Stéphane Richer: Saison war eine Achterbahnfahrt
So hatte er sich seine erste Saison als Headcoach sicherlich nicht vorgestellt
gehabt. Stéphane Richer hatte zu kämpfen mit seinem Team, stand manchmal an
der Bande und konnte sich nur noch wundern. Immer wieder motivierte er,
versuchte Verschiedenes, haute auf den Tisch, setzte Zeichen und konnte zum
Schluss hin einigermaßen aufamten: Zu den Playoffs kapierten die Cracks, was
Sache ist und lieferten einen großen Kampf. Hockeyweb wollte von Richer wissen,
was er zu den einzelnen Spieler der Saison zu sagen hat und wie er sich die neue
Spielzeit vorstellt. Das Gespräch im Mannheimer Cafe Journal richtet sich nicht
nach der Aufstellung, noch nicht einmal nach der Position. Man unterhält sich,
kommt von einem auf den anderen.
Steve Kelly ist als erster dran: Kelly, an dem sich auch Richers Vorgänger de
Raaf die Zähne ein Stückweit ausgebissen hat. Ein Mann, der fernab vom Eis ein
angenehmer Zeitgenosse ist, der zum Ende hin kapierte, was es bedeutet in
Mannheim zu spielen, der aber mit der völlig falschen Einstellung
offensichtlich nach Europa kam. "Ich hatte eine verdammt harte Zeit mit
ihm", räumt Richer ein, "aber zum Schluss hin hat er sich geöffnet."
Ob er bleibt? Richer weiß es noch nicht, man überlegt hin und her, wägt das
Positive gegen das Negative ab. Tatsache ist allerdings, dass Kelly versichert
hat, er wolle sich ändern, er nähme die Liga nun ernst und er wolle sich
einsetzen. Gleichwohl, das Sorgenkind des Teams ist noch lange nicht sicher in
der Adler-Montur.
Bei Andy Delmore ist es Richer ganz klar: "Er hat überhaupt nicht das
gebracht, was wir von ihm erwartet hatten. Wir dachten, er wäre ein Top
Mann, aber er selbst und seine Leistungen waren schwer zu verstehen und zu
durchschauen." Auch Eric Healey bekommt nicht eben Bestnoten: Klar, sagt
Richer, er wäre schon ein guter Spieler, aber kein begnadeter Eisläufer und
das habe ihm auf der größeren Fläche geschadet. In den Playoffs habe er
allerdings fürs Team gespielt.
Sven Butenschön ist einer, den der Trainer gegen Kritik in Schutz nimmt. Das
sei ein Spieler, der sich wirklich Gedanken mache, der sich selber über
schlechte Leistungen am meisten ärgere. "Er hat in jedem Training 120
Prozent gegeben und er war in den Playoffs einer der Wichtigsten überhaupt",
sagt Richer. Er vertraute ihm, auch in Unterzahl und er hoffe, dass Butenschön
bleibe. "Jetzt ist er dran gewöhnt an die Eisfläche und die Liga, er kann
uns sehr helfen. Auch in der Kabine sei er äußerst angenehm. Auch Yannick
Tremblay ist einer von Richers Favoriten. Der habe sich immer reingekniet, habe
jedes freiwillige Training mitgemacht, sei eine angenehme Person und habe
versprochen, dass in Europa Mannheim seine Wahl sei. Allerdings hofft er auf
eine Beschäftigung in Übersee.
Chris Joseph hatte Richers Meinung nach "ein hartes Jahr". In der
Kabine sei er wichtig gewesen, spielerisch allerdings nicht mehr auf der Höhe,
vermutlich werde er seine Karriere beenden. Was der Coach ihm hoch anrechnet:
Selbst, wenn Joseph nicht eingesetzt wurde, habe er seine positive Einstellung
behalten und den anderen geholfen. Jason Podollan "hatte viele ups and
downs in dieser Saison", sagt Richer. Er habe ihm eine defensivere Rolle
gegeben und Jason hätte sich auch daran gehalten. Podollan sei sehr angenehm im
Mannschaftsgefüge gewesen.
Sascha Goc habe einfach ein furchtbares Jahr gehabt mit einer spielerischen Schwäche,
mit Krankheiten. Nun sei er über den Berg. Richer schätzt an Goc sein großes
Talent und seinen Charakter. "Er hat noch einen Vertrag und wir planen mit
ihm." Jochen Hecht ist derjenige, der Richer besonders überrascht hat. Er
habe natürlich um die spielerischen Qualitäten Hechts gewusst, sagt Richer,
aber er wäre so gut gewesen, dass er ihn für den Besten in der gesamten Liga hält,
vor allem, weil er so kontinuierlich gut gewesen sei. Dazu auch noch
charakterstark und vom Auftreten als Kapitän der Adler einwandfrei. Hecht sei
einfach nur großartig.
