Sascha Goc: "Wir schaffen das" - Penaltyniederlage gegen DEG

Der Videowürfel fiel aus, der Name Yves Racine wurde bei einer Strafzeit
genannt, die Stürmer trafen nicht ins Tor. Irgendwie, munkelte man auf
den Rängen, passt derzeit alles zusammen bei den Mannheimer Adlern. Auch, dass
Tomas Martinec, eigentlich über jeden Vorwurf erhaben, bei seinem
Einsatz, mit einem Eigentor die Niederlage seines Team einläutete,
gehörte zur Rubrik "Pleiten, Pech und Pannen" in Mannheim. Alle seien
derzeit nervös, erzählte anschließend Kapitän Sascha Goc, der übrigens
eine gute Figur macht in seinem neuen Amt, und auch, dass man sich
gemeinsam nach allen Kräften bemühe, wieder zu gewinnen und ansprechende
Leistungen zu zeigen. Das sah auch Chris Joseph so: "Wir versuchen, von
Spiel zu Spiel wieder besser in Tritt zu kommen. Ich denke, wir haben
heute gezeigt, dass wir bereit sind zu kämpfen. Ich bin felsenfest davon
überzeugt, dass es aufwärts geht." Trainer Bill Stewart bat die Fans,
weiterhin so hinter ihrem Team zu stehen wie an diesem Abend: "Wir
brauchen die Unterstützung und sind sehr dankbar dafür."
Marc Seliger hütete das Tor in Drittel eins und zeigte einige
Klasseparaden. Die Adler in Sturm und Drang, aber ohne Erfolg, das Pech
klebt nach wie vor an vielen Schlägern. In Drittel zwei stand auf einmal
Richard Shulmistra im Gehäuse, Verwunderung allerorten. Mannschaftsarzt
Dr. Guido Volk fand die Entscheidung richtig, der deutsche Goalie hatte
schon vor dem Spiel über Probleme geklagt gehabt. Marc Seliger zu
Hockeyweb: "Mein Rücken hat mir Probleme bereitet, ich hatte Schmerzen.
Jetzt hab ich mich behandeln lassen und ich hoffe, dass ich
baldmöglichst wieder spielen kann." Das hoffen auch viele Fans, die
Richard Shulmistra, eigentlich ein Klasse-Goalie, derzeit für zu nervös
halten. Zu viel lässt er abprallen, und bei einsamen Ausflügen hinters
Tor bleibt einem der Atem bisweilen stocken.
Mann des Abends war eindeutig Düsseldorfs Goalie Trefilov. Der hielt,
was zu halten ging, war katzenmäßig behende, sprang, hechtete und
vereitelte eine Großchance nach der anderen, was die Adler-Stürmer
bisweilen an den Rand der Verzweiflung trieb. Vor allem Rene Corbet
ackerte wie ein Wilder, spielte schöne Möglichkeiten heraus, hatte
häufig Treffer auf dem Schläger, scheiterte aber ein ums andere Mal an
Trefilov oder den gegnerischen Verteidigern, die aufopferungsvoll
spielten. Überhaupt zeigten die Düsseldorfer enorme Kampfkraft und
Einsatzfreude. Allerdings kann man auch den Mannheimern bescheinigen,
dass sie alles taten, um zu gewinnen. Noch reichte es allerdings nicht.
"Schießen, einfach schießen", skandierten die Fans, die großteils
positiv hinter ihrem Team standen. Doch so einfach war es nicht,
sicherlich, bisweilen verkünstelten sich die Adler unerträglich, passten
hin und her, bis wieder mal ein Fehlpass zu Buche schlug, im großen und
ganzen aber zeigten sie durchaus Druck nach vorne. Das 1:0 markierte
Corbet in der 28. Minute, Erleichterung im Team und auf den Rängen.
Doch es reichte nicht, die Chancen wurden nicht genutzt und als
Marinec dann mit einem großartigen Schuss, der natürlich nicht dorthin
gehen sollte, wohin er ging, als er am vollkommen erstaunten Shulmistra
vorbei ins Netz prallte, das Eigentor schoss, schwante den Zuschauern,
dass Glück nicht eben ein Begleiter des Team ist derzeit.
