Stipendien, Eiskunstläufer und EishockeyspielerAuf einen EISTEE mit: Marcus Kuhl
Foto: Imago/nanopicsHerr Kuhl, Timo Pielmeier stand im Tor der Anaheim Ducks (NHL), danach beim EVL Landshut Eishockey in der DEL2 und wurde erst danach DEL-Goalie. Tobias Rieder und Leon Draisaitl haben einige NHL-Spiele in ihrer Vita, allerdings haben beide noch nicht im deutschen Seniorenbereich gespielt, ebenso Konrad Abeltshauser, der in der AHL aktiv ist. Muss man sich als talentierter deutscher Spieler in nordamerikanischen Juniorenligen ausbilden lassen, um eine Chance auf die NHL zu bekommen?
Ich denke, dass der Trend immer mehr in diese Richtung gehen wird, da es in Deutschland diesbezüglich derzeit keinen adäquaten Spielbetrieb für diese ambitionierten Spieler gibt. Ein Spieler wird sich immer zusammen mit seinen Beratern den für Ihn persönlich besten Weg zur Weiterentwicklung auswählen. Hier sind die nordamerikanischen Juniorenligen momentan absolut im Trend. Durch die Aufmerksamkeit und Attraktivität des Drafts wird die Begierde der Spieler noch um ein Vielfaches gesteigert. Ein weiterer Trend sind die College-Ligen, hier haben die Spieler die Möglichkeit, ihre schulischen und sportlichen Ziele weiterhin zu verfolgen, ohne Ihren Traum auf eine Karriere in der NHL aus den Augen zu verlieren. Über ein Stipendium können sie Ihren Traum von schulischer und sportlicher Ausbildung weiterhin wahr werden lassen. Ein Stipendium hat in diesem Fall eine Wertigkeit von bis zu 40.000 € jährlich .
Diese Trends sind aber nur möglich, weil wir in Deutschland bis heute nicht die passenden Voraussetzungen für einen ambitionierten Spielbetrieb, in dem die Spieler auf hohem Niveau gefordert werden, geschaffen haben .
Sobald unsere Spieler aus der DNL herausgewachsen sind, fallen Sie in Deutschland in ein Loch und haben hier keine geeignete Plattform, um sich weiterhin zu verbessern . Der Abstand zu den folgenden Ligen ist für den jungen Spieler in diesem Moment zu groß, er erhält nicht mehr die nötige Eiszeit und Möglichkeiten, um hier einen weiteren Sprung in seiner persönlichen Entwicklung zu vollziehen.
Man muss aber auch sagen, dass die von Ihnen genannten Spieler nur die Spitze des Eisbergs sind und die meisten Spieler nach Ihrer Zeit in Nordamerika wieder nach Deutschland zurück kehren. Das hängt damit zusammen, dass die Spieler meist zu früh und nicht optimal vorbereitet, getrieben von Ihren Beratern und Ihren eigenen Einschätzungen, nach Nordamerika wechseln.
Dort wird der Fokus schon in diesem Alter nicht mehr so stark auf die eigentliche Ausbildung gelegt, sondern man absolviert sehr viele Spiele (80 Spiele im Jahr) wobei hier die Zeit der körperlichen, technischen und taktischen sowie läuferischen Ausbildung bzw. Entwicklung zu kurz kommt, da man nicht mehr genügend Zeit hat dies in ausgiebigen Trainingseinheiten unter professioneller Anleitung zu trainieren. Man erwartet von den Spielern in vielerlei Hinsicht, dass sie gewisse Voraussetzungen bereits in diesem Alter im körperlichen und taktischen Bereich automatisch mitbringen.
Abschließend ist zu sagen, dass es für einen ambitionierten Spieler etwas ganz besonderes ist in eine nordamerikanische Juniorenliga wechseln zu können. Die Erfahrung und die Möglichkeit in Nordamerika zu spielen, sollte sich ein Spieler auf keinem Fall entgehen lassen solange er den Traum einmal in der NHL zu spielen in sich trägt .
Die Spieler sind natürlich wesentlich mehr im Fokus der Scouts und Spielerentwickler, wenn sie in einer Liga in Nordamerika spielen, als wenn sie in Deutschland in der DEL2 Ihr Glück versuchen .
Dies ist bestimmt auch ein wesentlicher Grund warum die Attraktivität der nordamerikanischen Ligen bei den Spielern so groß geschrieben wird.
Christian Ehrhoff, Marco Sturm, Thomas Greiss und Jochen Hecht z.B. sind aus der DEL in die NHL gewechselt, dies passiert immer seltener. Verliert die DEL ihre weltweite Beachtung?