Rene Corbet "war das Herz und die Seele des Teams", lobt Richer. Das
zweite Spiel gegen Nürnberg "war das beste, was ich jemals von Rene
gesehen habe". Er habe aber auch vorher immer alles gegeben, sei ein
Beispiel für alle gewesen. Und könnte auch in der kommenden Saison diese Rolle
übernehmen, meint der Trainer, "Rene passt auf sich und seinen Körper
auf, ein Idealsportler".
Dass Devin Edgerton eine gute Saison hatte, das freut Richer besonders. "Er
hat unglaublich gekämpft und sich eingesetzt." Um Corbet und Edgerton will
er in der kommenden Spielzeit die Mannschaft aufbauen. Derek Plante habe schwer
gearbeitet, sei außerdem ein netter Mensch, aber sein Zenit sei nach der Rückenoperation
überschritten gewesen. Obwohl er in dieser Saison besser als in der
vorhergegangenen gespielt habe, wäre eine Weiterbeschäftigung bei den Adlern
nicht in Frage gekommen.
"Frankie Groleau hat fünf gute Jahre hier gespielt", sagt Richer, er
habe "einen großartigen Job geleistet und er wäre mit ganzem Herzen Adler
gewesen". Die Entscheidung gegen Groleau sei im Team gefallen. Mit
entscheidend war, dass man offensiv ausgerichtetere Verteidiger gewollt hätte.
Für Richer eine besonders harte Entscheidung: "Ich bin mit den Groleaus
befreundet."
Michael Bakos hat in Richers Augen "einen riesigen Schritt auf der Karriereleiter
gemacht in der vergangenen Spielzeit." Er gehöre inzwischen zu
den deutschen Top Spielern in der Liga. Außerdem sei Baki einfach ein
Riesentyp, "so jemanden will jedes Team haben". Nico Pyka "tut
alles für sein Team, er ist gut auf dem Eis und er ist gut in der Kabine",
lobt der Coach. Pyka vermittle auch zwischen den Deutschen und den Ausländern,
fungiere als wichtiger Vermittler.
John Tripp sieht Richer als eindeutigen Gewinn für das Team. Er hätte am
Anfang allerdings sehr viele Schwierigkeiten mit der Liga und der Eisfläche gehabt.
"Aber er sorgt sich ums Team, er setzt sich ein, er ist ausgesprochen
angenehm im Umgang mit den jungen Deutschen, er versucht, Deutsch zu lernen und
er ist einer, den wir gut gebrauchen können." Tripp gehöre zu jenen, die
kapiert hätten, was es bedeutet für Mannheim zu spielen.
Vitalij Aab ist Richer zu schüchtern. "Er ist still und zurückhaltend und
so spielt er auch." Was nichts mit Talent zu tun habe, darüber verfüge
der Spieler in hohem Maße, er müsse es allerdings auch abrufen. Thomas
Greilinger müsse auf seine Kondition und seinen Lebensstil achten, sagt Richer.
Er sei von Verletzungen geplagt gewesen, deshalb könne man nur bedingt über
ihn urteilen, er verdiene also jede Chance, allerdings nur,
wenn er topfit aus dem Sommer zurückkäme.
Zu den Jungen im Team zählt der Headcoach auch Christoph Ullmann, obwohl der ja
eigentlich schon etabliert sei. "Er ist ungemein wichtig für uns, er hat
jede Menge Talent und er kann kämpfen." Markus Kink lobt der Trainer
ebenfalls in den höchsten Tönen: "Ein toller Spieler", er arbeite
sehr hart, er sei angenehm in der Kabine, er werde sich immer weiter entwickeln.
Richer erwartet Großes von Kink. Fabio Carciola habe eine große Zukunft vor
sich, da ist Richer sicher. Er sei vielfältig einsetzbar, engagiert und ein
Riesentalent. Man dürfe gespannt darauf sein, wie Fabio nach dem Sommer zurückkehre.
Dass er den Jungen so viel Vertrauen entgegengebracht habe, sei mehr als
gerechtfertigt gewesen, sagt Richer, "sie haben es zurückgegeben".
Sachar Blank ist für den Trainer bereit, in der DEL zum Stammspieler zu werden.
