lieber Fan, dass der Modus verbesserungswürdig ist und beim nächsten Mal
eventuell in veränderter Form durchgeführt wird. Aber heute möchte ich
ausnahmsweise nicht meckern, denn ich (und bestimmt viele, viele andere auch)
bin froh, dass es endlich wieder losgeht.
In diesem Sinne wünscht Ihnen und Euch eine tolle Saison, auch ohne
absolute Topstars und extreme Umstände,
Werner Nieleck