Pflicht erfüllt, Kür verpatztAnalyse: Was beim Hauptrundensieger Mannheim schieflief

Lesedauer: ca. 7 Minuten

Das ist laut Statistik in der DEL  das erste Mal, dass der Letzte den Ersten aus dem Wettbewerb wirft, diese Möglichkeit mit den Sätzen „in den Play-offs  ist alles möglich“ oder „ in einer solch ausgeglichenen Liga ist das nicht auszuschließen“  zu beschreiben, ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Play-offs sind der Saisonabschnitt, der,  wenn man die Aussage der Ausgeglichenheit mal zulässt, entschieden wird durch Kleinigkeiten, wie ein mehr an Emotion, unbedingtes Wollen bzw. Fokussierung auf die nötigen Aufgaben in der Defensive wie Offensive bei den Spielern, das Einstellen auf den Gegner, letzter taktischer Feinschliff, motivieren / reagieren in schwierigen Situationen seitens des Trainerstabs. Das hat Wolfsburg besser erledigt.

Zu erkennen, was hier bei den Adlern genau passiert ist, ist für den Außenstehenden nicht machbar, bei der Anzahl der Informationen gleich welcher Art, die innerhalb der Organisation / Kabine bleiben. Bleibt der Versuch das Offensichtliche zu analysieren.

Die Hauptrunde:

Die lief eigentlich zu glatt. So richtig quälen musste sich keiner. Das soll nicht falsch verstanden werden, gekämpft hat die Mannschaft der Adler immer und soweit bekannt, sind alle charakterlich einwandfrei. Das „Quälen“ bezieht sich eher auf die Spiele, bei denen der technokratische Spielstil nicht ausreichte, um die Spiele zu gewinnen. Die Emotion, die die Mannschaft dann Spiele drehen und gewinnen ließ bei einem Rückstand, benötigte immer einen äußeren Anlass, seien es kuriose Schiedsrichterentscheidungen oder harte Checks gegen einen Mitspieler, üble Fouls oder eine Mischung der genannten Punkte. Setzte diese Emotion ein, spielte die Mannschaft jeden in Grund und Boden, so einige Male gesehen in der Saison. Fand nichts dergleichen statt, plätscherte das Spiel vor sich hin bis zur Niederlage, keiner der Spieler brachte seine Mitspieler dazu, geschweige die Mannschaft sich selbst, den Schalter des Wollens und der Emotion zu betätigen, den die Truppe braucht, um ins Rollen zu kommen. Der erste Platz nach der Vorrunde ist hier Beweis genug, was in dieser Mannschaft steckt, trotz dieses Mankos. Dass sich das in den Play-offs wie erhofft ändert, war wie man sieht ein Trugschluss. Auch in der Endrunde hatte man zeitweise das Gefühl, man spielt Spiel 32 der Hauptrunde und nicht Play-offs.

Der Leader:

Der fehlte den Adlern schon letzte Saison auf dem Eis. Paradebeispiel ist nach wie vor das berühmt berüchtigte Finalspiel gegen Berlin auf eigenem Eis. Spiel vier, noch 15 Minuten zu spielen, Spielstand 5:2 für Mannheim, der Ausgang ist bekannt. Keiner der Adler-Spieler auf dem Eis war in der Lage, das Heft in die Hemd zu nehmen und seine Mitspieler zum Widerstand gegen das Debakel in der Folge aufzustacheln, die Eisbären hatten den, in Sven Felski. Auch diese Saison hatte Harold Kreis keinen verlängerten Arm auf dem Eis, der wie zum Beispiel Jochen Hecht bei seinem Gastspiel während des Lockouts in schwierigen Situationen die Führung und entsprechende Ansagen übernahm. Topscorer muss er nicht aber eishockeytechnisch anerkannt sein, vor allem bei der hierspielenden nordamerikanischen Fraktion, die ja das Plus zum Erfolg stellen soll.

Die Big Guys:

Die Leistung von Christoph Ullmann, Ken Magowan und Adam Mitchell bezüglich ihrer Punkteausbeute ist einer der Unterschiede zur letzten Saison. Defensivmonster waren sie keine in den letzten Play-offs, aber im letzten Jahr haben sie mehr Tore geschossen als sie mitverantwortlich zuließen, zum Beispiel im oben aufgeführtem Spiel waren sie wechselweise an vier eigenen Tore beteiligt, aber auch für vier Gegentore mitverantwortlich. Verbessert haben sie sich in dieser Disziplin in der folgenden Hauptrunde seitdem nicht, für Adam Mitchell steht in der Hauptrunde bei 33 Punkten eine -7, für Christoph Ullmann bei 22 Punkten -8, für Ken Magowan bei 15 Punkten eine +1. Sie fanden in keiner der Partien einen Weg, der Neutralisierung durch den Gegner zu entkommen.

Der Big Guy:

Yanick Lehoux, ein Künstler reinsten Wassers mit Schwächen in der Defensive. Das ist aber bekannt, genauso, dass er gerne mal abtaucht, wenn die Spielsituation schwierig ist, bekannt ist aber auch, dass er Spiele alleine entscheiden kann. Das funktioniert nicht immer, aber spätestens ab Spiel drei hätte es ihm gut getan auf den Flügel zu wechseln, mit einem defensiv starken Center an seiner Seite, der ihm das Führen abnimmt und er sich somit ganz seinem kreativen Spiel widmen kann. So war er in der Hauptsache damit beschäftigt, seine Flügel Matthias Plachta und Frank Mauer zu führen und das gelang auch insofern, dass diese Reihe die positiv auffälligste war in den Play-offs, sowohl nach vorne, als auch in der Rückwärtsbewegung, sein mehr aber, was er für ein Spiel tun kann, lag dadurch brach.

