Vorschau 2006

Vorschau 2006
Es ist wieder soweit: Ein Jahr ist gerade zu Ende gegangen, ein neues
Jahr brach soeben an. Was wird es uns Eishockeymenschen bringen? Wir
würden uns über zahlreiche interessante Neuigkeiten auf dem sportlichen
und wenig negative Berichte auf dem wirtschaftlichen Sektor freuen. Und
deswegen hoffen wir auch nicht, dass alles von dem, was wir ein
bisschen augenzwinkernd zu prophezeien versuchen, Realität wird.
Januar:
Die verschärfte Regelauslegung wird von den Zuschauern nur widerwillig
aufgenommen. Bei der Partie Berlin gegen Kassel, bei welcher nur zum
ersten Bully mit fünf gegen fünf Feldspieler agierte wurde, ist erst um
0.35 Uhr wegen der vielen Unterbrechungen Schluss. Schon beim Uhrstand
0;01 Minuten erhielten beide Kontrahenten jeweils zwei Strafminuten
wegen unkorrekten Anspieles. Ähnliches wird von der Partie Augsburg
gegen Nürnberg berichtet. Fluchend, weil viele von ihnen wieder morgens
auf der Arbeit erscheinen müssen, machen sich die Zuschauer weit nach
Mitternacht in klirrender Kälte auf den Heimweg. Das insgesamt
ausgesprochen faire Match verzeichnete 92 Strafminuten gegen die
Gastgeber und deren 104 gegen die Franken.
Februar:
In Turin gefällt die deutsche Mannschaft vor allen Dingen durch ihre
Rolle als Botschafter des olympischen Gedankens; sie überlässt den
Gegnern durchweg die Punkte. Nur beim heißumkämpften 2:2 gegen die
gastgebenden Azzurri erweisen sich die Adlerträger als schlechte Gäste.
Fortan wird vom italienischen Publikum alles ausgebuht, was deutsch
ist. „Krupp war nicht nur die Waffenschmiede des Reiches, Krupp ist
auch der (Olympische) Spiele-Verderber“, geifert das angesehene Blatt
Corriere della Sera. Der Bundestrainer ist in seiner typisch
US-amerikanischen Art insgesamt zufrieden mit dem Abschneiden. „Vor uns
liegt noch viel Arbeit, aber es geht vorwärts“, doziert der
Wahl-US-Boy. Eifrig nicken seine Assistenten sowie die gesamte
Führungscrew des Verbandes. Für Irritationen sorgt nur die Nachricht,
dass der Bundestrainer einen Umzug auf die Fidschi-Inseln vorgenommen
hat. „Das macht nichts“, wiegelt DEB-Chef Hans Ulrich Esken mit saurer
Miene ab und bewahrt nur mit Mühe Haltung. „Beobachtungen aus der Ferne
schärfen die Sinne und machen den Blick klar.“
März:
Ist das eine Aufholjagd! Mit einer Sondergenehmigung übernimmt der
Basketballklub Alba Berlin Lizenz und Punktestand der Duisburger
Füchse, dessen Alleingesellschafter Ralf Pape vor der Olympiapause aus
Frust über die spärliche Zuschauerresonanz die Nase gründlich voll und
das Handtuch geworfen hat. Zwar gewann der Neuling die letzten fünf
Partien, aber selbst eine Freikartenaktion brachte keinen Erfolg. „Das
glaubt doch kein Mensch, dass die auch zum sechsten Mal hintereinander
gewinnen. Deswegen gehe ich erst gar nicht hin“, so ein typischer
Duisburger „Fan“. So kommen zum letzten Match der Rot-Schwarzen noch
ganze 91 Besucher. Die Füchse-Vertreter dagegen schaffen in einer
wahnwitzigen Siegesserie die Play-offs in letzter Minute und kassieren
dabei keine einzige Strafminute. Die Männer vom Korb erlernten in einem
Crash-Kurs das Schlittschuhlaufen; mit dem körperlosen Spiel waren sie
ohnehin vertraut. Derweil wird Hamburgs Manager Borko Capla nach einer
Ted-Umfrage unter den Fans vor allen Dingen als Folge des
Nichterreichen der Play-offs gefeuert. Der umtriebige Capla wird schon
einige Tage später als Verkäufer von slowakischem Wein in Augsburg
gesichtet.
April:
Staunen vor dem ersten Match der WM Div. 1, früher gemeinhin als
B-Gruppe bezeichnet, im französischen Amiens. Die allgemeinen
Befürchtungen über Aufsteiger Israel bewahrheiten sich. Bezeichnend,
dass der erste Gegner der Deutschen aus zwei getrennten Kabinen kommt.
