Wie ich es sehe… Die Hockeyweb-Kolume von Werner Nieleck
Es ist schlimm, lieber Leser, was mit und um Fußball-Nationaltorwart
Robert Enke passierte. Auch ich empfand Trauer und Mitgefühl mit der Familie.
Ganz sicher bin ich mir, dass das Thema „Depression“ jetzt und in
Zukunft sensibler behandelt wird als zuvor. Im Bayerischen Fernsehen gab
gestern Augsburgs Manager Max Fedra als Betroffener eine Beurteilung ab, die zweifellos
nicht nur ich gut nachvollziehen konnte.
Trotzdem: Unbehagen bleibt, und zwar vor allen Dingen Unbehagen über
den Rummel, der in fast allen Medien tagelang mitunter auf reißerische Art
gemacht wurde. Jeder meldete sich zu Wort, jeder gab irgendwelche Kommentare
ab, ob sie nun ernst gemeint waren oder ob sie nur dazu dienten, auch etwas
gesagt zu haben. Wir dürfen bei all dem nicht vergessen, dass Robert Enke, aus
welchen Gründen auch immer, freiwillig aus dem Leben geschieden ist.
Wie geht es eigentlich dem Lokführer, der jetzt damit leben muss, ein
Menschenleben quasi auf dem Gewissen zu haben? Hat sich darüber schon einer
Gedanken gemacht? So ist es halt: Der Lokführer war nicht prominent, das ist
sein Schicksal. Und deswegen ist er für die Allgemeinheit nicht wichtig genug. Mir
sagte nach einem tödlichen Unfall eines Formel-1-Rennens einmal ein Bekannter,
der keineswegs als zynisch einzustufen ist, sondern sogar als sehr
gottesfürchtig gilt: „Ach Werner, das war Gott sei Dank nur ein
Streckenposten, der gestorben ist, und kein Fahrer.“
Vor Jahren nahm sich ein Linienrichter das Leben. Dieser („linesman“
muss man ja wohl im Eishockey sagen) war ein wandelndes Regelbuch. Ihm
verdankte ich mehr oder weniger meine vielleicht ein bisschen über dem
Durchschnitt liegenden Regelkenntnisse. Zu seiner Beerdigung kamen ein paar
Kollegen, in NRW wurde er mit einer Gedenkminute bedacht. Des weiteren kenne
ich auch einen Eishockeyspieler, der wegen Depressionen seinen Beruf als
DEL-Crack nicht mehr ausüben kann. Mehr als eine Fußnote in der Geschichte
unserer Sportart war auch diese Episode nicht wert.
Mich berührte heute morgen viel mehr eine Meldung, die besagte, dass
täglich 17.000 Kinder vor Hunger sterben. Das sind alle fünf(!) Sekunden eines,
macht in Summe sechs Millionen pro Jahr. Und diese Kinder gehen nicht
freiwillig in den Tod. Verstehen Sie mich richtig, ich verurteile keineswegs
den Freitod des Robert E., sondern nur die Art, wie größtenteils damit
umgegangen wird und wurde.
Jetzt sind wir aber vom Thema „Eishockey“ weitab gekommen.
Dabei war gerade das Wochenende nach der ersten Länderspielpause interessant
genug. Wissen Sie auf Anhieb, wer als einziges Team die maximale Punktzahl
abräumte? Jawoll, die Kühlschränke von der Waterkant, die dem Tabellenende
„tschüüüß“ sagten! 2:1 bei der bisherigen Sensationsmannschaft
Augsburger Panther und daheim 3:2 gegen die unbequemen Sauerländer Kampfhähne.
Ich bin mir sicher, dass die Color Line Arena wieder mehr als die zuletzt
gezählten 6.880 Unentwegten anlocken wird. Die ersten positiven Signale in
puncto Zuschauer (wo die Fans aktiv um das Überleben des Klubs kämpfen) kommen aus
Köln: Immerhin passierten 14.098 Besucher beim Spiel gegen den Meister und
Spitzenreiter Eisbären Berlin die Eingänge der Kölnarena. Nach dem Match hatten
sie sogar allen Grund, ihre Lieblinge zu feiern. Und die Verantwortlichen der
Adler Mannheim durften gegen die bisher enttäuschenden Krefelder 11.323 Fans
begrüßen.
Beide Teams müssen am Wochenende übrigens nach Hamburg, die Kurpfälzer
am Donnerstag, die Rheinländer drei Tage später. Kann eines von ihnen die
Miniserie der Schützlinge von Cheftrainer Paul Gardner beenden? Spätestens am
Sonntag gegen Viertel vor Fünf werden wir es wissen.