Sascha Goc: Aus der Katastrophe lernen
"Man kann es nicht anders sagen, dieses Jahr war eine Katastrophe."
Sascha Goc ist einer jener erfreulichen Menschen, die offen auf andere zugehen
und die Dinge beim Namen nennen. Lange unterhielt er sich mit
"Hockeyweb" am Rande der Vizemeisterschaftsfeier seiner Mannheimer
Adler.
"Seit zehn Jahren bin ich Profi", so Goc, "aber sowas habe ich
noch nie erlebt. Bislang war es immer bergauf gegangen mit mir, jetzt
folgte der
rasante Abstieg". Und zwar in einer Art und Weise, dass ihm schwindelig
wurde und er an sich selber zweifelte. Goc, normalerweise einer, der seinen Mann
steht, wirkte auf einmal geduckt, haderte mit allem und war einfach nicht mehr
er selber. Die Gründe, wie sich inzwischen herausgestellt hat, lagen tief.
Es begann mit einem guten Deutschlandcup, aber sobald Goc zurück war in
Mannheim, begannen die Probleme. An Trainer Helmut de Raaf habe sein Tief
sicherlich nicht gelegen, betont Goc, "ich habe noch nie mit einem Trainer
Probleme gehabt". Sogar mit Bill Stewart kam er aus, auf höchst
professionelle Art, als der Großteil der Mannschaft den Kanadier zu hassen
begann.
Goc: "Ich habe auf einmal nicht mehr so gespielt, wie ich das von mir selbst
erwartet habe." Und, noch viel schlimmer: "Es ging mir überhaupt
nicht gut, ich war so abgeschlafft, ich bin schon morgens aufgestanden und war
fix und fertig." Dann bekam er Ausschlag, "richtig schlimm und
praktisch
überall". Bei einer Kernspintomographie stellte sich heraus, dass er
praktisch überall geschwollene Lymphknoten hatte, in der Leiste, am Bauch, im
Nacken, am Hals, "alles war entzündet".
Angst schlich sich ein, schließlich hört und liest man täglich von
unheilbaren Krankheiten, die so beginnen. Ein Arzt stellte fest, dass mit dem
Immunsystem etwas nicht stimmte. "Das war ein totaler Schock", sagt
Goc. Die Angst schlich sich ein, wurde ständiger Wegbegleiter. Goc hatte ein
kleines Kind, über das er überglücklich war. Aber es brachte natürlich
auch eine ganz andere Verantwortung mit sich. Und genau in dieser so wichtigen
Lebensumstellung, ging es auf einmal um die Existenz. Um die finanzielle, aber
auch um die gesundheitliche. Die Geschichte ging gut aus, die Ärzte stellten
fest, dass Goc als 16-Jähriger eine Hirnhautentzündung hatte und nun immer
wieder Entzündungen aufbrachen. Der Spieler hatte schon immer gemerkt, dass er
im Winter krankheitsanfälliger war als im Sommer, aber wer denkt da schon
gleich an etwas Ernstes. "Gott sei Dank", sagt Goc heute, habe es
Medikamente gegeben, die das alles in den Griff bekommen hätten. "Nach
drei Wochen ging es mir wirklich gut",
freut er sich.
Der Schock saß dennoch in den Gliedern. Bislang, erzählt er, habe immer
Eishockey an vorderster Stelle bei seinen Überlegungen gestanden. Auf einmal
merke man dann aber, wie viel Wichtigeres es gäbe im Leben. Trotzdem blieb ein
Schuldgefühl. Er dachte an sein Team, hatte das Gefühl, es im Stich zu lassen,
litt jämmerlich, wenn er hinter der Plexiglasscheibe stand und zusehen musste,
wie die anderen verloren, "ich hätte doch so gerne geholfen", sagt
er.
Ja, gibt er zu, er habe sich verändert in diesem Jahr, er sei nachdenklicher
geworden. Aber er hat auch einen unbändigen Willen entwickelt. Den ganzen
Sommer über will er so stark trainieren, dass er wie ausgewechselt auf der
Matte stehen möchte in der neuen Saison. Er könne Eishockey spielen, sagt er,
und das wolle er beweisen. Wolle damit auch etwas zurückgeben. Denn man habe
ihn so fair behandelt in dieser Saison. Von der Organisation her, aber auch von
den Mitspielern aus. "Ich muss diese Saison jetzt abhaken", so Goc
weiter, "und meine Existenzängste hinten anstellen. Ich blicke jetzt nach
vorne und ich bin sicher, ich kann den Adlern noch sehr gute Dienste
leisten".
(Angelika von Bülow - Foto: City-Press)