Trauer muss der Adler tragen

Klare Worte bei den AdlernKlare Worte bei den Adlern
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An eine Trauerfeier erinnerte die Stunde nach dem Spiel der Mannheimer Adler gegen die

Nürnberg Ice Tigers, das die Gäste mit 3:2 gewannen. Bittere Mienen bei den

Mannheimern, da schlich einer nach dem anderen aus der Kabine heraus. Keiner

soll sagen, Management, Trainer oder Spieler würden Niederlagen auf die leichte Schulter

nehmen. Da wurde schon schräg angeguckt, wer eine kleine Aufmunterung wagte,

etwa in der Richtung, dass es sich doch nur um Sport handle. Oh nein, nach

Scherzen ist niemandem bei den Adlern derzeit zumute.

38 Sekunden war das Spiel alt, da musste Adler-Keeper Ilpo Kauhanen bereits hinter sich

greifen. Die Nürnberger führten durch das Tor von Beardsmore. Doch eine

Minute und eine Sekunde später glich Ratchuk, der von Carciola und Shantz

bedient worden war aus. Hoffnung keimte bei den meisten der 11095 Zuschauer.

Viele hatten ihre Karten im Vorverkauf erstanden, wären sonst nach den

letzten Leistungen vielleicht nicht gekommen.

Viele Fans, das zeigt sich deutlich, haben einfach die Nase voll. Und sie

suchen Schuldige. Da wird kaum einer mehr ausgespart. Daniel Hopp rechnet

man zwar hoch an, dass er die Adler gerettet hat, keine Frage, aber in

Spielerkäufe sollte er sich lieber nicht so einmischen, meinen einige.

Marcus Kuhl wird angekreidet, dass er seit Jahren Teams zusammenstelle, die

nicht das brächten was ihre Papierform verspräche, Stephane Richer meinen

einige, sei zu unerfahren, um ernst genommen zu werden. Da widerspricht

Hockeyweb gegenüber ausgerechnet einer, den Richer soeben vor die Tür

gesetzt hat: Steve Kelly. Im Gespräch nach dem Spiel erklärt er, "dass Stephane ein guter Trainer ist, der weiß, was er macht. Er wird hier nur dauernd unter enormen Druck gesetzt, er hat doch

gar keine Möglichkeit, aufzubauen." Kelly, der sich das ganze Spiel

angeschaut hat, "weil mich natürlich interessiert, was die Jungs machen, die

Truppe ist gut, aber sie hat derzeit kein Selbstvertrauen", wundert sich

nicht über den Durchhänger: "Von oben herab herrscht eine furchtbar negative

Atmosphäre." Er selber wartet ab, ob er morgen die Freigabe erhält, dann

wird er über seinen weiteren Lebensweg nachdenken.

Kelly wird an diesem Abend von etlichen Fans schmerzhaft vermisst. Wie von

Marc, einem Zuschauer, der seit Jahr und Tag den Adlern die Treue hält. Man

müsse doch nur mal die Statistik anschauen, sagt der, dann wisse man, welche

idiotische Entscheidung es sei, ausgerechnet diesen Spieler gehen zu lassen.

Statistik sei die eine Sache, hält Co-Coach Jackson Penney dagegen, das

Verhalten eine ganz andere, "die Entscheidung war richtig". Die wurde

übrigens wohl tatsächlich im Alleingang von Stephane Richer getroffen,

Manager Marcus Kuhl stärkte lediglich seinem Trainer den Rücken, nachdem

alles gelaufen war.

Erstaunlicherweise, das konstatieren einige, würden immer die

intelligentesten Spieler entlassen. Yves Racine sei der Kopf in der Kabine

gewesen, meine sie und auch Steve Kelly gehört in diese Kategorie. "Ich

denke, man kann vielleicht keine Leute ertragen, die durchblicken", grinst

Heiner Baier, einer, der sich als Kelly-Fan zu erkennen gibt. Und auch

Verena Mauer stimmt zu: "Der Kelly hat doch die meisten in die Tasche

gesteckt mit seinem Hirn."

