Stephane Richer: "Ich erwarte hundert Prozent von jedem"
Die Kerzen flackern, es duftet nach Kaffee, Gans und Tannengrün, das Cafe Journal am Mannheimer Marktplatz verströmt gemütliche Atmosphäre. So ganz und gar vorweihnachtlich ist Stephane Richer allerdings nicht zumute, als er über seine Ziele und das Team redet. Friede, Freude, Eierkuchen sind seine Sache nicht, er möchte etwas erreichen und das strebt er Schritt für Schritt an. Zudem fühlt er sich derzeit "ein wenig verletzt" von dem, was in Mannheim so geschieht. "Wir müssen doch alle zusammenhalten, wenn wir weiterkommen wollen", sagt er, fügt aber im gleichen Atemzug hinzu: "Aber ich kann die Fans und überhaupt alle Kritiker verstehen."
Es war beim Spiel gegen Augsburg, da schwiegen die Anhänger lange, hatten sich die Aktion auf die Fahnen geschrieben. Richer kann den Frust begreifen, es sei ja erst nicht seit heute so, dass die Anhänger enttäuscht würden, räumt er ein, aber er hofft trotzdem auf ihre Unterstützung, denn "ich werde alles tun für Mannheim, wir müssen aus dieser Krise kommen". Stephane Richer glaubt man diese Worte, wenn er von Leidenschaft redet, sind das keine Lippenbekenntnisse, er will sich einsetzen, will das Team nach vorne bringen, streng sein, hart durchgreifen, selbst, wenn ihm das manchmal schwer fällt. Aber, wer nicht gut spielt, der sitzt und damit basta.
"Du gewinnst nie eine Meisterschaft auf dem Papier", sagt er und weist daraufhin, dass auch andere, die vom Lockout der NHL profitiert haben mit
Klassespielern, Erwartungen nicht unbedingt erfüllen. Er geht weniger nach der Papierform seiner Jungs als nach anderen Kriterien. Wie Disziplin und Respekt. Beides erwartet er, beides ist für ihn entscheidend für eine gute Zusammenarbeit. Unbeständig und undiszipliniert habe man viel zu oft
gespielt, fügt er an und auch, dass selbst die ersten gewonnenen Matches ja nicht wirklich gut gewesen seien auf allen Positionen: "Huet hat uns die
meisten dieser Spiele gewonnen." Aber man mache Fortschritte, das bitte er auch zu bedenken. Gegen Krefeld habe die Mannschaft 16 Strafminuten kassiert, gegen Frankfurt ("aber das ist ein Derby") 28, gegen Augsburg 14. Und ein Steve Kelly habe richtig eingesteckt, ohne auszuteilen, auch das müsse man sehen. Apropos Kelly: Als die Cracks nach dem Augsburg-Spiel nicht wussten, ob sie nochmal rauskommen sollten zur Ehrenrunde, ob sie von den schweigenden Fans überhaupt erwünscht wären, da sei es Kelly gewesen, der aufstand und sagte: "Kommt, guys, da draußen warten kids auf uns." Und der vorweg marschiert sei aufs Eis.
Für ihn als Trainer ist das System noch nicht mal das Wichtigste für den Erfolg, das müsse irgendwie passen, ganz klar, wichtiger noch sei, dass man jeden einzelnen Spieler kenne. Psychologisch sei das so entscheidend. Da gibt es große Kerle, die ganz butterweich sind und ihren Frust wie die Sensibelchen vor sich hertragen und die harten Jungs, die auch mal mehr wegstecken könnten. Keinesfalls dürfe man meinen, alle gleich behandeln zu können. Hart, aber fair wolle er sein und das Gespräch suchen mit jedem einzelnen. Zu seiner Seite steht Mike Rosati, der von jedem gemocht würde und den "good guy" blendend verkörpere, "es ist großartig, mit Rosy zu arbeiten", sagt Richer. Beim ersten Treffen als Coach habe er dem Team gesagt: "Ich bin derselbe Richer wie vorher, aber ich arbeite jetzt als Headcoach und ich erwarte Respekt. Ich bringe Euch auch Respekt entgegen." Respekt fordert er übrigens auch für die Fans, die das verdient hätten. Stephane Richer hofft, dass man sich den Respekt der Anhänger wieder verdient, "das muss ganz eindeutig von den Spielern kommen", betont er, "unsere Fans ziehen dann mit, sie sind großartig".