In der ersten wird nur englisch, in der zweiten russisch gesprochen.
Die Truppe setzt sich zu je zwei Blöcken aus kanadisch- und
russischstämmigen Aktiven zusammen. Selbst der Weltenbummler Uwe Krupp
ist überrascht und kommt aus dem Staunen kaum heaus. Tatsächlich! Mit
5:1 überfahren die Männer mit dem Davidsstern die Adlerträger und
sorgen für einen unrühmlichen Auftakt des Turniers. Präsident Esken,
immer noch stinkig darauf, dass mit seinem Freund und einzigem
Bekannten Greg Poss so miserabel umgesprungen wurde, fährt jetzt die
Retourkutsche und schasst Krupp im Alleingang.
Mai:
Zum ersten Mal Weltmeisterschaft in Lettland. Eine riesige deutsche
Delegation bereist das Turnier, um praktische Erfahrung für die 2010-er
WM in Deutschland zu sammeln. „Man kann nicht früh genug damit
anfangen“, so eine Stimme aus der munteren Reisegruppe. Selbst die
Materialwarte (im offiziellen DEB-Deutsch als „Equipment Manager“
tituliert) sind zugegen, um sich an Ort und Stelle von der Arbeit ihrer
Kollegen zu informieren. Zwar werden die Männer mit dem schwarzen Adler
am Revers von den meisten Funktionären anderer Verbände nicht gerade
überschwänglich begrüßt, aber mit Blick auf die Sponsorenlandschaft
genießen die WM-Touristen wenigstens Respekt. Nur DEB-Vize Uwe Harnoß
erntet einen Lacherfolg. Er irrt durch die Katakomben und sucht die
Kabine der Deutschen, um wieder einmal ein Trikot abzustauben.
Juni:
Nun ist die Katze aus dem Sack. Der neue Bundestrainer heißt Bastian
Nepomuk Wrtlprmpft und stammt ursprünglich aus Böhmen, wohnt allerdings
seit vielen Jahren im immer noch verschneiten Bayrischen Wald. Selbst
Experten ist der Mann, der in Freundeskreisen „Gaudi-Wastl“ genannt
wird, kaum ein Begriff. „Er hat die Bambini des EC
Mitterklingenbachreuth zur Meisterschaft geführt und ist ein
unbedingter Siegertyp. Ich bin die ständigen Niederlagen genauso satt
wie die ewigen Ausreden seiner Vorgänger“, so ein sichtlich zufriedener
DEB-Präsident Esken. Heftiges Kopfnicken allerorten, doch so mancher
macht sich seine Gedanken über die seltsamen Methoden des Richters aus
dem idyllischen sauerländischen Schwerte.
Juli:
Das ist ein Schlag ins Kontor von Schiedsrichter-Boss Holger
Gerstberger, falls er überhaupt für seine deutschen Kollegen
eingestellt ist. Ab der neuen Saison werden nur noch ausländische
Unparteiische DEL-Partien leiten, und zwar wegen des nötigen Abstandes,
wie sich Geschäftsführer Gernot Tripcke ausdrückt. Eine Erklärung des
redegewandten Gerstberger ist nicht zu erhalten, da, wie des öfteren in
solch prekären Situationen, sein Handy streikt und er zu den tollsten
Erklärungen ansetzt. Die neugegründete Kapitäns- und
Assistentenkommission, der der Krefelder Ex-Hexer Karel Lang vorsteht,
bietet Schnellkurse in Englisch, Tschechisch und Russisch an, damit ein
einwandfreier Kommunikationsablauf gewährleistet ist. „Mei, i kimm mit
dene Buchstaben net klar“, schnauft ein total vergrätzter Tobi
Abstreiter, als er einen Blick auf das kyrillische Alphabet wirft.
„Jetzt leckts mi, aber g´scheit!“ kann Günter Oswald nur herausbringen.
