Scorpions bezwingen dank Eminem zahnlose Löwen mit 3:2
Scorpions erlegen tapfer kämpfende WölfeWer vor dem Spiel einen Sieg der Hannover Scorpions gegen den amtierenden Deutschen Meister aus Frankfurt prognostiziert hätte, wäre bestenfalls mitleidig belächelt worden. Zu unwahrscheinlich erschien das nach der bisherigen beispiellosen Niederlagenserie, an der auch Neutrainer Kevin Gaudet bislang nichts ändern konnte. Selbst die leidensfähigen Scorpions-Fans hatten vor dem Spiel die Nase voll und ließen den Fanblock leer. Stattdessen hingen dort Plakate mit der Aufschrift „STREIK – ein leerer Block für ein leeres Team!“ und „Ohne Fans wär hier gar nichts los“ Dies sorgte bis auf die Rufe der wenigen mitgereisten Frankfurt-Fans für eine Grabesstille in der dank ein paar Tausend Sponsoren-Karten mit 6139 Zuschauern gut gefüllten TUI Arena. Nach dem „TUI-DAY“, dem „Mitsubishi-Day“ und dem „Gelbe Seiten“-Day lag es nun an der Baumaschinen-Firma Könicke, dafür zu sorgen, dass die Scorpions nicht vor völlig leeren Rängen spielen mussten.
An sich sollte der Streik das komplette erste Drittel andauern, doch was die Fans auf den Monitoren in den Gängen der Arena zu sehen bekamen, schien sie derart zu beeindrucken, dass sie ihren Streik bereits nach 12 Spielminuten abbrachen und wieder ihre Stammplätze im Fanblock einnahmen und ihr Team wie gewohnt anfeuerten. Doch vor Spielbeginn wurde erst einmal Patrik Augusta nachträglich für sein 300. DEL-Spiel geehrt, welches er am Freitag in Ingolstadt absolvierte. Was die Scorpions mit ihrem neu verpflichteten Torhüter Rich Parent im Kasten aufs Eis legten, sah im Vergleich zu dem „Anti-Eishockey“ der letzten Wochen auch recht ansehnlich aus. Sie kämpften um jeden Puck, kamen zu diversen guten Chancen und ließen auch hinten nichts anbrennen. Das erste Drittel endete zwar torlos, aber selbst das konnte nach den Blamagen der letzten Wochen bereits als Erfolg gewertet werden. Als dann quasi mit dem ersten Angriff des zweiten Drittels auch noch das 1:0 durch einen schönen Schlagschuss von Morczinietz fiel, brach fast jeder Besucher der TUI-Arena in Jubel aus.
Das eigentlich Bemerkenswerte ereignete sich aber beim zwischenzeitlichen Ausgleich. Dass der Torschütze des 1:1 Lebeau hieß, der eiskalt und humorlos einlochte (25.), ist nicht wirklich verwunderlich. Dass die Scorpions nach dem ersten Gegentreffer aber nicht wie sonst einbrachen und ihre Linie verloren, ist aber definitiv eine positive Erwähnung wert.
Dass dann auch noch Cipolla nur 43 Sekunden nach dem Ausgleich die Scorpions erneut in Führung schoss und Rene Röthke kurz vor Ende des zweiten Drittels mit einer schön herausgespielten Kombination gar auf 3:1 erhöhte, könnte man schon fast als sensationell bezeichnen.
Natürlich ist noch nicht alles Gold bei den Scorpions. So leisteten sie sich nur 27 Sekunden nach Spielbeginn einen ihrer desaströsen Fehlpässe im eigenen Drittel zum freistehenden Gegner, dessen Schuss Parent bravourös abwehrte. Wer weiß, welchen Verauf die Prtie genommen hätte, wenn der Puck reingegangen wäre. Außerdem hätte NHL-Import Paul Mara beinahe seinen eigenen Torwart mit Bauerntrick ausgespielt und den Puck ins eigene Netz versenkt und auch Parent selbst sah beim zweiten Gegentor der Lions alles andere als souverän aus, da er sich das Ei praktisch selbst ins Netz legte. Desweiteren präsentierten sich die Lions alles andere als meisterlich und man hatte den Eindruck, dass die Lions-Spieler mit der Einstellung, die drei Punkte im Schongang aus der TUI-Arena mitnehmen zu können, aufliefen und überhaupt nicht auf engagiert kämpfende Scorpions eingestellt waren. Sie vermochten während der gesamten 60 Minuten nicht, den Hebel umzulegen und man hatte nie das Gefühl, dass die Partie noch kippen könnte.