Das glaube ich nicht! Diese Spieler waren bereit, als sie nach Nordamerika gewechselt sind. Mein Beispiel bleibt immer Dennis Seidenberg. Wenn ein Spieler im Kopf, mit seinem Körper und durch seine Spielweise bereit und in der Lage ist, das andere Hockey auf den kleineren Eisflächen zu adaptieren, dazu bereit ist, Rückschläge und Trades als weitere Herausforderung zu sehen, um noch härter zu arbeiten, ist jedes Alter bzw. jeder Zeitpunkt der Richtige.
Unsere Liga hat an Attraktivität, nicht zuletzt durch die hervorragende Infrastruktur der Arenen, meiner Meinung nach, dazu gewonnen. Dies zeigt auch, dass fast an jedem Spieltag Scouts aus Nordamerika anwesend sind und unsere Spieler sehr genau beobachten.
Als aktuelle Beispiele beweisen Matthias Plachta und Sinan Akdag, dass der Fokus der Scouts auch auf die DEL gerichtet ist, um talentierte Spieler eventuell auch später nach Nordamerika zu holen. David Wolf war ebenfalls ein Spieler, der, obwohl er nicht gedraftet wurde, erst spät nach Nordamerika wechselte, die Herausforderung annahm und seinen Traum, in der NHL zu spielen, wahr machte .
Ist die deutsche Nationalmannschaft schlechter geworden und darum abgefallen, oder haben andere Nationen einen besseren Job gemacht und die deutsche Mannschaft darum überholt?
Ich glaube die Wahrheit liegt in der Mitte. Ohne Zweifel haben wir in den letzten Jahren in der Nachwuchsarbeit stagniert. Man muss sich nur die Ergebnisse der Nachwuchsmannschaften ansehen um zu erkennen, dass uns hier andere Länder voraus sind. Wir brauchen gar nicht so weit schauen, um zu sehen, dass in der Schweiz seit vielen Jahren alle Vereine an einem Strang ziehen und durch ein durchgängiges, einheitliches Nachwuchskonzept Spieler von klein auf und in allen Altersklassen hervorragend ausgebildet werden .
Wenn ich sehe, dass es in Finnland bei 6 Millionen Einwohnern 256 Eishallen gibt und in Deutschland bis 85 Millionen 201 Eishallen – Finnland schon zweimal Weltmeister war – komme ich zu dem Ergebnis , dass unsere Nachwuchsarbeit insgesamt und speziell hierzu im Vergleich, nicht optimal aufgestellt ist.
Die Jungadler dominieren die DNL. Manche sagen, Sie bilden gut aus, manchesagen Sie holen sich die besten Jugendspieler und dominieren daher. Wo liegt die Wahrheit?
Diese Leute betrachten das Jungadler Projekt sehr oberflächig .
Die DNL-Mannschaft der Jungadler ist lediglich das Premiumprodukt unserer Nachwuchsarbeit. Wir sind aus den beiden aufgeführten Gründen federführend. Wir bilden sehr gut aus und die auswärtigen Spieler machen in der kurzen Zeit in der sie bei uns sind eine enorme Entwicklung durch. Die regelmäßigen Trainingseinheiten, die Qualität der Trainer (On Ice & Off Ice), die Tatsache , dass wir darauf achten, immer einen ausgewogenen Spielbetrieb in Form von zusätzlichen, auch internationalen Turnieren zur Verfügung zu stellen, ergibt ein weiteres Plus in der Entwicklung der Spieler, die sich für die Jungadler entschieden haben .
Die eigentliche Jungadler-Nachwuchsarbeit beginnt bei uns aber in den Laufschulen, bei denen wir in der Metropolregion sehr aktiv sind. Ein Großteil unserer Nachwuchsarbeit besteht aus dem U10 Projekt. Hier haben wir in der Region etliche Laufschulen und arbeiten intensiv mit Kindergärten und Schulen zusammen. Über Shuttle Service werden die Kinder zu den Laufschulen gebracht und wir rekrutieren aus diesem Potential unsere Nachwuchsspieler. Allein im letzten Jahr haben wir über 4.000 Kinder regelmäßig aufs Eis gebracht.
Erweitert wird nun in den nächsten Jahren das Programm hinsichtlich der Laufschultrainer. Da bei den Kindergärten 50 % Mädchen mit am Start sind, werden wir ebenfalls Laufschultrainer aus dem Bereich Eiskunstlauf mit auf dem Eis haben. Somit kann jeder für seine spezifische Sportart geeignete Talente heraus filtern und wir haben optimale Voraussetzungen, die es den Kindern ermöglicht das Schlittschuhlaufen schnell und korrekt aus erster Hand zu erlernen .
