Scorpions und Indians unter einem Dach?
Scorpions erlegen tapfer kämpfende WölfeIn der hannoverschen Lokalpresse und den Fan-Foren der Indians und der Scorpions
beherrscht seit Anfang der Woche nur ein Thema die Schlagzeilen. Eine
mögliche Fusion der rivalisierenden Klubs. Was auf den ersten Blick
unmöglich scheint, könnte mit dem richtigen Konzept, bei dem keine der
beiden Parteien das Gefühl bekommen darf, bei einer Kooperation als
Verlierer dazustehen, der Grundstein für eine langfristig gesunde und
erfolgreiche Eishockeyzukunft in Hannover sein. Doch zunächst ein Blick
auf die bisherigen Fakten. Beide Vereine in der Region Hannover dümpeln
seit Jahren in der Bedeutungslosigkeit herum. Da sind auf der einen Seite die Hannover Scorpions, die als ESC Wedemark in einer in der deutschen Eishockeylandschaft einzigartigen Erfolgsgeschichte unter der kompetenten und soliden Führung der Familie
Haselbacher den Aufstieg aus den Niederungen der Regionalliga bis in die höchste deutsche Spielklasse feiern durften und seit nunmehr acht (!)
Jahren in der DEL spielen, während Traditionsvereine wie die Berlin
Capitals, die Starbulls Rosenheim, der EV Landshut, Kaufbeuren etc. aus
wirtschaftlichen Gründen die Segel streichen mussten. Die Tatsache, dass
den Scorpions in jedem Jahr die Lizenz ohne Auflagen erteilt wurde, ist
Beweis genug für das solide und vorausschauende Wirtschaften der
Haselbachers, deren Motto: "Wir geben nur das Geld aus, das wir auch
haben!" das Fundament dafür darstellt, dass der Verein finanziell auf
gesunden Füßen steht.
Bedingt durch den Rückzug aus der Preussag Arena und den daraus
resultierenden Rückzug einiger Sponsoren ist ein kleiner Teil des 2,7
Millionen Euro Etats noch nicht gedeckt, aber die fehlende Summe ist
nicht weltbewegend, geschweige denn existenzbedrohend, so dass man
getrost davon ausgehen kann, dass das Loch bis zur Schlussabrechnung am
Ende der Saison gestopft sein wird. Von einer wirtschaftlichen Krise kann man in Mellendorf also, entgegen
anderslautender Meldungen, nicht sprechen. Gerüchte und Meldungen, die
Spieler würden keine Gehälter mehr oder diese verspätet bekommen,
gehören ebenfalls ins Reich der Fabel, denn auch dies ist eine Grundsatzhaltung
der Haselbachers, dass die Spielergehälter absoluten Vorrang haben.
Ebenso ist das Gerücht, dass man die DEL-Lizenz nach Stuttgart (wo Harry
Harkimo eine Arena wie in Hamburg bauen möchte) verkaufen will, nichts
weiter als eine böswillige Zeitungsente. Erstens gab es keinerlei
Gespräche zwischen Haselbacher und Stuttgart und zweitens ist ein
solcher Verkauf der Lizenz nach den aktuellen DEL-Statuten gar nicht
mehr möglich. Ein Umzug oder Verkauf ist nur in einem Umkreis von 30
Kilometern des aktuellen Standortes möglich, für alles andere bräuchte
man bei einer Abstimmung eine Dreiviertel Mehrheit aller DEL-Klubs.
Die einzigen Probleme, die die Scorpions-Macher derzeit beschäftigen,
sind die aktuelle sportliche Krise (neun Niederlagen in Folge) und die
Perspektive für die Zukunft. Die Ausnahmegenehmigung für das von den
Fans liebevoll renovierrte Mellendorfer Icehouse gilt nur für die
laufende Saison und eine Verlängerung wird als eher unwahrscheinlich
angesehen, zumal auch manche Sponsoren ihr künftiges Engagement von
einer Rückkehr nach Hannver abhängig machen.
In der Landeshauptstadt haben die Scorpions drei Möglichkeiten. Ein
zweiter Anlauf in der Preussag Arena, ein möglicher Umbau der
Stadionsporthalle, der allerdings bis Saisonbeginn 2004/2005 nicht
machbar ist oder eben der marode Kulttempel Pferdeturm, an dem die
Indians ihre Oberligaspiele austragen. Womit es an der Zeit ist, sich die Situation des Drittligisten einmal
anzusehen. Auch hier klafft ein Loch im aktuellen Etat, welches
prozentual auf den Gesamtetat bezogen weitaus größer ist, als das der
Scorpions. Sportlich liegt man zwar momentan voll im Soll, wird aber mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trotzdem in der Oberliga
verbleiben, selbst wenn man sich in der Meisterrunde und den Playoffs
gegen namhafte Konkurrenten wie den Moskitos Essen, dem EHC München und
nicht zuletzt gegen Ligaprimus REV Bremerhaven das Aufstiegsrecht in die zweite Liga erkämpfen sollte.
