Oliver Jonas: "Die Haie waren mein Wunschverein"
Von Absolventen der Harvard-Universität erwartet man in der Regel,
dass sie Karriere in der Politik machen oder die juristische Laufbahn
einschlagen. Allerdings hat die berühmte US-Elite-Universität auch
einen wissenschaftlichen Zweig, man kann dort beispielsweise Physik
studieren und dann zum Thema “Mechanik von menschlichen Zellen”
promovieren.
Letzteres beschäftigt seit einiger Zeit den 26jährigen
Harvard-Absolventen Oliver Jonas, im Hauptberuf Torhüter der Kölner
Haie in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Eine absurde Laufbahn?
Nicht ganz, denn das Talent zum Eishockeytorhüter wurde Oliver Jonas
schon in die Wiege gelegt, sein Onkel Helmut de Raaf war Torhüter der
Nationalmannschaft und auch der Kölner Haie, nun tritt Jonas in seine
Fußstapfen. “Insofern hat sich für mich ein Traum erfüllt, dass ich zu
den Haien gehen konnte.”
Ein introvertierter Intellektueller als Leistungsträger in einer
Sportart, deren Vertreter nicht selten als grobschlächtige, einfach
gestrickte Gesellen betrachtet werden. Für Jonas ist das nichts
außergewöhnliches. “Jeder muss für sich entscheiden, was er neben dem
Eishockey macht. Für mich ist es eben meine Doktorarbeit, die ich
hoffentlich noch während meiner aktiven Zeit als Spieler fertig stellen
werde. Ob ich dies später beruflich nutzen werde, kann ich jetzt noch
nicht absehen. Das Thema “Mechanik menschlicher Zellen” hat sich durch
das Studium ergeben, ich untersuche das Verhalten der Zellen unter
physischen Einflüssen.”
Wichtiger und derzeit sicherlich auch lukrativer ist für Oliver
Jonas das Studium des Verhaltens vulkanisierter Hartgummischeiben bei
physischen Einflüssen durch Graphitschläger in Form von Schüssen und
Abprallern. Auch auf diesem Gebiet ist Jonas eine Kapazität,
schließlich wurde er im vergangenen April im Tor der Berliner Eisbären
Deutscher Meister, obwohl er sich dort nicht wohl fühlte und einen
Vereinswechsel anstrebte. Dem Triumph folgte jedoch nur wenige Wochen
später der Abstieg mit der Nationalmannschaft, zwei emotionale Extreme
innerhalb kurzer Zeit.
Mit dem Abstand einiger Monate überwog jedoch die Freude über den
Titel. “Mit der Liga verbringt man 90% seiner Zeit und wenn man dann
nach über 60 Spielen Meister ist, dann wiegt das schwerer als der
Abstieg mit der Nationalmannschaft. Natürlich will man das wieder gut
machen, wenn man im April zur B-WM fährt, aber die Liga ist insgesamt
doch wichtiger.”
Seine wissenschaftliche Präferenz prägte in der Vergangenheit auch
seine Torhütermaske, auf der Moleküle abgebildet waren. Sehr zum
Missvergnügen der Kölner Fans, denn auf der Maske befindet sich darüber
hinaus noch das Logo seines ehemaligen Vereins. Doch Jonas kann seine
neuen Anhänger beruhigen: “Die neue Maske wird gerade lackiert und zum
Saisonbeginn fertig sein.” Die Moleküle müssen dem Kölner Vereinstier
weichen. “Da wird ein Hai mit vielen Zähnen drauf sein. Genau weiß ich
das nicht, ich konnte bei der Gestaltung zwar mitreden, aber man muss
dem Künstler ja auch eine gewisse Freiheit zugestehen.”
Alexander Brandt
Foto: Sport-Press