Rheinische Tristesse
DEL: Eisbären bleiben spitze - Ingolstadt gewinnt in Mannheim“6:1” schrien die Ziffern in der Eissporthalle am Frankfurter Ratsweg gestern sowohl Haie-Akteure
als auch -Fans an. Damit verschwand nach dem Debakel am Main auch der letzte rheinische Klub
sang- und klanglos von der diesjährigen Eishockey-Bühne. Wo sich vor Jahresfrist noch die Haie mit
den Pinguinen ein packendes Saisonfinale lieferten und Tausende Fans mitfieberten, bleibt Letzteren
für den Rest der Saison nur noch der Druck auf den Fernsehknopf. Ganze zwei Siege durften die
Fans bejubeln, viel zu wenig für die sieg- und feierfreudigen Rheinländer. Tristesse pur anstatt
Ehrenrunden, glattrasierte Wangen anstatt sprießender Bärte, wie sie sonst nur bei den Waldarbeitern
im weiß-blauen Freistaat anzutreffen sind, “Leichenreden” an der Theke statt seligen Schwelgens in
Erinnerungen an triumphale Siege.
Erinnerungen an die Play-offs vor drei Jahren wurden wach, als der Hannoveraner Verteidiger
Wladislaw Bulin mit einem satten Schlagschuss die Kölner schon im dritten Spiel des Viertelfinale ins
Reich der (Meister-)Träume schickte, und die überraschend in die Play-offs vorgestoßenen Revier
Löwen Oberhausen gegen die München Barons auch nach dem Minimum der Partien auf die
Golfplätze geschickt wurden. Doch 2001 war wenigstens noch Masse vorhanden, wenngleich keine
Klasse. Krefeld wurde Neunter, Neuling Düsseldorf belegte Rang elf, während die Moskitos aus
Essen Letzter und somit 16. wurden.
Heuer sind ohnehin nur drei Teams (wie in der Vorsaison nach dem Ausscheiden der Moskitos und
der Revier Löwen auch) ins Rennen geschickt worden.
Meister Krefeld blieb die ganze Saison über dem Ruf eines würdigen Titelverteidigers schuldig. Die
Gesellschafter verließen sich voll und ganz auf das Können und Geschick des kanadischen
Cheftrainers Butch Goring. Der Mann, der viermal in den Reihen des Stanley-Cup-Siegers stand,
stellte die Mannschaft nach seinem Gusto zusammen und erlitt Schiffbruch. Als letztes Team in die
Saison gestartet, hatte Goring schon nach ein paar Wochen die Lust verloren und wollte lieber heim
zu seiner Freundin Paula ins ferne New York, wo sie einen lukrativen Job kurz vor Beginn der
Spielzeit erhielt. Ehe die Verantwortlichen die Zeichen der Zeit erkannten, waren die Pinguine schon
längst von sämtlichen Eisschollen gepurzelt und ins eisige Wasser getaucht. Auch erneute Griffe in
diverse Portemonnais der engagierten Gesellschafter halfen nicht. Stefan Ustorf erwies sich als
Versager, und ein Alexander Seliwanow konnte allein nichts ausrichten. Gorings Nachfolger Haralds
Vasiljevs wurde vom Großteil der Mannschaft ganz einfach die Gefolgschaft verweigert. Bill Stewart
als Drittem im Bunde gelang wenigstens die Vermeidung der Play-downs, das war´s aber auch
schon.
Düsseldorf musste lange zittern, bis wenigstens die Teilnahme am Viertelfinale gesichert war. Doch
nach vier überwiegend glanzlosen Spielen der Gelb-Roten war bereits Endstation gegen die technisch
hochüberlegenen Eisbären aus dem tristen Berliner Stadtteil Hohenschönhausen. Das von Michael
Komma, DEG-Manager und -Cheftrainer in Personalunion, vor der Saison zur Messlatte bei den
Verpflichtungen erhobene Wort “Charakter” bestätigten viele Akteure nur in den ersten beiden
Spielen; danach flog mehr oder weniger kollektiv das Handtuch von der DEG-Bank. Die Sehnsucht
zahlreicher Akteure nach dem heimischen Herd und dem damit verbundenen Urlaub schien überhand
zu nehmen. Die verbalen Ausbrüche vieler enttäuschter Fans nach dem schnellstmöglichen
Ausscheiden wiederzugeben, verbietet die Höflichkeit. Vor allen Dingen wird Komma vorgeworfen,
dem Großteil der Mannschaft Verträge über die Saison hinaus gegeben zu haben. Apropos Fans...
Das Interesse der Zuschauer hielt sich in Grenzen: Im ersten Match passierten lediglich 7.557
Besucher die Eingangstore des maroden Stadions an der Brehmstraße, in der zweiten und
entscheidenden Partie waren es gar nur 5.789, also gerade ´mal die Hälfte der Kapazität.
Blieben nur noch die Kölner Haie, deren Cheftrainer Hans Zach bei seinem Amtsantritt vor zwei
Jahren den Vergleich “FC Bayern des deutschen Eishockeys” (miss-)brauchte. Zach übernahm den
frischgebackenen Champion, der von Interimstrainer Rich Chernomaz in einem fulminanten Endspurt
zum Titelgewinn gepeitscht wurde. Mittlerweile rennt der gebürtige Bad Tölzer, zweifellos als
Bundestrainer erfolgreich, seit elf Jahren dem Gewinn eines nationalen Titels hinterher. War die
letzte Saison als Vizemeister noch akzeptabel, so gestaltete sich diese Spielzeit zum Desaster
schlechthin. Das gute Händchen scheint man bei ihm, im Gegensatz zum Scouting junger Deutscher,
bei ausländischen Cracks mitunter zu vermissen. Der Schwede Johan Witehall wurde, ebenso wie der
US-Boy Brian Bonin, erst nach Vertragsunterzeichnung in die Wüste geschickt. Seltsam war auch
des Trainers Statement vor der laufenden Saison im Hinblick auf die Abwanderung von Christoph
Brandner in die NHL. “Wenn es gut läuft, wird Verstärkung geholt, wenn es schlecht läuft,
verzichten wir.” Heraus kam die Rückkehr des mittlerweile 34-jährigen Leo Stefan, was weder Fisch
noch Fleisch war. Bei vielen Medienvertretern genießt Zach jedoch noch volles Vertrauen. Wie sonst
ist das überhebliche Lächeln einiger Kollegen nach dem mühsamen 2:1 im ersten Spiel gegen
Frankfurt zu erklären, als der Haie-Coach in der Pressekonferenz erklärte, dass auch die nächsten
sechs Spiele sehr knapp ausgehen würden?
Zuletzt etwas Positives. Bundesnachwuchs-Trainer Ernst Höfner prophezeit Zweitligist Duisburg
einen erfolgreichen Abschluss der Saison. “Die Krefelder müssen sich nach der Saison nach einem
anderen Partner umsehen. Förderlizenzspieler kann man ja schließlich nicht an einen DEL-Verein
ausleihen. Mit den Iserlohner und Krefelder Akteuren ist Duisburg für mich der Favorit.” Das
Rheinland (und vielleicht sogar die ganze DEL) könnten durchaus eine Nummer vier gebrauchen.