Wie auch immer, Kelly ist weg, geht mit der Situation bewundernswert gut

um und will auch seine Kumpels in der Kabine besuchen. Als er allerdings

Stephane Richer davor sieht mit Journalisten, zieht er sich erstmal zurück. In der 26. Minute des Spiels wird nach Videobeweis das Tor für die Adler

zum 2:1 gegeben. Stephan Retzer war der Torschütze, sein erster Treffer im Adler-Dress. Die Glückseligkeit

währt nicht lange, Gäste-Topscorer Francois Methot versenkte den Puck in der 27. Minute zum Ausgleich hinter

Kauhanen im Tor. "Etat Top - Adler Flop" hat einer auf ein Plakat

geschrieben, das er immer wieder hochhält. In der 31. Minute schickt dann

Methot die Adler endgültig auf die Verliererstraße.

Im dritten Drittel singen die Stehplatz-Fans "Geht heim, wenn Ihr müde

seid". Sie meinen damit die Sitzplatz-Leute, die keine Welle machen wollen,

könnten sich aber auch auf die Spieler beziehen. Es ist schlichtweg

langweilig in der SAP-Arena. Powerplay mit guten Chancen, aber auch mit

desolaten Leistungen, ein kurzes Erwachen, dann wieder Scheibenverlust,

alles wiederholt sich. "Wir ham die Schnauze voll", singen einige, manche

gehen vor der letzten Minute. Nein, einen gelungenen Eishockey-Abend stellt

man sich anders vor.

Bei der Pressekonferenz in der Mixed Zone herrscht Trübsinn pur. Stephane

Richer sieht aus, als habe er den Gang nach Canossa vor sich, seine beiden

Co-Trainer hat man auch schon mal fröhlicher gesehen. Jackson Penney bleibt die

Stimme weg, Anders Olsson ist sicher, dass sich nach einem Sieg der Knoten

lösen wird, aber wann soll dieser Sieg eingefahren werden. Die nächsten

Gegner heißen Hamburg und Ingolstadt. "Das wird sehr schwer", meint Olsson,

räumt dann aber ein "dass jedes Spiel schwer ist". Fürwahr, in diesem

Zustand sicherlich.

Benoit Laporte, der Trainer aus Nürnberg, erzählt, wie wichtig der Sieg für seine Mannen. Laporte meint dann noch, die Adler seien ein sehr gefährliches Team und ein wenig fragt man sich, welches Spiel er gesehen hat. Vielleicht will er aber einfach nur nett sein, was ihn ja an sich ehrt. Stephane Richer

spricht von dummen Fehlern und dass die Mannschaft einfach "in der Scheiße"

säße und dass man zusammenbleiben müsse, um Wege heraus zu finden.

Das findet auch Marcus Kink, der ebenfalls sichtlich mitgenommen ist.

Nein, lachen kann er nicht mehr, das drücke alles zu sehr nieder. Über Kelly

sagt er, habe das Team noch gar nicht so richtig nachgedacht, "wir hatten

gar keine Zeit". Die Mannschaft sei derzeit total verunsichert, habe kein

Selbstvertrauen, Schuld sei kein einzelner, "wir gewinnen zusammen und wir

verlieren zusammen". Enttäuscht ist der Spieler von einigen Fans. "In Kassel

wollte ich zu den Fans laufen und mich bedanken dafür, dass sie mitgefahren

sind", sagt der junge Crack, "und dafür wurde ich von beschimpft und man hat

mir den Stinkefinger gezeigt. Dabei konnte man sehen, dass wir in dem Spiel

gekämpft haben." Kink ist eher traurig als wütend.

Auch Steve Kelly sieht, dass dieses Team kein Selbstvertrauen mehr hat.

"Das ist ein gutes Team, die Jungs sind in Ordnung und sie können spielen,

das haben sie ja auch bewiesen", sagt er. "Das Team hats im Moment aber

einfach nicht", meint er noch und auch, dass man einfach mal Geduld haben

müsse, dass dies hier aber offensichtlich ein Fremdwort sei und zwar von

oben herab. "Man muss auch die schlechten Zeiten hinnehmen und dann

aufbauen", meint der Crack. Der nochmal betont, dass er Vertrauen zu

Stephane Richers Fähigkeiten als Coach habe. Kritik der Fans an der

Unerfahrenheit des Trainers lässt der Entlassene nicht gelten: "Stephane

weiß worum es geht, vielleicht kann er noch nicht alle Situationen souverän

beherrschen, aber das lernt er. Wie Spieler auch lernen." Kein Grund, den

Trainer in die Wüste zu schicken jedenfalls, meint Kelly, der soeben in die

Wüste geschickt worden ist. (Angelika von Bülow)


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