Ein großartiges Jahr habe er gehabt, befindet Richer. Marco Schütz habe wie
David Cespiva Riesenschritte nach vorne gemacht, auf die Beiden werde man bauen
können in der Zukunft. Besonders mag er auch Philipp Schlager, "er bringt
Energie ins Team". Schlager wird für Bietigheim antreten in der kommenden
Saison, aber er hat noch eine Förderlizenz der Adler.
Andre Schietzold, Stefan Langwieder und Thomas Pielmeier, die drei Jungadler,
die jetzt flügge geworden sind, haben den Trainer ebenfalls
überzeugen können bei ihren Einsätzen. "Ja, ich werde ihnen Chancen
geben", sagt er, wie er überhaupt mit der Jugend planen möchte. Gleich
zwei Junge sollen hinter Torwart Nummer eins, der, sagt Richer, auch ein Europäer
sein könnte, den Kasten sauber halten sollen. Zum einen Danny
aus den Birken, der in Heibronn sehr gut gespielt habe, der zudem ein sehr
angenehmer Mensch sei und Patrick Ehelechner, der aus Übersee zurückkommt und
dem Richer ebenfalls vertraut: "Diese Beiden können durchaus eine gute
Rolle hinter der Nummer eins in unserem Tor spielen", sagt Richer, Lückenbüßer
seien sie keinesfalls. Außerdem sollen sie in Heilbronn eintreten, um
Spielpraxis zu erhalten.
Apropos Torleute: Cristobal Huet würde Richer natürlich am liebsten behalten.
Der sei ein Weltklassegoalie, einer von der besten Sorte und zudem
noch ein ausgesprochen sympathischer Mann. Richer versteht, dass es Huet in die
NHL zieht, aber träumen von einem erneuten Einsatz Huets bei den Adlern kann
man vielleicht, wenn nicht jetzt, dann eventuell in absehbarer Zeit. Steve
Passmore sei eine Persönlichkeit gewesen, die Stimmung in die Kabine gebracht
habe, meint der Coach, und gespielt habe er auch ordentlich. Was bringt die
Zukunft? Zum einen Andy Roach, der zurückkehrt und bei dem Richer vor allem
sein offensives Spiel und seine große Erfahrung schätzt. Außerdem war er
schon mal ein Adler, er bringe also das richtige Gefühl mit.
Ronny Arendt hält Richer für einen Mann voller Energie, Einsatz und Charakter.
Auch Christoph Schubert bestätigt er unbedingten Einsatzwillen und Emotionen.
Shawn Carter scheine ebenfalls ins Team zu passen, "und er will unbedingt
Meister werden". Er könne hier eine gute Rolle spielen, verfüge zudem über
große Persönlichkeit. Jeff Shantz sei ein großer Allrounder, ein
Penalty-Killer und eine gute Persönlichkeit.
Bei diesem Gespräch fällt ein Wort häufig: Charakter. Denn eines ist Richer
absolut klar: "Wenn die Chemie nicht stimmt, hast Du keinen Erfolg."
Der Teamspirit sei ungemein wichtig und genau den will er in seiner neuen
Mannschaft. Das müsse funktionieren wie bei einem Rad, eine Speiche griffe in
die andere, wenn zu viele rausfielen, könnte das alles nicht mehr
funktionieren.
An der Bande wird er der Headcoach bleiben. Mike Rosati verlässt Mannheim, er
hat ein Angebot für eine Hockeyschule ganz in der Nähe seines Wohnortes in
Kanada, erzählt Richer. Als Cotrainer bleibt Anders Olsson, der früher bei den
Jungadlern arbeitete. "Von ihm bekomme ich wichtige Impulse", sagt
Richer, "er kennt das europäische Eishockey, ich das kanadische, das ist
eine gute Mischung".
In der kommenden Saison hofft er auf ruhiges Gewässer, kann auf die
Achterbahnfahrten gut verzichten. Er spricht mit allen Cracks regelmäßig,
auch mit den Neuen. Die Entscheidungen übers Team werden zu dritt getroffen:
Von Sportmanager Marcus Kuhl, Gesellschafter Daniel Hopp und Trainer Stephane
Richer. Anders Olsson wird auch verstärkt als europäischer Scout fungieren,
zudem hat man einen nordamerikanischen Fachmann in Übersee. Alles werde zwar
immer professioneller, sagt Richer, aber eines bleibe immer: "Das ist hier
wie eine große Familie, da streitet man sich auch hin und wieder, das ist
normal, aber letztendlich ziehen alle an einem Strang, die Fans, die
Organisation und auch die Spieler."
(Angelika von Bülow - Foto: City-Press)