Schiedsrichterbeobachter machen mehr als Striche (3/3)Hockeyweb-Redakteur im Selbstversuch
Das erfreuliche zuerst: „Die Bewertung an sich war nicht weit weg von meiner“, äußerte sich Gerhard Lichtnecker über die eingereichten Bögen. „Der kleine Unterschied sind die Einflüsse von jemandem, der Medienarbeit macht, oder einem Fan, oder einem neutralen Zuschauer, oder eben jemandem mit Schiedsrichtererfahrung.“
Etwas erstaunt war ich, dass genau die Sache, die ich als besonders positiv empfand und von der Ulpi Sicorschi selbst gesprochen hat, anscheinend gar nicht so gut bewertet wurde. Es geht um den Punkt der Kommunikation. Dafür gab es von mir die bestmögliche Einstufung, da der Schiedsrichter mehrfach das Gespräch mit den Coaches suchte und auf deren Fragen offenbar kurz antwortete. In der offiziellen Bewertung wurde das jedoch nur mit der vierten von acht Stufen vermerkt. „Es war nur in zwei, drei Situationen etwas zu ausführlich. Da erwarten wir eigentlich nicht mehr als zwei bis drei Sätze. Mehr muss nicht sein. Dass er etwas erklärt hat, war in der Situation sicher in Ordnung, aber in der Kürze liegt die Würze“, so Gerhard Lichtnecker. Aber diese zwei, drei Kleinigkeiten kosten an dieser Stelle schon drei Bewertungsstufen im direkten Vergleich. Lichtnecker weiter: „Was sehr gut gelöst wurde, war die Zehn-Minuten-Strafe gegen Greg Leeb. Der Spieler suchte eine ´Diskussion` und bekam kurz eine mahnende Ansage. Die fruchtete offensichtlich nicht und es gab die Strafe.“
Was die Bewertung der Strafen oder übersehenden Strafen angeht, liegen wir bei einigen jedoch etwas auseinander, allerdings auch nur in Kleinigkeiten. Gerhard Lichtnecker hat keine weitere Strafe erkannt und nur einmal eine 50:50-Szene auf dem Notizblock stehen. „Im Zweifel für den Angeklagten.“ Ich jedoch wollte drei weitere Strafen gesehen haben. Auf meinem Zettel standen zwei gegen Gästespieler und eine gegen die Heimmannschaft. Im Einzelnen waren es ein Bandencheck, ein Halten und ein Stockschlagen. „Der ´Bandencheck` war für mich ein ganz normaler Hit. Das war ein harter, aber fairer Check. Für mich absolut keine Strafe“, so Gerhard Lichtnecker. Hierbei wären wir wohl wieder beim Thema Regeln kennen, Regeln verstehen und Regeln auslegen.
Beim meinem erkannten Stockschlagen einigten wir uns darauf, dass eventuell der Blickwinkel den Einen etwas anderes hat sehen lassen, als den Anderen. Aus meiner Sicht eine 1:1-Szene, die zuvor mit einer kleinen Strafe bewertet wurde. Aus der Sicht des offiziellen Beobachters, der rund 30 Meter weg von mir und fünf Reihen weiter oben saß, kein fehlbares Verhalten.
Da ich die Strafen etwas anders beobachtet habe, versteht es sich von selbst, dass dadurch die Einstufung der Schiedsrichterleistung bei diesem Punkt auch leicht vom Original abweicht. Denn obwohl ich mehr Strafen erkannt haben will und sich das eigentlich negativ auf bei Beurteilung auswirkt, war meine Gesamtbewertung leicht besser als die offizielle. „Hier unterscheiden wir etwas feiner, um nicht zu sagen extremer. Das war ein Spiel ohne großen Aufreger, von daher war die Leistung normal.“
Eine weitere nicht leicht zu lösende Aufgabe des Beobachters ist, wie bereits in einem vorherigen Teil angesprochen, das gesamte Geschehen nicht aus den Augen zu verlieren, da es ja nicht nur um die reinen sechzig Minuten Spielzeit, sondern z.B. auch um die Unterbrüche geht. „Letzten Endes eine Sache der Erfahrung und Übung. Man muss sich da eine Art peripheren Blick aneignen. Seinen Fokus nicht auf eine bestimmte Stelle, sprich Szene legen“, erzählt Gerhard Lichtnecker. „Ich persönlich konzentriere mich immer auf circa ein Drittel der Spielfläche. Den direkten Fokus auf den Schiedsrichter habe ich nur bei Dingen wie Körperhaltung, Laufstil usw. Das sind im wahrsten Sinne des Wortes Augenblickserscheinungen.“
Auch bei der Bewertung der Linienrichter war ich nahe an den offiziellen Bewertungen. Mein größter und eigentlich auch einziger Kritikpunkt war, dass einmal ein gebrochener Schläger im Unterbruch übersehen und erst nach einer Aufforderung des Torwartes vom Eis geholt wurde. Dies wurde auch im tatsächlichen Bericht für den entsprechenden Linesman vermerkt.
Beim anderen Linienrichter wurde moniert, dass die „Wash-out“-Signale, also das Auswinken bei einem möglichen Icing, zu spät kommt und er sich damit zum Teil das Leben selbst schwer macht. Diese Feinheit ist mir entgangen.
Alles in allem habe ich mit dem Spiel Straubing gegen Nürnberg ein Spiel erwischt, das noch recht überschaubar war, und doch hatte ich kaum ruhige Minuten. Wenn ich mich jedoch an einige andere Spiele erinnere, die von kritischen Szenen nur so gespickt waren, dann hat nicht nur das Schiedsrichtergespann auf dem Eis einen schweren Job, sondern auch der Schiedsrichterbeobachter auf der Tribüne. Ich hatte auch vor meinen sehr ausführlichen und spannenden Gesprächen mit dem Chef der Schiedsrichter und vor meinem Selbstversuch großen Respekt vor den Schiedsrichtern. Das hat sich nicht nur bestätigt, sondern auch verstärkt. Wir alle wissen, dass niemand, kein Spieler, kein Trainer, kein Reporter, kein Zuschauer und kein Schiedsrichter fehlerfrei sein kann - von Letzteren wird es aber am meisten erwartet. Wir neigen dazu, eher fünf Fehlpässe in der Abwehr zu verzeihen, als ein falsches Abseits.
Ich habe gesehen, wie die deutschen Schiedsrichter hart daran arbeiten, die Fehlerzahl so gering wie möglich zu halten und alle, die ich persönlich kennengelernt habe, machen das offensichtlich mit großer Freude und viel Leidenschaft.