Morgen abend, so war aus Sponsorenkreisen zu hören, treffen sich die
größten Geldgeber mit dem Management und wollen hören, wie es weitergeht
bei den Adlern. Eine schier unlösbare Aufgabe derzeit, denn was sollen
die Verantwortlichen berichten? Stellen sie sich weiter hinter einen
Coach, von dem sie nicht wissen, wie lange sie ihn halten können,
kündigen sie weitere Spielerentlassungen an und bringen somit noch mehr
Unruhe in die Mannschaft? Derzeit jedenfalls ist kein Konzept erkennbar.
Viele Sponsoren sind inzwischen der Meinung, dass die Entlassung der
Spieler Ustorf und Racine ein Schuss nach hinten war, dass dadurch noch
mehr Unsicherheit ins Team gekommen sei. Aber auch den Trainer alleine
machen nicht alle verantwortlich für den derzeitigen Tabellenstand.
Selbst, wenn man auf Sitzplatzseite ein Plakat entdeckte mit der
Aufschrift: "Time to say goodbye, Mr. Stewart." Viel mehr diskutieren
manche Geldgeber inzwischen darüber, wie es sein kann, dass so gute
Spieler keine schlagkräftige Mannschaft bilden, und in dem Zusammenhang
taucht die Frage auf, wer verantwortlich ist für die Nichtverlängerung
von Charakterspielern, wer dafür Cracks nach Papierform eingekauft hat.
Ist es der Trainer, ist es der sportliche Manager, wie weit haben beide
zusammengearbeitet? Viele Fragen, die Sponsoren am Montag abend von der
Leitung beantwortet bekommen möchten. Mehrere Geldgeber äußerten sich
Hockeyweb gegenüber gespannt auf das, was sie erfahren werden.
Zuvor aber mussten sie das Spiel gegen die Düsseldorfer EG hinter sich
bringen. Im Penalty-Schießen setzte sich der Trend fort: Tefilov
parierte meisterlich, die Adler-Stürmer scheiterten an ihm, während die
DEG-Cracks das bessere Ende für sich hatten. Die Düsseldorfer gewannen
und Co-Coach Walter Köberle, der für den erkrankten Trainer einsprang,
zeigte sich überglücklich über diesen Sieg. "So brutal kann Eishockey
sein," konstatierte er, "brutal für Mannheim in diesem Fall." Trefilov
habe die DEG im Spiel gehalten, die Adler hätten unglaublich viele
Chancen gehabt, aber sein Team habe "alles gegeben und ist letztendlich
belohnt worden".
Bill Stewart begann sein Statement mit den Worten: "Ein Eigentor, das
ist unglaublich." Der Coach äußerte einen Wunsch an die Fans: "Ich
hoffe, jedermann steht hinter dem Team, wir arbeiten wirklich sehr
schwer und haben einfach kein Glück. Aber das wird sich wieder ändern."
Die Mannschaft habe gekämpft, bestätigte der Trainer, er habe volles
Vertrauen in die Jungs. Ausdrücklich bedankte sich Stewart bei den Fans,
die ihr Team so unterstützt hätten.
Andrej Trefilov stapelte im Gespräch mit Hockeyweb erstmal tief: "Die
Mannschaft hat für mich gespielt." Gegen Mannheim sei es sehr schwer
sich einzustellen, die Adler seien noch in einer Krise besser als die
meisten anderen. "Bei den Adlern denkt man als Gegner nicht an eine
Krise, die haben so gute Spieler, die alles schaffen können." Er selber
war das erste Mal nach einer Operation "am Magen" (es handelte sich um
eine OP am verlängerten Rücken) wieder im Einsatz. Ja, gab er
schließlich zu, er sei schon sehr zufrieden, wie das gelaufen sei. Aber,
und da war er wieder mit aller Bescheidenheit, die Mannschaft sei
einfach super gewesen und hätte ihn glänzend unterstützt. Tatsache war,
dass ein Trefilov selbst bei seiner Rückkehr nach einem Monat
erzwungener Auszeit andere noch sehr alt aussehen lässt.
