Teamcheck Eisbären Berlin: Jäger und Gejagte zugleich

Die vergangene Saison, die für die Eisbären mit dem Gewinn des fünften Meistertitels endete, war das genaue Gegenstück zur Spielzeit davor. Nachdem die Eisbären das frühe Play-off-Aus gegen Augsburg ereilt hatte, verlor über die mit reichlich Abstand auf den Zweitplatzierten abgeschlossene Vorrunde dazumal kaum noch jemand ein Wort. Letzte Saison dann rumpelten sie dafür lange wenig souverän durch die Vorrunde. Doch als es darauf ankam, fand das Team von Chefcoach Don Jackson zu alten Tugenden zurück. Der Meisterpott stand wieder in der Hauptstadt. Und da soll er möglichst auch bleiben, geht es nach den Berlinern. Die Konkurrenz freilich hat ganz anderes im Sinn. Der Meister wird daher Jäger und Gejagter zugleich sein. Eine Situation, mit dem sich die Mannschaft aber schon bestens auskennt. Personelle Kontinuität und die daraus resultierende mentale Stärke eines über Jahre gewachsenen, in der Tiefe sehr gut besetzten Teams, lassen allerdings davon ausgehen, dass der Weg zur deutschen Meisterschaft einmal mehr über Berlin führen wird.
Eine der wenigen offenen Baustelle bei den Eisbären findet sich auf der Torhüterposition. Keineswegs wegen fehlender Qualität. Im Gegenteil! Trainer Don Jackson hat viel mehr die Qual der Wahl. Während der Vorbereitung meldete Kevin Nastiuk mit überzeugenden Leistungen deutliche Ansprüche auf jenen Posten an, der bis dahin für Rob Zepp reserviert schien. Dass Jackson im letzten Gruppenspiel der European Trophy, als bei einem Sieg über Liberec noch Chancen zur Teilnahme am Finalturnier bestanden, auf Nastiuk statt Zepp setzte, kann als erster Hinweis auf einen möglichen Wachwechsel aufgenommen werden. Nastiuk dürfte sich jedenfalls das Recht auf deutlich mehr Einsätze als vergangene Spielzeit erarbeitet haben. Die Eisbären verfügen mit Zepp und Nastiuk sicher über eines der stärksten Torhüter-Gespanne der Liga.
Die Gegenwart der Eisbären findet ohne einige verdiente Spieler statt, deren Fehlen Fragen aufwirft. Zum Beispiel ob es Neuzugang Nick Angell gelingt, die von Derrick Walser (nach Rapperswil/SUI) hinterlassenen großen Fußstapfen auszufüllen. Mit der Walser-Nachfolge hat der 31-jährige US-Amerikaner definitiv kein leichtes Erbschaft angetreten, so viel steht fest. Doch ist die Defensiv-Abteilung der Eisbären qualitativ so gut besetzt, dass andere Verantwortung übernehmen und auch das Spiel der Hauptstädter nach vorn treiben können. Zum einen ist da Richie Regehr, der im zurückliegenden Jahr sein immenses Potenzial nicht immer ausschöpfte und so einiges schuldig blieb. Das Potenzial des 28-Jährigen beschränkt sich wahrlich nicht auf seinen knallharten Schlagschuss. Von ihm muss mehr erwartet werden, als die solide Erledigung des Jobs. Und zum anderen gibt es mit Frank Hördler einen deutschen Verteidiger, der zuletzt häufiger aufblitzen ließ, dass er seine Lehrjahre an der Seite von solch herausragenden ehemaligen Kollegen wie Ricard Persson, Deron Quint und Derrick Walser nicht verschwendet hat. Deutlich selbstbewusster geworden, wies der 26-Jährige immer häufiger auch gewachsenen Offensivdrang nach. Die größten Fragezeichen im Abwehrverbund stehen gewiss hinter dem Namen von Jimmy Sharrow (26 Jahre). Dem US-Amerikaner ist zwar die DEL-Tauglichkeit nicht abzusprechen, dennoch erscheint seine Fehlerquote mitunter etwas hoch. Insgesamt muss man sich um die Abwehr der Berliner nicht sorgen. Schließlich gibt es mit Jens Baxmann (26) und Constantin Braun (23) auch noch die unnachgiebig und fleißig arbeitenden Verteidiger-Typen, deren Taten leider allzu oft unterschätzt werden. In deren Kielwasser will der 20 Jahre alte Dominik Bielke einem Stammplatz im DEL-Team näher kommen. Bielke besitzt großartige Anlagen, einen kantigen Verteidiger abzugeben, dem kein Stürmer gern zu oft begegnen möchte. Nur muss der junge Berliner ein gesundes Maß an Härte und Emotion finden und zunehmend Konstanz in sein Spiel zu bringen.
