Rico Fata: Der Mann kann
Klare Worte bei den AdlernWie kann er nur, fragten sich viele, als Rico Fata zu den Mannheimer Adlern wechselte. Ein
NHL-Spieler, der gute Chancen hatte, nach einer Pause in der AHL zurückzukehren
in die Elite-Liga, der bricht plötzlich alle Zelte ab, verzichtet auf Geld und
geht nach Europa. Nicht in die Schweiz, nein, er heuert in Deutschland an. Wie
also kann er nur? Er kann und zwar ganz entschieden, stellt sich heraus, als wir
uns mit Rico Fata treffen im Restaurant Rosso in der SAP-Arena. Aus mehreren
Gründen. Der wichtigste zuerst: Die Familie. Die hat höchste Priorität in allen
Lebenslagen. Frau Romina und die kleine Isabella sind der Mittelpunkt im Leben
des 26-jährigen Kanadiers. Selbst Eishockey, für das er auch viel geopfert hat,
rückt da ein Stück nach hinten.
Aber auch noch etwas anderes spielt eine
Rolle: Fata war sauer und zwar ordentlich. "Wie vor den Kopf geschlagen" habe er
dagestanden, als sich herausstellte, dass man ihn einmal mehr nach unten
verschieben wollte. Zumal in ein Team, in dem schon acht sogenannte "veterans" saßen - fünf
darf man einsetzen. Mit 26 Jahren ein Veteran, der sich mit anderen um freie
Plätze im AHL-Team schlagen muss, nein danke, das war es nicht, was er sich
ersehnt hatte. Zumal, und das ist für ihn das Schlimmste, er sich keiner Schuld
bewusst war. "Ich habe gut gespielt", sagt er, "ich sehe durchaus Fehler ein,
aber in diesem Falle gab es nichts einzusehen". Zehn Einsätze bei den Washington Capitals,
ein Tor, ein Assist, das hätte weitergehen müssen, meint er. Stattdessen die
eiskalte Dusche, bye bye, verschoben auf ein Abstellgleis. Es reichte
ihm.
Die NHL, sagt er im Gespräch mit Hockeyweb, die sei wirklich nicht
so paradiesisch, wie sich manche das vorstellten. Gutes Geld, ja das gäbe es,
aber das sei eben auch nicht alles. Ansonsten: Ausgeliefert sein, man könne doch
mit Spielern machen, was man wolle. Morgens die Ansage, dass man eine Stunde
Zeit habe zum Kofferpacken, abends der Einsatz im Farmteam viele Meilen weg. Für
eine Familie sei das Gift, er habe doch kaum was von seiner Romina gehabt. Und
Isabella nicht aufwachsen zu sehen, das käme für ihn überhaupt nicht in
Frage.
"Ich war nie zu Hause", sagt der Italo-Kanadier, "das musste ich
ändern". Und das hat er geändert. Innerhalb eines Tages fiel die Entscheidung:
Koffer packen und zusammen nach Mannheim ziehen. Romina fand es in Ordnung, was
immer ihren Rico glücklich machen würde, wollte sie gerne mittragen. "Sie ist
total unkompliziert", schwärmt er und lächelt. Und genauso unkompliziert hat
sich die ganze Familie eingepasst, ist inzwischen schon Freund geworden mit
manchen. Mit Corbet und Shantz hat Fata bereits früher zusammengespielt, gegen
Jaspers war er auf dem Eis, nein, das sind keine Unbekannten für ihn. Und der
Rest? "Ein Super Team, die Jungs sind alls so nett zu uns und die Spielerfrauen
ganz genauso." Dass es außerdem auch der vielen Kinder wegen einen engen
Zusammenhalt gibt, umso schöner. Kinder findet Fata überhaupt das Beste im
Leben. Seine Frau und er hatten mal Angst, sie könnten keine bekommen, ein
Fehlalarm wie sich herausstellte. Jetzt sollen es noch mehr werden.
Im
Moment sind auch Fatas Eltern hier, ihnen gefällt es genauso gut wie der jungen
Generation. Anschließend jetten sie zu Ricos kleinen Bruder (er ist 23), der in
der AHL spielt. Die Schwester spielt übrigens auch, aber just for fun, im
Hauptberuf ist sie Lehrerin.
Alle drei Sprößlinge schlagen übrigens den
sportlichen Eltern nach. "Ich habe sogar die Statur von meiner Mutter geerbt ,"
sagt Rico, "kürzer und drahtig irgendwie". Die Mama sei sehr athletisch, eine
gute Sportlerin, der Vater natürlich auch, da springt kein Kind aus der Reihe.
Isabella allerdings dürfte, wenn sie irgendwas ganz anderes machen wollte
später, bitte sehr, die Eltern wollen sie in allem nach Kräften unterstützen,
obwohl Romina ja doch ein wenig davon träumt, dass die Kleine einst ein wenig
Ballett tanzen sollte. Aber bis dahin ist noch lange Zeit, mit zehn Monaten hat
man andere Ideen im Köpfchen.
