Wie ich es sehe .... Die Hockeyweb-Kolumne von Werner Nieleck
„Ich kann noch nicht daran
denken“, knurrt Iserlohns Manager Karsten Mende und schaut gedankenverloren in
die Ferne. Der Ex-Nationalverteidiger meint selbstverständlich das Erreichen der
Play-offs, was seit fast 30 Jahren das Salz in der Suppe des deutschen
Eishockeys bedeutet. Heuer unternehmen Mende & Co. nach sieben vergeblichen
Versuchen den achten Anlauf in der DEL. Noch in der vorletzten Vorschau lästerte
ich, dass es den Roosters gelingen wird, „sieben auf einen Streich“ zu schaffen,
wobei ich hämischerweise sieben Flops in Reihenfolge meinte. Doch dieses Jahr
sieht es so aus, als würden die Blau-Weißen, die über eines der besten Fanwesen
der ganzen Liga verfügen, im Play-off-Konzert mitmischen.
An die Play-offs können sich im
Sauerland ohnehin nur noch die Ältesten erinnern. Während der schon legendär zu nennenden Ära
Weifenbach gelang es Trainer Jan Eysselt in der Saison 1985/86, Jaroslav Pouzar
und Kollegen bis ins Halbfinale zu führen. Neben dem Tschechen Pouzar, der einst
für den Gretzky-Klub Edmonton Oilers stürmte, bildeten vor allen Dingen Andreas
Pokorny (jetzt Trainer der Iserlohn Roosters 1b), Dany Held (jetzt Trainer SC
Bietigheim 1b) und vor allen Dingen die lebende Schweizer Trainerlegende Ralph
Krueger das Gerippe des Teams. Im Viertelfinale wurde „kurze Fuffzehn“ mit dem
EV Landshut gemacht, und erst in der Vorschlussrunde war gegen den späteren
Deutschen Meister Kölner Haie Endstation, obwohl das zweite Match mit 2:0
gewonnen wurde. Damals gab es das erste westdeutsche Finale.
Doch zurück zur Gegenwart. Vom
Erreichen des Halbfinals sind die Kampfhähne noch weit entfernt, aber der bisher
zurückgelegte Erfolgsweg nötigt dem neutralen Beobachter Respekt ab und gibt
einige Konkurrenten der Lächerlichkeit preis. Mit einem geschätzen Etat von 3,8
Mio Euro (nur Duisburg, Augsburg und Straubing haben noch weniger Geld zur
Verfügung) stehen nur fünf Vereine höher in der Tabelle, aber deren neun unter
den Waldstädtern. Was mag man angesichts dieser Zahlen wohl in Düsseldorf (7,7
Mio. geschätzt), Ingolstadt (6 Mio) und Hamburg (7 Mio) denken, die allesamt um
das Erreichen des zehnten Platzes (damit wenigstens die Quali erreicht wird)
zittern müssen.
Mit einem Cheftrainer, für den
die DEL Neuland war und der wegen Krankheit seiner Frau in diesen Tagen an der
Bande fehlt, ließen Mannschaftskapitän Robert Hock und Teamgefährten aufhorchen
und sorgten bislang für die größte Überraschung der Saison. Natürlich hat der
mitunter sensible Mende kein Patenrezept für den Erfolg parat. „Eishockey ist
Mannschaftssport, und deswegen muss es zunächst einmal im Team stimmen. Die
Spieler müssen zufrieden sein.“ Zufrieden dürfte der Mann aus Brackwede, der
seinerzeit unter dem damaligen Trainer Bernd Haake das Eishockeyspiel erlernte,
vor allen Dingen mit dem schwergewichtigen Torwart Norm Maracle sowie mit dem
Stürmerduo Robert Hock/Michael Wolf sein. Zwar schwächt Mende ab („die anderen
können auch Tore schießen“), was die Wichtigkeit vorgenannter Cracks betrifft,
aber ohne die Beiden wäre mit den Sauerländern nicht mehr viel los. Und dass die
Mannschaft leicht ausgerechnet werden kann und daher anfällig ist, kann und will
ich nicht so stehen lassen, auch wenn die letzten zwei Spiele in die Hose
gingen. Dies sagten Experten auch vor knapp fünf Jahren, als Krefeld mit seinem
überragenden Sturm Augusta/Purdie/Brandner für die nötigen Tore sorgte. Auch da
redete man vom „leichten Ausrechnen“, und was war? Getroffen haben der Tscheche,
der Kanadier und der Österreicher trotzdem und wurden sogar Champion.
Ob es tatsächlich so ist, dass
mit dem Einzug in die Play-offs in Iserlohn der Höhepunkt der Saison erreicht
ist, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Blut lecken können Kampfhähne zwar
nicht, aber sie können lästig sein.
Werner Nieleck