Mike Pellegrims, ehemaliger Adler und jetziger Düsseldorfer, sah die
Mannheimer als eindeutig besssere Mannschaft, "wir haben viel Glück
gehabt heute abend," betonte der Belgier. Trefilov bezeichnete er als
"Supertorhüter, der uns im Spiel gehalten hat". Sein Team habe gekämpft
und sich voll eingesetzt, freute sich Pellegrims noch. Und dann gings
nochmal um das Benefizspiel für die krebskranken Kinder, an dem der
DEG-Mann vor einer Woche teilgenommen hat. "Das war einfach einmalig",
bestätigte er, "ich hab beim Warmlaufen Gänsehaut bekommen." Die Fans
hatten ihn, wie alle ihre ehemaligen Helden, herzlich gefeiert.
Sascha Goc, der neue Kapitän der Adler, gab im Kabinenbereich ein
Interview nach dem anderen. Wohltuend, wie sachlich der Verteidiger mit
seiner neuen Rolle umgeht, wie offen er sich gibt und vor allem auch
Kritikfähigkeit zeigt. Man denke, sagte er, von Spiel zu Spiel, es ginge
derzeit zu viel schief bei den Adlern, die Cracks seien nervös, "da
passiert manches, was sonst nie passiert". Goc kann die Ungeduld der
Fans gut verstehen, aber er bittet auch um Geduld. "Ich bin sicher, wir
werden gemeinsam einen Weg finden." Alle seien Profi genug, um Schwächen
abzustellen und nach Gegentreffern "wie ein Hühnerhaufen rumzulaufen".
Es sei nicht eben hilfreich, wenn dann von außen noch alle möglichen
Probleme ins Team getragen würden, auch, wenn er verstehen könne, woher
so etwas käme in einer Situation, in der so vieles schief liefe, meinte
der Kapitän. Lachhaft sei allerdings, wenn nun eine großen
Boulevard-Zeitung Co-Coach Rico Rossi verdächtige, von der Toilette aus
den großen Lauschangriff gestartet zu haben. Goc: "Die Trainer laufen
natürlich durch unsere Kabine, sie haben auch keine eigene Toilette, sie
benutzen unsere, wo ist das Problem?" Chris Joseph konnte ebenfalls nur
grinsen, wenn er auf Rossis vermeintliche Verfehlung angesprochen wurde,
alles Latrinenparolen nach Meinung vieler Spieler.
Goc hat die Kapitänswürde nach seiner Wahl mit Freude angenommen.
"jeder möchte Kapitän sein", bestätigte er, um hinzuzufügen, "wenn es
gut läuft". Er habe sich der Verantwortung gestellt, weil er etwas
erreichen wolle. Er könne nach seinen Erfahrungen in verschiedenen Teams
sagen, dass die Mannschaft gut miteinander klarkomme. "Wir wollen
einander sicherlich nicht alle heiraten", grinste er, "aber es gibt
keine Probleme bei uns". Gemeinsam, da ist Goc sicher, würde man das
Adler-Schiff auch wieder richtig seetüchtig machen.
Tomas Marinec fühlte sich nach seinem Eigentor unglücklich: "Ich
spiele jetzt seit 25 Jahren Eishockey und so etwas ist mir noch nie
passiert." Es sei besonders bitter in einer Zeit wie dieser, in der
jeder Punkt zähle. Entschuldigungen suchte der geradlininige und
kritikfähige Martinec, der einen sauberen Schuss hinters Tor hatte
abgeben wollen, nicht. Die lieferten andere: "So etwas kann einfach
passieren", lautete die Meinung der Teamkameraden, "wir alle müssen
versuchen, die Unsicherheit in uns selber schnellstmöglich wieder
abzulegen." (Angelika von Bülow)