Stefan Ustorf – „Hooligan!“
Am Dienstag
vergangener Woche errang er mit seinen Eisbären nach einer vor allem für ihn
tollen ersten Saison in Berlin die Deutsche Meisterschaft. Lädiert, aber glücklich
feierte Stefan Ustorf mit seinen Kollegen den ersten gesamtdeutschen Titel in
der Vereinsgeschichte der Hauptstädter.
Neben weiteren Cracks im Team von Coach Pierre Pagé schreibt man dem gebürtigen
Kaufbeurer einen besonderen Anteil am Titelgewinn zu. Sein Charakter habe dem
Team viel Positives gegeben, heißt es rund um das Hohenschönhauser Sportforum.
Dass Ustorf aber in sehr kurzer Zeit nicht nur zu einem der Teamleader beim
Meister wurde, sondern im Wellblechpalast gar zum Publikumsliebling avancierte,
war so selbstverständlich nicht. Er selbst sagte laut einer Berliner
Tageszeitung noch während der Meisterfeierlichkeiten: „Wer hätte das mal
gedacht, dass ich als Eisbär mit dem Meisterpokal in Händen über den Kurfürstendamm
fahre?“.
Und in der Tat, es war nur schwer vorhersehbar, dass gerade Ustorf diesen
Schritt nach Ostberlin wagen könnte, den die meisten gestandenen deutschen
Profis bisher scheuten. Für gewöhnlich tragen die Lüdemanns, Kreutzers oder
Goc´s die Trikots der Kölner Haie, der DEG oder der Adler Mannheim. Der Jubel
unter den Eisbärenfans hielt sich jedoch in engen Grenzen, als die
Verpflichtung des Kaufbeurers publik wurde. Warum? Nun, nicht nur, dass sich
Vater Peter Ustorf in den 90igern als Trainer und Manager des Lokalrivalen aus
Charlottenburg wenig Freunde in Hohenschönhausen machte, auch die für Ustorf
jun. unglücklich verlaufene letzte Saison schwang in der Argumentation der
Bedenkenträger gehörig mit. Charakterliche Defizite, Abzockermentalität,
Verletzungsanfälligkeit und dass er über den „berühmten“ Zenit hinaus sei
unterstellte man Ustorf. Sein von ungeklärten Umständen begleiteter Rauswurf
in Mannheim und das von Verletzungen geprägte Kurzgastspiel in Krefeld
lieferten die Nahrung für solche Auffassungen.
Doch Stefan Ustorf ließ sich von all dem nicht beirren. Er gab die ausstehenden
Antworten auf dem Eis. Mit seiner Art Eishockey zu spielen kämpfte er sich in
die Herzen der Fans. Wenn es hieß, sich kurz vor Spielschluss noch mal richtig
ins Zeug zu legen und alles zu geben, ging meist der Spieler mit der Nummer 14
vorweg. Das gängige Szenario sah dann bald so aus: Berlin-Hohenschönhausen,
Wellblechpalast, Heimspiel des EHC Eisbären. Stadionsprecher Uwe Schumann gibt
die Mannschaftsaufstellung des Heimteams bekannt. Wie anderswo auch üblich,
muss er nur die Vornamen der Akteure ins Mikrophon rufen, die Nachnamen werden
vom Chor der Fans ergänzt: „Nummer 14, Stefan ....“ -
„Ustorf - Hooligan!“ schallte es prompt vieltausendfach von den
Rängen. Ein für Wellblechpalast-Erstbesucher leicht irritierendes Ritual, das
sich aber sowohl bei den Fans als auch beim so Bedachten zunehmender Beliebtheit
erfreute. Ustorf war fortan nicht nur angenommen, sondern vor allem angekommen.
Neben den Fans der Eisbären hält natürlich auch Coach Pierre Pagé große Stücke
auf „Usti“. Nach einem der letzten Heimspiele in der Punkterunde wurde der
Kanadier von Journalisten gefragt, ob er denn schon feste Reihen für die
Playoffs im Auge hätte. Der Trainer zählte daraufhin verschiedene
Kombinationen auf. Erstaunlicherweise nannte er in jeder den Namen des
Kaufbeurer Blondschopfs. Pagé hielt darauf kurz inne und lächelte verschmitzt,
so als sei ihm gerade aufgegangen, dass er Ustorf dazu hätte klonen lassen müssen.
Kann man es noch deutlicher machen? So also erklärt sich Ustorfs Beiname
„Hooligan“, dem normalerweise schwerlich eine positive Bedeutung zuzuweisen
ist. Er zeugt längst vom Respekt der Fans vor der Leistung des allürenfreien
Stürmers, vor allem aber vor dessen professionellen Einstellung und nimmermüden
Einsatz.
Zu viel des Positiven wird manch einer nun sagen, allen voran der so Gelobte
selbst. Nichts desto weniger bleibt festzustellen: Stefan Ustorf hat bereits
jetzt in vielfacher Hinsicht Spuren bei den Eisbären hinterlassen. Als
Sportler, aber nicht zuletzt als Persönlichkeit. - Wollte jemand eine
Dokumentaion über den Nationalmannschaftskapitän auf Zelluloid bannen, als
musikalische Untermalung böte sich ohne weiteres Frank Sinatras „I did it my
way“ an.
(mac/ovk - Foto:
City-Press)