Mit Barry Tallackson und DEL-Top-Scorer Darin Olver zog Manager Peter John Lee ein durchschlagkräftiges Sturmduo an Land. In der Vorbereitung wurde jedoch deutlich, dass beide fast zu sehr aufeinander fixiert sind und sie den dritten Mann ihrer Reihe schon mal links liegen lassen. Diesen Umstand dauerhaft abzustellen, ist die zweite Baustelle für Chefcoach Don Jackson und wohl auch die weit anspruchsvollere Aufgabe, als im Tor zwischen Zepp und Nastiuk zu entscheiden. Sowohl Florian Busch als auch André Rankel taten sich an der Seite der beiden Ex-Augsburger schwer. Es gibt bereits Stimmen, die sagen, dass die Lösung des Problems womöglich lauten könnte, die „siamesischen Zwillinge“ zu trennen. Mal schauen, welche Lösung Jackson dafür findet. Endlich wieder einmal verletzungsfrei durch eine Saison zu kommen ist vermutlich erstes Ziel des Dänen Mads Christensen. Gelingt ihm das, kann der feine Techniker viel Spaß verbreiten. Als der grundsolide Mann als der er verpflichtet wurde, scheint sich Julian Talbot zu erweisen. Zudem punktete der 26-jährige Kanadier in der Vorbereitung auch noch konstant und erzielte den einen oder anderen wichtigen Treffer. Ob Peter John Lee mit Talbot wieder einen Volltreffer gelandet hat, wird sich aber erst im Alltag zeigen müssen. Die Fans der Eisbären nahmen es mit einigem Bedauern zur Kenntnis, dass der schwedische Proband Björn Svensson (25) keinen weiterführenden Vertrag erhielt. Denn er wusste in der Reihe mit den jungen Deutschen Laurin Braun (20) und Daniel Weiß (21) durch Spielwitz, gute Hände und flinke Kufen zu gefallen. Der DEL-Klub, der den talentierten Stürmer womöglich gedenkt unter Vertrag zu nehmen, täte jedenfalls einen guten Griff. Es war letztlich wohl eine Entscheidung Lees zugunsten der jungen deutschen Stürmer, welche aktuell bekanntlich nicht ohne weiteres per Förderlizenz in der 2. Liga spielen dürfen. Neben den beiden oben Genannten zählen zur Abteilung „Jugend forscht“ noch Patrick Pohl und Toni Ritter (beide 21). Ritter könnte für längere Zeit den von schweren Verletzungen gebeutelten Krefeld Pinguinen aushelfen. Hin und wieder DEL-Luft schnuppern zu dürfen hoffen zudem die Verteidiger Henry Haase, Thomas Supis und die Stürmer Vincent Schlenker sowie Roman Veber. Ihr Haupteinsatzort dürfte aber noch bei FASS Berlin in der Oberliga liegen. Die Luft dafür wird allerdings noch dünner, wenn Routinier Denis Pederson nach erfolgreicher Reha doch in den Kader zurückkehrt. Was ein Pederson allein durch seine Präsenz auf dem Eis wert ist, darüber gibt es wohl keine zwei Meinungen. An Leadern fehlt es den Eisbären bis dahin auf keinen Fall. Kapitän Stefan Ustorf und ein Sven Felski, der beweisen wollen wird, dass ein Wechsel hinter den Schreibtisch für ihn noch zu früh käme, werden die Jüngeren und Neuen im Team schon in die richtige Richtung lenken.
Die HAMSTERbet-Buchmacher sehen die Eisbären als Meisterschafts-Topfavorit. Trotzdem kann mit der Quote von 3,2 der Einsatz mehr als verdreifacht werden.