Man kann sich die 2. Liga in der aktuellen Finanzlage am Pferdeturm
schlicht und ergreifend nicht leisten, sondern vielmehr froh sein, wenn
es im nächsten Jahr überhaupt irgendwie weitergeht. Wäre
Stadionbetreiber Müllerchen nicht eingesprungen und würde dem Verein
2,50 Euro pro Zuschauer zahlen, wären schon in desem Jahr die Lichter am Turm ausgegangen. Über eine Fortführung seines Engagements über diese
Saison hinaus gibt es noch keine Bestätigung. Dafür hat der Turm natürlich eine Vielzahl leidensfähiger Kult-Fans, die unverdrossen zu den Oberligaspielen pilgern und ein wesentlicher Faktor der Kultspielstätte Pferdeturm sind.
Denn unterm Strich ist die Spielstätte der eigentliche Kult, die
eigentliche Tradition, denn beim KEV, den Hannover Indians, von einem
"Traditionsverein" zu sprechen, ist unangebracht, denn die Indians sind
nur die neueste Inkarnation einer langen Reihe von Eishockey-Vereinen
(ECH, Turtles...), die dort in schöner Regelmäßigkeit traditionell an
die Wand, bzw. in den Konkurs gefahren wurden. Es ist einzig und allein
dem Einsatz der Fans und dem guten Willen der Stadt zu verdanken, dass
am Pferdeturm überhaupt noch Eishockey gespielt wird und auch die
Indians müssen jedes Jahr aufs Neue um Lizenz und Spielstätte bangen.
Die Situation ist in beiden Lagern also äußerst unbefriedigend. Beide
Vereine möchten erfolgreiches, mitreißendes Eishockey zeigen und beide
Fanlager möchten dieses sehen. Das Hannover ein riesiges Potenzial hat,
zur Eishockeyhochburg zu werden, ist auch nicht erst seit dem
Halbfinalspiel der Scorpions gegen die Mannheimer Adler vor einer mit
11.000 Zuschauern ausverkauften Preussag Arena mit Gänsehautstimmung
oder dem Oberligaspiel der Indians gegen Bremerhaven vor ca. 4.500
Zuschauern am Pferdeturm bekannt.
Der logischste und sinnvollste Schritt wäre eine Bündelung der Kräfte,
um das Eishockey in Hannover langfristig zu sichern. Diese Idee ist
nicht neu, scheiterte bislang aber an vehementem Veto seitens der
Fangruppen. Doch so langsam scheint ein Umschwung stattzufinden und die
vorauschauend denkenden Fans beider Lager, die nicht mit Scheuklappen
durch die Gegend laufen, sind bereit, sich wenigstens ein Konzept der
Zusammenarbeit anzuhören und darüber zu diskutieren.
Vorgestellt wird das Konzept am Freitag durch Marco Stichnoth, der als
Vermittler ideal geeignet ist, da er seine Jugend am Pferdeturm
verbrachte, bevor er Teammanager der Scorpions und der deutschen
Nationalmannschaft wurde. Er präsentiert das Konzept zunächst einem kleinen Kreis ausgewählter
Fans aus beiden Lagern, um dann mit ihnen in Ruhe darüber zu
diskutieren, Pro und Contra abzuwägen und Einwände zu berücksichtigen.
Im nächsten Schritt soll es dann der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Aber gleichgültig, ob es sich um eine Kooperation, Fusion oder Sensation handelt, die Vorteile liegen auf der Hand: Bündelung des
Zuschauerpotentials und der Sponsoren, sowie verbesserte
Nachwuchsförderung, die gerade bei den Scorpions auch wirklich
verbesserungswürdig ist.
Aber auch wenn die Kooperation ausgeschlagen wird, kann man davon
ausgehen, dass die Scorpions in der nächsten Saison in Hannover spielen, und zwar höchstwahrscheinlich am Pferdeturm, es sei denn, die Preussag
Arena legt in absehbarer Zeit ein akzeptables Angebot der Zusammenarbeit auf den Tisch.
Stadionbetreiber Müllerchen will die Scorpions jedenfalls sehr gern an
den Turm holen und bevor der DEL-Klub ohne Spielstätte dasteht, ist man
bereit, das Angebot anzunehmen und die Heimspiele am Pferdeturm
auszutragen.
Die Klubführung der Indians hat auch nichts dagegen, solange man sich
Spielplantechnisch nicht in die Quere kommt, was aber bei vernünftiger
Planung seitens DEB und DEL nicht passieren dürfte.
Müllerchen hätte durch zwei Heimspiele am Wochenende auch genügend Geld
in der Kasse, um die notwendigen Renovierungsarbeiten am Turm
durchführen zu können, da das Stadion zwar die DEL-Vorgaben erfüllt,
aber noch maroder als das frisch renovierte Icehouse ist.
Die einzig interessante Frage wäre, wie die Fans reagieren. Kommen zu
den Heimspielen des DEL-Teams dann eingefleischte Pferdeturm-Fans und
pfeifen das Heimteam aus? Bleiben sie der DEL fern und pilgern nur zu
"ihrem" Oberligaklub?
Oder rauft man sch letzten Endes doch zusammen? Wie wird der "normale"
Zuschauer reagieren?
Es besteht momentan die einmalige Chance, in Hannover mittelfristig
etwas ganz Großes aufzubauen, doch die Gleichung hat noch sehr viele
Unbekannte und ein Erfolg ist keinesfalls garantiert. Doch einen Versuch ist es allemal wert. Zum Wohle des Eishockeys in und um Hannover.
(S. Palaser)