Lions-Coach Rich Cheromaz sah das in seiner Analyse der Begegnung ähnlich: „Zunächst einmal möchte ich Kevin gratulieren! Hannover hat eine gute Leistung und ein gutes Spiel gezeigt. Die Scorpions waren ohne Frage heute die bessere Mannschaft und auch Rich Parent war gut in seinem ersten Spiel. Ich bin sehr enttäuscht von unserer Leistung heute. Es gab keine Leidenschaft und keinen Kampfgeist! Und ohne diese Elemente sind wir nur Durchschnitt.“ Kevin Gaudet war die Freude deutlich anzusehen. „Wir sind einfach nur über die drei Punkte glücklich! Es war ein Arbeitssieg und ich habe trotzdem nach wie vor viel Arbeit vor mir. Die Unterzahl war heute sehr gut von uns, da sind wir schon auf dem richtigen Weg. Das Überzahlspiel ist aber immer noch stark verbesserungswürdig. Es war gut, dass wir endlich drei Punkte zuhause für uns und die Zuschauer geholt haben und ich hoffe sehr, dass wir darauf aufbauen können!“
Nach der offiziellen Pressekonferenz verriet er noch, wie er seine Jungs heute motiviert hatte, denn dass sie motivierter und engagierter auftraten als zuletzt, war deutlich erkennbar. „Ich spreche jeden Tag mit den Jungs. Heute habe ich mir zur Motivation etwas Besonderes einfallen lassen und ihnen einen Song vorgespielt, und zwar „Lose Yourself“ von Eminem aus dem Film „8 Mile“. Die Aussage des Liedes ist, dass man, wenn man eine Chance hat, etwas zu erreichen, sie ergreifen muss und nicht von vornherein vom Negativen ausgehen darf und ich dachte, das passt ganz gut.“ Damit hat also mit etwas Verspätung doch der „Kevin-Effekt“ eingesetzt und der Trainerwechsel etwas bewirkt, denn dass er einfallsreich ist, weiß man in der Region Hannover schließlich seit vielen Jahren.
Nach den kommenden Partien in Düsseldorf und gegen Tabellennachbarn Kassel wird man mehr wissen und sich auch ein besseres Bild über den neuen Goalie Rich Parent machen können, der mit seiner Aussage in einem Interview nach dem Spiel auf dem Videowürfel für ungläubiges Schmunzeln bei den Fans sorgte, da er doch tatsächlich davon sprach, dass er mit dem Ziel hier angetreten sei, mit den Scorpions am Ende der Saison die Playoffs zu erreichen.
Das ist vielleicht etwas hochgegriffen, die Scorpions sollten sich erst einmal darauf konzentrieren, vom letzten Platz wegzukommen, damit sie in den Playdowns wenigstens Heimrecht bekommen. Wenn man auf Platz 13 ist, kann man schauen, ob man noch auf Platz 12 vorrücken und somit die Playdowns vielleicht sogar vermeiden kann. Sollte das erreicht werden und dann noch Spieltage übrig sein, kann man immer noch einen Blick nach oben werfen, aber in der momentanen Lage sollte man nur von Spiel zu Spiel denken, alles andere ist utopisch. Am Donnerstag trifft Mental-Trainer Chris Hamilton wieder in Hannover ein, um die Spieler weiter aufzubauen. Ob er dazu auch auf Eminem setzt, wird man sehen. (S. Palaser)