Verpasste Chancen und starker CharakterInterview mit Wolfgang Gastner von den Thomas Sabo Ice Tigers

Herr Gastner, vor Saisonbeginn wurden Sie Geschäftsführer der Ice Tigers – hätten Sie sich ein ruhigeres erstes Jahr gewünscht? Sie mussten nach vier Spieltagen Kevin Gaudet entlassen und die Mannschaft spielte nicht wie von den Fans in den letzten Jahren gewohnt.
Während der Saison hätte ich diese Frage wahrscheinlich sofort mit „ja“ beantwortet. Im Nachhinein muss man aber ein wenig differenzieren. Ich glaube, dass es nach diesem Jahr nichts mehr geben kann, was ich im ersten Jahr nicht erlebt habe. Da sind in kurzer Zeit so viele extrem unglückliche Umstände auf die Ice Tigers eingeprasselt. Für meine persönliche Entwicklung und das Hineinwachsen in die neue Aufgabe konnte das erste Jahr kaum lehrreicher sein. Wir haben die Ice Tigers in den vergangenen Monaten im Hintergrund umgekrempelt und jeden Stein umgedreht. Der Erfolg der strukturellen Veränderung wird sich allerdings erst mit der Zeit einstellen.
Wie wird die Saison 2018/19 in Erinnerung bleiben? Die Ice Tigers mussten den Umweg über die Pre-Play-offs gehen, schafften den Sprung ins Viertelfinale, scheiterten aber nach fünf Spielen (zum neunten Mal) an den Adlern Mannheim.
Die Saison 2018/19 wird sicherlich als eine Saison der verpassten Chancen in Erinnerung bleiben. Wir hatten auf dem Papier eine Top-Mannschaft und mit Rob Wilson einen der besten Trainer, die jemals in der DEL waren. Leider hat dieser uns aus persönlichen Gründen verlassen, was mit Sicherheit der Anfang der Misere war, die sich durch die ganze Saison gezogen hat. Was aber auch in Erinnerung bleiben wird, ist der Charakter dieser Mannschaft, die 13 Punkte auf Krefeld aufgeholt hat, nach einer bitteren Heimniederlage in der zweiten Verlängerung gegen Bremerhaven im dritten Spiel doch noch ins Viertelfinale eingezogen ist und den Adlern einen harten Kampf geliefert hat.
Warum hat die Mannschaft der Saison 2018/19 nicht funktioniert? Immerhin hatten die Ice Tigers mit Will Acton und Brandon Buck zwei Top-Spieler der DEL geholt.
Das ist die Frage, die sich bei uns jeder stellt und stellen muss. Ich bin als Geschäftsführer aber für wirtschaftliche Belange zuständig, und in diesem Bereich haben wir in den letzten Monaten sehr viel erreicht.
Wie stark hat sich der Verlauf der vergangenen Saison am Zuschauerzuspruch bemerkbar gemacht?
Da braucht man ja nur mal die Zahlen vergleichen. In der Saison 2017/18 hatten wir etwas über 5700 Zuschauer im Schnitt, in der Saison 2018/19 knapp 500 weniger. Allerdings muss man sagen, dass uns die Fans trotz der sportlich schwierigen Saison extrem unterstützt haben. Dafür kann man sich nur bedanken. Für die neue Saison werden wir natürlich konservativer planen, aber alles dafür tun, vielleicht verlorene Fans zurückzugewinnen.
Kein Geheimnis ist, dass Thomas Sabo sein finanzielles Engagement zurückfahren wird, dafür wurde das Sponsoring mit anderen Partnern erneuert bzw. verstärkt – was wird das für die Teams der Ice Tigers in der Zukunft bedeuten? Wird man sich seitens der Fans darauf einstellen müssen, zukünftig um Platz sechs oder zehn mitzuspielen statt um Platz vier?
In diese Saison sind wir mit großen Ambitionen gestartet und am Ende auf dem zehnten Platz gelandet. Es ist schwer, eine Zielsetzung wie Platz vier, sechs oder zehn von vornherein zu kommunizieren. Letztlich geht es darum, in die Play-offs zu kommen. Eine Mannschaft, die das schaffen kann, werden wir hier in Nürnberg immer haben, solange wir in der DEL spielen. Außerdem wird bei uns im Marketing hervorragende Arbeit geleistet, wir starten mit einer komplett neuen Partnerstruktur in die neue Spielzeit. Auf jeden Fall wollen und werden wir hier eine Mannschaft haben, die sich jeden Tag aufarbeitet und sich den Respekt der Fans verdient, auch wenn sie mal ein Spiel verliert.
Philippe Lotz