Obwohl, wenn man an den kleinen Rico denkt,
der hatte bereits mit drei Jahren eine Idee, was so sein könnte in seiner
Zukunft. Da stand er das erste Mal auf dem Eis und fands einfach nur gut, etwas
später stieg er beim Hockey ein. Und war schon immer pfeilschnell, "das sind die
Gene", winkt er ab, sowas könnte man nur bedingt trainieren. Er gilt als einer
der schnellsten auf Kufen überhaupt, was ihm in Europa zugute
kommt.
Europa ist sowieso ein Stück Heimat für die Fatas. Der Papa war
drei, als er mit seinen Eltern auswanderte, die Mutter ist in Kanada geboren,
aber ihre Vorfahren stammen ebenfalls aus Bella Italia. All das beschert dem
Sprößling in Kürze einen italienischen Pass, den er gut gebrauchen kann. Nun sei
er, freut er sich, also Kanadier und Europäer.
Der kanadische Europäer
blickt zurück auf die Kindheitstage und stellt fest, dass er von klein auf
gewusst habe, was er wollte: Eishockey-Profi werden. Das Ziel verfolgte er mit
ungemein viel Einsatz. "Ich musste schon auf viel verzichten", räumt er ein und
erzählt von seiner Prom, bei der nicht sein konnte, von seiner Graduationparty,
bei der sich alle köstlich amüsierten, bloß er nicht, er trat mit den Juniors in
einer anderen Stadt ein. Ausgehen, Biertrinken, Mädchen ganz locker kennenlernen
- nichts da, in Maßen ja, aber nicht so wie Gleichaltrige, die ihr junges Leben
in vollen Zügen genossen. Doch, sagt Fata und blickt für einen 26-Jährigen
erstaunlich reif zurück: "Ich habe es nie auch nur eine Sekunde
bedauert."
Und schon gar nicht mehr, als er die schöne Argentinierien
Romina kennenlernte. Die arbeitete ab und zu in den Restaurants ihres Papas.
"Alle haben immer mit ihr gesprochen und wollten sie", erinnert sich Rico, "und
ich war der Glückliche, den sie genommen hat". Für Eishockey interessierte sich
die Angebetete eher weniger, dafür umso mehr für diesen glutäugigen Crack, der
ihr den Hof machte. Und zwar sehr gentlemanlike. Wie er auch heute von ihr
erzählt: "Das ist das Beste, was mir passiert ist damals." Schon da konnte
Eishockey nicht mehr mithalten in Sachen Zuneigung, Romina stand eindeutig über
der kalten Leidenschaft für den Sport.
Nun also ist er hier, noch nicht
lange, aber lange genug um zu wissen, dass es ihm gefällt. In der Liste jener
Dinge, Ereignisse und Menschen, die ihn besonders faszinieren, stehen die Fans
ganz oben. "Ich liebe sie", sagt Rico Fata und er kanns immer noch nicht
glauben, "dass die nicht nur, wie bei uns zu Hause, bei einem Tor klatschen,
sondern das ganze Spiel hindurch Stimmung machen". Unglaublich sei das und schön
und höchst motivierend. Für solchen Anhang kämpfe man gleich doppelt gerne.
Aber auch alles andere, "das Team, das Management, die Clubbesitzer" seien
hier vom Feinsten. Und auf die Trainer hält er ebenfalls große Stücke. "Die
wollen unbedingt gewinnen und dafür arbeiten sie unermüdlich. Solche Coaches
brauchst Du, die stecken an mit ihrer Begeisterung."
Für die Adler hat er
sich auch entschieden, weil er viel Gutes gehört hatte. Und zwar schon im
Sommer. Denn so spontan er auch manchmal sein mag, er hat auch einen guten Sinn
fürs Machbare. Und nachdem er davon ausging, dass die Spielchen in der NHL
weitergehen würden mit seiner Person, wollte er etwas in der Rückhand haben.
"Ich habe vorgesorgt."
Verbaut er sich mit seinem Engagement hier nicht
auch die Chancen einer Rückkehr in die NHL? Nein, sagt Rico Fata, das sei schon
lange nicht mehr so. Die Deutsche Liga habe inzwischen einen sehr guten Ruf, es
kämen immer wieder super Cracks hierher, die später nochmal in der NHL
durchstarteten. Und wenn nicht, nun ja, das sei dann auch kein Beinbruch, "dann
bleibe ich hier, das ist ein gutes Leben und es macht Spaß". Das Spiel hier sei
überhaupt viel spannender und schneller". Irgendwie sei jedes wie ein Play Off
Spiel, er sei mit Freude dabei. Und wenn dann noch die Fans hinter ihm stünden,
dann sei ihm klar, dass er den richtigen Schritt gegangen sei, als er Ja zu den
Adlern sagte.
Angelika von Bülow