August:
Erneut tagt die Regelkommission, und erneut zaubert sie eine
interessante Änderung aus dem Hut. Jeder Akteur bekommt ein sogenanntes
Offside-Handicap zugesprochen, welches sich nach dem Grad seiner
Gefährlichkeit vor dem gegnerischen Tor berechnet. Ein sogenanntes
blindes Huhn darf sich ohne weiteres in der offensiven Zone befinden,
ohne dass es zurückgepfiffen wird. Die Idee zu dieser an und für sich
guten Idee wurde bereits im Dezember letzten Jahres beim Spiel Köln
gegen Krefeld geboren, als ein Akteur rund fünf Meter im Abseits stand
und trotzdem weitermachen durfte. „Der schießt sowieso kein Tor. Und um
den Spielfluss nicht zu hemmen, pfeift der Linesman erst gar nicht“,
ließ sich ein Experte vernehmen. Vor den Spielen erhalten Zuschauer
(und natürlich auch die Linesmen) die jeweils aktuell gültige
„Hitliste“ der Akteure, die sich nach einem komplizierten Verfahren
zusammenstellt, das nur Gerstberger und sein Kollege Stefan Trainer
kennen.
September:
Frust bei den Zuschauern des Bezahlsenders „Premiere“ über die erste
Direktübertragung der neuen Saison. Aus bekannten finanziellen Gründen
haben die Münchner die Qualität ihrer Sendung stark eingeschränkt. Der
Moderator erscheint nicht mehr in feinem Zwirn, sondern ist
ausstaffiert, als käme er gerade vom Autowaschen. Und nicht nur, dass
lediglich eine Kamera eingesetzt wird… Die ganze Sendung läuft nur in
Schwarz-Weiß, was mitunter zu lustigen Verwechslungen führt. Schwer
verständlich sind auch die Interviews gegen Ende des Drittels, weil
kein Ton geschaltet ist. Momentan wird sich noch mit Zeichensprache
beholfen, die bei den Zuschauern aber nicht optimal ankommt. Aus
Kostengründen fungiert als Experte ein stark angetrunkener Fan, der für
eine Kiste Bier seine Weisheiten zum Besten gibt.
Oktober:
Der Umzug von der Düsseldorfer Brehmstraße zum Rather Dome ist mit
einem Karnevalszug gekoppelt. Auf dem Prinzenwagen stehen nach
Unterzeichnung eines Fünfjahresvertrags Hans Zach in seiner Doppelrolle
als neuer Trainer und Karnevalsprinz Hans der Große, und seine Frau
Slada als Manager und Prinzessin. Als Page fungieren Walter Köberle und
Christian Brittig, Letzterer allerdings mit Leichenbittermiene. „Die
DEG ist der FC Bayern des deutschen Eishockeys!“ erklärt Zach unter dem
frenetischen Jubel der Fans. Standesgemäß wird auch das erste Spiel
gewonnen, natürlich gegen die Kölner Haie. Im Penaltyschießen siegt die
DEG mit 1:0, nachdem die 60 Minuten eher an die Ausführung eines
Nichtangriffspaktes erinnern. „Wir haben Charakter gezeigt“, betont
Zach in der Pressekonferenz. „Helau, helau!“ brüllen einige und lassen
offen, wie die Rufe gemeint sind.
November:
Erschütterndes spielt sich beim Deutschland-Cup in Hannover ab. Da
steht am Informations-Schalter neben dem Eingang eine einsame alte Dame
in bayerischer Tracht, blickt unsicher in die leere Runde und fragt in
vorsichtigem Hochdeutsch, wann sie ihren Enkel bewundern dürfte, der
doch gleich „bei die Deitschen spuit“. „Geht des Turnier heit noch net
o?“ fragt sie schüchtern angesichts der Tatsache, dass sie allein an
der Kasse steht. „Doch, doch“, beeilt sich die vornehme Dame zu
versichern. „Und wann, bittschön?“ „Wann immer sie wollen, gnädige
Frau“, antwortet die auf Höflichkeit eingestimmte Dame hinter dem
Schalter.
Dezember:
Drei Mannschaften sehen sich schon aller Chancen auf die Play-offs
beraubt. Da kein Abstieg vorgesehen ist, haben die Zuschauer keinen
Bock mehr und bleiben aus, schauen sich lieber die lustigen Sendungen
von „Premiere“ an. Die Insolvenz droht allen drei GmbH bzw. Vereinen.
Unter dem Weihnachtsbaum liegt ein gar nicht so umfangreicher
Wunschzettel. Darauf steht: „Lieber Eishockey-Weihnachtsmann (oder
Santa Claus oder Väterchen Frost), lass uns wieder auf- und absteigen,
die fiesen Gegner auch wieder ziehen und zerren (wenigstens einmal) und
nicht sofort auf die Strafbank wandern. Mach unser schönes Eishockey
nicht kaputt! Wir sind schon genug veralbert worden. In vorauseilender
Dankbarkeit, Deine treuen Fans.“