Powerplay:

Ausgerechnet in der entscheidenden Phase der Saison schwächelte das Überzahlspiel.  Zu wenig Bewegung, Passspiel zu langsam, diese beiden Punkte brachte die Formationen gegen läuferische ausgezeichnete und zweikampfstarke Wolfsburger immer wieder in Bedrängnis, Mike Pellegrims lässt grüßen. Die Ausbeute entsprechend mager: 82 Minuten Strafzeit für die Grizzlies, daraus resultieren zwei Tore für die Adler im Powerplay, durch Frank Mauer und Yanick Lehoux.  Der Ausgleich dieser Torflaute beim Spiel fünf gegen fünf gelang nicht, die Adler schossen neun, Wolfsburg  acht bei gleicher Anzahl Spieler auf dem Eis.

Der Gegner:

Es war klar zu sehen, was auf die Adler zukam. Spätestens im Laufe des Dezembers hatte Pavel Gross seine Verletzten wieder an Bord, spielte ab Januar nur noch Endspiele, feierte Siege. Das letzte Aufeinandertreffen in der Hauptrunde verloren die Adler. Die Spieler waren entsprechend im Dauer Play-off-Rhythmus, die Frage danach, wie lange sie das aushalten, ist einfach beantwortet, bis jetzt kein Problem. Dazu Trainer Pavel Gross, abgesehen von der taktischen Einstellung, die seine Spieler bravourös umsetzten, hatte er für die Momente, in denen es für seine Mannschaft eng wurde, an der Bande immer ein Szenario bereit, nach dem Motto – es ist alles erlaubt, was nicht unterbunden wird, incl. nachträglichem klagen bei der DEL (Belle, Magowan), ohne Schiedsrichterpfiff. Das mag Geschmackssache sein, die Spieler der Adler brachte diese Art zu coachen zumindest im ersten Spiel sichtlich aus dem Konzept. Eröffnet die Frage, ist Harry Kreis als Trainer nach außen zu „ brav“, zu viel alte Schule? Denn die Verletzungen von Mitchell und Wagner sind bestimmt nicht vom Himmel gefallen.

Das ernüchternde Ende:

Zusammenfassend kann man sagen, mindestens ein Viertel der Adlermannschaft hat im Kopf den Weg in die Play-offs nicht mitgemacht. Wenn somit in drei Reihen immer einer „mitgeschleppt“ werden muss, ein Verteidiger, gehandicapt durch eine Verletzung, damit beschäftigt ist, ständig neben seiner eigenen Abwehrarbeit auf die Aussetzer seine Partners zu achten, um diese auszubügeln, ist das zu wenig, um weiterzukommen. Ein Blick in die Statistik der einzelnen Spieler sagt  hierzu sicher nicht alles, aber zeigt den Weg. Es ist leider so, dass einige Spieler entweder aus der letzten Saison nichts gelernt haben, oder die Nerven erneut nicht mitspielten. Vielleicht wäre ein Mentaltrainer in Garmisch nicht schlecht gewesen, der die einen von Selbstüberschätzung heilt und die anderen, die es brauchen, aufbaut.

Das Ausscheiden am Trainer festzumachen, ist etwas zu einfach, haben doch unter seiner Leitung einige junge Spieler einen Sprung nach vorne gemacht oder gelernt, dass sich auf Lorbeeren ausruhen nicht vorwärtsbringt. Von den gestandenen Spielern dagegen kann man vor allem in Offensiv-Richtung erwarten, dass sie in der Lage sind, die Vorgaben des Trainers so zu gestalten, dass ein Sieg möglich ist. Diesen Freiraum haben sie, nur defensiv ist Kreativität unter Harold Kreis stark eingeschränkt bis nicht erwünscht. Man kann ebenfalls von den Leistungsträgern einer Mannschaft verlangen, dass sie erfahren genug sind, die taktischen Vorgaben umzusetzen. Das mag in einem oder zwei Spielen nicht klappen, aber spätestens im dritten sollte man verstehen, dass es so nicht funktioniert, Harold Kreis trainiert ja schließlich keine Jugendmannschaft.  Vielleicht setzt er zu viel voraus bei einem Teil seiner Spieler.

Was er sich ankreiden lassen muss, ist sein zögerliches, zurückhaltendes Reagieren auf Situationen, Zeichen setzen. Zum Beispiel, wenn Shawn Belle gesund ist, gibt es keinen Grund den in den Play-offs äußerst unglücklich spielenden Doug Janik im Team zu behalten. Oder schaut man sich die Statistik der Reihen drei und vier der Adler an, bleibt in einem Entscheidungsspiel eigentlich nur die Option aus den Besten eine Reihe zu bilden und die dadurch entstandene Vierte nur zur Entlastung aufs Eis zu schicken. Spektakuläre Entscheidungen schon während der Hauptsaison, um den einen oder anderen Spieler wachzurütteln, egal wo er herkommt, sind eben nicht sein Ding, das alles ist aber auch nichts Neues, das war schon immer so. Die Führung der Adler wird nun alles hinterfragen, Gerüchte schießen genug ins Kraut. Das beinhaltet den Abschied von Harold Kreis, den Abgang von Christoph Ullmann nach München, Shawn Bell in die Schweiz usw., usw.

Abgesehen davon haben die Adler bereits einen Stamm von guten deutschen Spielern im Portfolio, vielleicht gehen sie ja den Schweizer Weg, mehr eigene Spieler und dazu wenige Kontingentspieler aber eben richtig Topleute für Angriff und blaue Linie. Damit Lehoux, wenn er sich mit den Adlern monetär einigt und somit nächste Saison noch da ist, vielleicht Konkurrenz bekommt als bester Blueliner der Adler in Überzahl.


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