Standhockey und müde Fans
Klare Worte bei den AdlernAlso, erstmal: Die Mannheimer Adler haben gewonnen, mit 3:1. Bedanken bedürfen sie sich
in erster Linie beim Iseerlohner Etz, der für fünf Minuten rausflog, beim
Schiedsrichter, der ein Tor gab, obwohl vorher abgepfiffen worden war und
bei Christobal Huet, der Klasse hielt. Ansonsten: Wie gehabt, gähnende
Langeweile, die Adler bisweilen bemüht, aber man weiß ja, was das heißt,
wenn es in einem Zeugnis steht. Die Fans, die ruhig geblieben waren - und
das nun wirklich nicht im Sinne von "stumm vor Glück", schrien ein wenig im
dritten Drittel. "Wie können sie das nur bei dem gräßlichen Spiel", fragte
sich der eine oder die andere. Fan Jan hatte die Lösung: "Wenn man 13 Euro
gezahlt hat, und sich zwei Drittel diesen Schrott angeschaut hat, dann will
man wenigstens so tun, als wäre es schön." Was nicht alle wollten, nach
Spielende hörte man vor allem Aussagen wie "Standhockey" , oder
"das war peinlich" und "wenn Iserlohn ein wenig besser gewesen wäre, die
hätten uns vorgeführt." Steffi, die seit Jahren zum Eishockey geht und
eigentlich begeisterter Fan ist: "Das tut so weh, was die in zwei
Jahren kaputt gemacht haben. Man hat gar keine Lust mehr hinzugehen, wenn
ich jetzt komme, dann nur wegen der Leute, die ich hier treffe. Ich habe
kürzlich Steve Junker gesehen, der hat sich Zeit für uns genommen. Ich
hätte hier gerne wieder Leute wie ihn, Ron Pasco, Mike Stevens oder Wayne
Hynes spielen, die haben sich noch eingesetzt." Ron Pasco übrigens versäumte
das Spiel, das er sich eigentlich hatte ansehen wollen, der Glückliche zog
ein Essen mit seinen ehemaligen Mannheimer Vermiertern vor.
Über das Spiel selbst gibt es nicht viel zu sagen, die Zeit zog sich, die
Iserlohner waren wendig und pfeilschnell, während die Mannheimer, die
meisten körperlich kompakter als ihre Gegner, mit schweren Füßen gesegnet zu
sein schienen. Sie erspielten einige Chancen, verwandelten wenige, was
natürlich auch am guten Kotschnew im Roosters-Gehäuse lag. Das Spiel der
Adler gegen einen Gegner wie Frankfurt, man hätte vermutlich Hackfleisch aus
ihnen gemacht. Wohltuend fielen mal wieder Rene Corbet und Jochen Hecht auf,
und natürlich die Jungen wie Blank, Carciola und Kink, die das 1:0
wunderschön herausspielten. Das brachte ihnen auch Lob ein vom gegnerischen
Coach. Doug Mason: "Die junge Reihe hat sich das Tor richtig erarbeitet, das
war ungemein wichtig, die Jungs haben alles gegeben." Ihnen zuzusehen macht
Spaß, die Fans mögen die Kids, genauso wie Marco Schütz, David Cespiva oder
Philipp Schlager. Dass Stephane Richer seine Ankündigung, mit den Jungen zu
spielen, wenn die Altern nicht zögen, nur sehr zögerlich verwirklichte,
fanden viele schade, auch wenn sie die Zwänge einsahen, unter denen Richer
handeln muss. Der hatte, wie er erzählte, "viel bessere Laune als beim
letzten Mal". Was Wunder auch, drei Punkte sind drei Punkte und letztendlich
fragt keiner mehr, wie sie zustande gekommen sind. Wobei Richer sein Team im
letzten Drittel als gut bezeichnete.
Viele Fans können aber kaum mehr hinwegsehen über den Stil, in dem derzeit
in Mannheim Eishockey gespielt wird. Einer derjenigen, die seit Jahren die
Adler begleiten und zwar sowohl bei Heimspielen als auch auswärts, ist Sven.
