Wie ich es sehe... Die Hockeyweb-Kolumne von Werner Nieleck
Geschafft! Die Saison, soweit sie unsere
höchste Spielklasse betrifft, ist vorbei. Und was war das für eine Spielzeit
oder, besser gesagt, was waren das für Play-offs! Dass ich mich total verhauen
habe mit meinem Endspieltipp (Nürnberg gegen Mannheim), beschämt mich noch nicht
einmal. Ich befinde mich nämlich in guter Gesellschaft; denn viele meiner
Kollegen haben einen solchen E i n lauf und vor allen Dingen, solch einen V e
r lauf nicht vorausgesehen.
In packenden und dramatischen wurden die
Eisbären Berlin wurden zum dritten Mal nach 2005 und 2006 Deutscher Meister. Die
Resultate waren stets knapp: zweimal wurde der Sieger erst in der Verlängerung
ermittelt und zweimal machte nach 60 Minuten nur ein einziges Tor den
Unterschied aus. Keine Frage: Die Männer aus Hohenschönhausen, die als einzige
Mannschaft der Liga während der Spielzeit keine Fluktuation in ihren Reihen (von
der temporären Leihgabe Richard Mueller abgesehen) erlebten, haben in der
Abschiedssaison vom Wellblechpalast die alte Heimstätte noch einmal richtig
krachen lassen. Wer weiß, wie es in der kommenden Saison in der mondänen O2
Arena aussehen wird?
Die Halbfinals liefen zum erstenmal seit
ihrem 27-jährigen Bestehen über die volle Distanz, wobei die dritte Partie der
Kölner Haie gegen die Adler Mannheim als drittes Marathon-Match in die
Geschichte einging. Um 18.30 Uhr wurde Karsamstag das erste Bully vollzogen, um
0.10 Uhr lagen sich am Ostersonntag die Domstädter nach Philip Gogullas Treffer
in den Armen. 168;16 Minuten reiner Spielzeit lagen hinter den Kontrahenten.
Mindestens ein Jahr wird dieser Rekord Gültigkeit haben. Noch nie hörte ich
vorher Aussprüche wie „hoffentlich schießt irgendjemand bald ein Tor, egal wer.“
Das Kuriose an der Vorschlussrunde. Alle Partien endeten mit Heimsiegen. Dieses
Jahr war der Heimvorteil also auch in den Play-offs wichtig.
Schon die Viertelfinals bargen Spannung
genug. Nach zwei Spielen stand es bei allen Begegnungen 1:1, wobei Iserlohn erst
nach 117;45 Minuten durch Michael Wolf das entscheidende Tor gelang. In drei
Auseinandersetzungen ging es dann jedoch schnell. Die vierte Serie zwischen
Frankfurt und Iserlohn hatte es allerdings in sich. Das Sensationsteam aus dem
Sauerland führte schon 3:1 und hatte am Ende trotzdem das Nachsehen. Der
Höhepunkt der Serie war trotz des neuen Rekordes das Ausscheiden der Nürnberger
als punktbeste Mannschaft durch die Düsseldorfer.
Da war es auch nicht verwunderlich, dass
die Qualifikation auch keinen „Sweep“ sah, wie man in Nordamerika sagt. Nach
jeweils zwei Spielen stand es bei Hannover gegen Düsseldorf sowie Hamburg gegen
Ingolstadt 1:1. Düsseldorf qualifizierte sich durch ein Tor von Brandon Reid
nach 91;44 Minuten reiner Spielzeit. Wer hätte damals gedacht, dass dieser
Rekord nur vier Tage Bestand haben und dazu noch zweimal verbessert werden
würde?
Und zu guter Letzt sollten wir nicht
vergessen, dass es sich in den allermeisten Fällen um saubere Spiele handelte.
Die Schiedsrichter ließen, was vollkommen richtig war, auch schon ´mal Fünfe
gerade sein. Sie handelten meist nach dem Prinzip unseres Altinternationalen
Gerhard Müller. „Ich frage mich in den ersten Minuten, wollen sie spielen oder
wollen sie hauen? Und dementsprechend pfeife ich“, sagte der gebürtige Harzer
vor Jahren während einer WM. Heuer wollten sie spielen, und das taten sie
allesamt gut.
Nach diesen atemberaubenden Play-offs
richten sich unsere Blicke langsam, aber sicher nach Kanada, wo unser
Nationalteam versuchen wird, in der internationalen Rangliste zu klettern. Ich
bin mir sicher, dass die Trainer-Troika und das Team selbst mit dem nötigen
Ernst an die Sache herangehen und die Angelegenheit nicht so larifari behandeln
wie einige aus dem Umfeld. In der Medieninformation zum Testspiel gegen
Weißrussland am letzten Samstag in Crimmitschau beispielsweise standen
wundersame Dinge: Da war der Augsburger Patrick Buzas in Duisburg geboren, da
machte Debütant Patrick Hager sein erstes Länderspiel bereits im vergangenen
Jahr, da absolvierte der dritte Patrick, nämlich der DEG-Stürmer Reimer sein
erstes Länderspiel beim 2:0-Sieg gegen Schweden in Riesa. Nur schade, dass gegen
die Schweden in Riesa nicht 2:0 gewonnen wurde. Und vielleicht sollte sich die
neue Pressesprecherin ein bisschen mehr auf den „Stuhl gegenüber“ setzen. Nach
dem englischen Kommentar des weißrussischen Coaches erteilte die junge Dame Uwe
Krupp das Wort, wohl (oder vielleicht unwohl?) wissend, dass es sich bei den
älteren Kollegen in Sachsen durchweg um Personen handelt, die der englischen
Sprache nicht mächtig sind. Ob sie überhaupt vom Eishockey kommt, erscheint
zumindest fraglich, wenn man die Texte ihrer Pressemitteilungen liest. Gehört
auf diesen Posten nicht etwas „Gestandeneres“?
Werner Nieleck