Nur wenige Eishockeybegeisterte in Deutschland wissen leider nur ansatzweise welchen Umfang unser Jungadler-Konzept im Grunde darstellt .
Natürlich darf man nicht vergessen, dass ohne die finanzielle Hilfe von Daniel und Dietmar Hopp ein solches Konzept in diesem Ausmaß niemals möglich wäre. Das komplette Konzept hier zu erläutern, würde den Rahmen dieses Interviews bei weitem sprengen.
Die Adler und die Jugendspieler müssen einen Spagat schaffen zwischen sportlicher Ausbildung und Erfolg und einer qualifizierten Schulausbildung. Wie bringen Sie und ihre jungen Spieler dieses zusammen?
Der große Vorteil unseres Projekts ist die Zusammenarbeit mit der Schule und den hierzu gehörenden Lehrern. Durch etwaige Nachhilfestunden und die Freistellung zu Trainingseinheiten haben wir hier in Mannheim etwas ganz besonderes und einmaliges geschaffen, welches den Spielern die Möglichkeit gibt beide Dinge professionell zu vereinen .
Wir sind stolz darauf, dass wir über die Jahre -das Jungadler Projekt besteht seit 1999- alle Schüler, trotz der hohen Trainingsintensität, zu einem erfolgreichen Schulabschluss gebracht haben .
Sie selber waren für den Kölner EC und den MERC aktiv. Was hat sich seit Ihrer Jugendzeit in der Nachwuchsausbildung verändert?
Im Grunde hat sich über die Jahre sehr vieles zum Positiven verändert. Die Zeit, in der ich aktiv gespielt habe kann man mit der heutigen Zeit im Nachwuchsbereich nicht mehr vergleichen. Es ist bei weitem professioneller und auch besser geworden .
Was würden Sie verändern um das deutsche Eishockey mittelfristig erfolgreicher zu machen?
Hier hat der DEB ja schon die ersten Schritte in Form des „Powerplay 26“ eingeleitet. Ich denke jeder weiß mittlerweile, dass wir alle etwas tun müssen, um das Deutsche Eishockey auch in Zukunft dort zu sehen und zu positionieren, wo wir es uns alle wünschen.
Zunächst einmal helfen kurz- und mittelfristige Initiativen. Nachwuchskonzeptionen müssen in der Zukunft jedoch auch langfristig angelegt werden. Um kurz- bzw. mittelfristig etwas zu ändern würde ich trotzdem drei Vorschläge machen:
Kurzfristig :
Wenn ein Land wie Deutschland zunächst wenige Nachwuchsspieler vorweisen kann, gäbe es die Möglichkeit, eine U20-Nationalmannschaft an einem Ort zu installieren und diese außer Konkurrenz in der DEL2 spielen zu lassen. Somit hätte man die Möglichkeit, durch ein professionelles Trainerteam die U20-Spieler über ein ganzes Jahr intensiv auf eine WM vorzubereiten. Analog dazu könnte man ein weiteres Team U19 in der Oberliga installieren.
Als aktuelles Beispiel nehme ich hier die Slowakei, die dieses Konzept schon seit längerer Zeit praktiziert und somit immer ein eingespieltes Team zur WM senden kann.
Mittelfristig :
Weitere Stützpunkte, analog zu dem Jungadler Konzept in Deutschland, wäre ein zusätzlicher Punkt, der uns kurz- und mittelfristig nach vorne bringen würde .
Sicherlich ist dies alles auch mit den notwendigen finanziellen Mitteln verbunden. Die DEL und DEL2 sollten hier gemeinsam mit Sponsoren an einem Strang ziehen und konzeptionell regional und überregional etwas ausarbeiten und über die nächsten Jahre intensiv und gemeinsam fördern.
Langfristig :
Eine deutschlandweite Initiative „Deutschland geht aufs Eis“ analog zu unserem Konzept mit den Kindergärten und Schulen, hiermit würde man eine größere Basis von Laufschulen in Deutschland schaffen. Auf diese Art und Weise hätten wir mehr Quantität, welche zwangsläufig nach Jahren mehr Qualität zum Vorschein bringen wird.
Ich bin fest davon überzeugt, dass mit Franz Reindl, Daniel Hopp und Berthold Wipfler hier die richtigen Leute am Ruder sind, die bestimmt die nächsten Jahre einiges in diese und weitere Richtungen bewegen werden.
Herr Kuhl, vielen Dank für Ihre Zeit!