Er genießt hohes Ansehen in Eishockeyfan-Kreisen und er macht eine gute
Figur für die Blau-weiß-roten. Wir wollten von ihm wissen, was er über die
derzeitige Misere denkt: "Wir haben als Fans eine Situation erreicht, die schlimmste, die man sich
vorstellen kann", sagt er, "die Emotionen sind weg und das Unverständnis
sitzt tief". Es würde Jahre dauern, bis das verspielte Vertrauen wieder
gewonnen sei. Im Frankfurt-Spiel sei es reines Glück gewesen, dass
Butenschön das 1:4 geschossen habe. Nach dem 4:0 für die Lions sei die
Stimmung am Kippen gewesen. Man hätte auch Leute in Frage gestellt, an die
sich in Mannheim viele nicht rantrauen, weil sie in der Vergangenheit einen
hervorragenden Ruf genossen hatten, den sie aber seit langem immer neu
verspielen. Für Sven gibt es eine Kernfrage: "Woran liegt es, dass Spieler,
die Zeit ihres Eishockeylebens im harten Profigeschäft angesiedelt waren,
die nicht aufgemuckt haben, sondern sich einsetzten, auf einmal zu Urlaubern
mutieren?" Die Stars wären ja nicht alle nach Europa gekommen, um sich
auszuruhen, die hätten ihr ihren Job erfüllen wollen. Was also liefe bei den
Adlern so grundsätzlich schief, dass diese knallharten Profisportler zu so
einer Truppe würden? Das müsse die Adler-Geschäftsführung mal genau
hinterfragen. Für Sven ist klar, dass es nicht an den Trainern liegen kann,
immerhin sei es bei drei Coaches, die alle vollkommen unterschiedlich
gewesen seien, passiert. Genauso wie er nicht glaubt, dass die Trainer
wirklich mit eingebunden gewesen seien in die wichtigsten
Personalentscheidungen.
Und noch eines wollte er aufklären, was in der Vergangenheit für Unfrieden
gesorgt hatte: "Wir Fans haben überhaupt nichts dagegen, wenn die Spieler
sich mal ein Bier genehmigen. Wir würden sie ja noch auf Händen in die
nächste Kneipe tragen und ihnen einen ausgeben, wenn sie nur richtig kämpfen
würden." Sie hätten es so leicht in Mannheim, die Fans wären doch
großartig, würden vieles verzeihen, kämen immer noch, hätten unglaublich
viel Geduld, aber dann wolle man auch von der anderen Seite etwas sehen.
Natürlich, meinte der Fan, müsse man Spieler aus der Schelte ausnehmen, Rene
Corbet etwa, auch Frankie Groleau oder Michael Bakos, dazu die Jungen und
die Torleute. Und auch für Sascha Goc brach er eine Lanze. Der sei mit
Sicherheit selber am unzufriedensten mit seiner Schwäche zu Saisonbeginn,
"aber man muss doch auch mal dran denken, wie sich Sascha Goc in der
vergangenen Saison hingestellt hat und immer zu sprechen war, auch für die
Fans und das in einer sehr komplizierten Saison". Genau so war es, Sascha
Goc war derjenige, der seinen Kopf damals hinhielt für das Team, der ein
angenehmer Gesprächspartner auch für die Presse war, der immer Größe zeigte.
Was nicht allen gegeben ist. Die Nerven liegen offensichtlich bloß in
vielen Bereichen. So rief weinend eine junge Frau bei Hockeyweb an. Sie
hatte aus dem Adler-Fanshop ein Handtuch und einen Plüschadler. Nachdem sie
das Tuch nach Anweisung gewaschen hatte, habe es eine Färbung gezeigt, beim
Plüschadler hätten sich die Krallen gelöst. Mit der Frau im Fanshop sei sie
auch blendend zurechtgekommen, die sei besonders höflich und verständnisvoll
zu Käufern, aber ein Mann, der sich als Einkäufer zu erkennen gegeben habe,
hätte sie derart angepampt, dass ihr die Tränen gekommen seien. Sie habe das
Handtuch falsch gewaschen, warf er ihr vor und sie solle bloß auf keinen
Ersatz hoffen und er könne schließlich nicht alle Plüschadler kontrollieren.
Dann gab er ihr einen Neuen, aber auch das, so die junge Frau, sei derart
unfreundlich gewesen, dass sie nur noch nach draußen stürmen und weinen
konnte.
Nicht in Tränen aufgelöst, aber ein wenig befremdet war ein
Journalistenkollege einer namhaften Eishockeyzeitung. Der war von einem
Spieler in den Senkel gestellt und beschimpft worden, weil dem Crack eine
Passage in einem Artikel nicht gefallen hatte. Er könne ja verstehen, dass
man als Spieler auch mal Kritik an einem Bericht übe, zeigte sich der junge
Journalist einsichtig, aber doch bitte nicht in dieser Art. Nachzutragen
bleibt vielleicht noch, dass Steve Kelly und Vitali Aab zuschauen mussten an
diesem Spieltag, "einer wegen der Einstellung, der andere wegen der
Leistung", betonte Richer. Wie es weitergeht? "Das wird sich beim Training
zeigen", meinte der Coach. Von der Einstellung her dürfte es auf lange Sicht
knapp werden. Vielleicht müssen dann doch noch die Jungadler her. Die
spielen am Samstag um 17 Uhr und am Sonntag um 11 Uhr gegen Landshut.
"Endlich schönes Eishockey", freuten sich denn auch viele vor auf richtigen
Kampf mit Klasse. Man hat das nicht oft in diesem Stadion in dieser Saison. (Angelika von Bülow)