Er möchte schnelles Eishockey spielen, sagt der Trainer, aber dafür fehle es derzeit an Kondition. Nun müssen sie rennen, die schnellen Jungs, die
noch viel schneller werden sollen. Es wird trainiert, Richer schiebt Sondereinheiten ein, täglich müsse es besser werden. Und er will ganz klare
Anweisungen geben, nur so könne das System funktionieren: "Man kann ja über Hans Zach sagen was man will, er spielt sicherlich das einfachste System der Welt, aber er hat Erfolg damit, weil er ganz klare Anweisungen gibt und wer denen nicht folgt, bekommt ein Problem." So will er es auch halten, nach dem Spiel sei es dann aber auch wieder gut, jeder bekäme von Tag zu Tag seine Chance. Ihm schweben auch einige feste Kombinationen in den Reihen vor. Jochen Hecht soll mit Ullmann spielen, Edgerton, Podollan und Corbet bleiben wohl zusammen, Carciola hat Kelly und Healey zur Seite. Carciola sei Klasse, bescheinigt Richer dem Youngster, der risse mit seinem Einsatz auch die Älteren mit. Wie er überhaupt den Jungen im Team, von Kink bis Ullmann, viel Einsatz und Willen bescheinigt.
Die Älteren müssten dringend und schnell lernen, dass in Deutschland jedes Wochenende wie ein Turnier sein. Nicht wie in Übersee, wo man auch mal drei oder vier Spiele in Folge verlieren könnte, ohne dass das weitreichende Folgen hätte. "Das geht so nicht", sagt Richer, "sie müssen kapieren, dass jedes Spiel zählt, wirklich jedes". Zumal in einer Liga, die so eng ist, dass jeder Verlust bedeuten kann letztendlich aus den Playoff Plätzen zu fliegen. Und die Playoffs, die seien für Mannheim ja wohl eine Selbstverständlichkeit. Klar, er würde persönlich mit der Mannschaft gerne unter den ersten vier landen, aber im Moment wolle man lieber nicht zu hoch greifen. Ob die NHL wieder anfängt? Richer weiß es nicht, es stünde wohl 50 zu 50. Sollte es über dem großen Teich losgehen, dann wird er auf der Torwartposition erstmal auf Passmore und aus den Birken setzen. Der Youngster spiele großartig in Heilbronn, er traut ihm viel zu, sagt der Trainer.
Sehnsüchtig wünscht er sich die Rückkehr von Michael Bakos und Francois Groleau, von zwei Spielern, die immer alles geben würden. Groleau sei der beste Verteidiger gewesen vor seiner Verletzung, Bakos' Entwicklung habe er mit großer Freude verfolgt, er habe sich immer mehr gesteigert. Richer hofft, dass es nach der Verletzung weiter aufwärts gehen möge mit Bakos, der zu allen sportlichen Qualitäten auch noch ein großartiger Mensch sei. Wie Groleau, der in der Kabine eine gute Rolle spiele und im Einsatz immer als Vorbild gelten könne. Manche meinen, Stephane Richer hätte von vorneherein den Posten eines Headcoaches angestrebt in Mannheim, stimmt das? Er schüttelt nur den Kopf, nein das stimme nicht. Es sei ihm nicht leicht gefallen, sich zu entscheiden zwischen Frankfurt und Mannheim, aber "wenn du sieben Jahre in Mannheim
warst und vier Meisterschaften hier gewonnen hast, das vergisst du einfach nicht. Mit dem Herzen war ich immer hier. Ich wollte damals nicht gehen, aber im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass das für meine Karriere nur gut war". Von Lance Nethery habe er viel gelernt, von Rich Chernomaz und auch von Helmut de Raaf, "was Helmut alles weiß, ist unglaublich". Eigentlich habe er die Saison als Co Trainer weiterlernen wollen, aber nun habe sich das anders entwickelt, "und ich fühle mich der Herausforderung gewachsen". Er habe allerdings selber gesagt, dass er bei einem eventuellen Scheitern als Co-Trainer weitermachen würde.
Doch an Scheitern will er nicht denken. Er bemüht sich jeden Tag ein Stück weiterzukommen mit dem Team, er will die Richtung vorgeben, Erfolge
erzielen und damit den Spaß zurückholen. Für die Spieler, aber auch für die Fans. (Angelika von Bülow - Foto: City-Press)