Oliver Jonas - der Physiker im deutschen Tor
Berichte aus der Frauen-BundesligaOliver Jonas - der Physiker im deutschen Tor
Hannover, 12. November Oliver Jonas, Debütant im Tor der deutschen Nationalmannschaft, ist zwar erst 23 Jahre, hat aber bereits vier Jahre an der berühmten Harvard Universität in den USA studiert und dort seinen "master of physics" gebaut. Mittlerweile ist er momentan die Nummer eins im Tor der Berliner Eisbären und feierte einen gelungenen Einstand im Team von Bundestrainer Hans Zach. Während des Deutschland-Cups in Hannover hatten wir Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.
Vor einem Jahr hat dich in Deutschland noch fast niemand gekannt, jetzt
hast du dein Debüt in der Nationalmannschaft gefeiert. Wie hast du das alles
erlebt?
Es war schon etwas überraschend für mich als ich die Einladung zum
Deutschland-Cup bekommen habe. Ich habe mich natürlich riesig gefreut und war
besonders in meinem ersten kompletten Spiel am Samstag gegen die Schweiz total
nervös. Zum Glück hat sich das nach dem ersten Drittel wieder gelegt.
Du bist zum ersten Mal in der Nationalmannschaft dabei, wie bist du
von den Mitspielern und auch von Bundestrainer Hans Zach aufgenommen worden?
Das war alles ganz normal, kein Problem. Fast die Hälfte der Spieler habe ich
schon vorher gekannt, nur mit Hans Zach hatte ich noch nie Kontakt. Der
Bundestrainer sagt den Spielern, dass sie Fehler machen dürfen, wenn der
Einsatz stimmt. Das nimmt viel Druck von jedem Einzelnen. Jetzt in Hannover habe
ich das Zimmer mit David Sulkovsky geteilt.
Wie und wo bist Du überhaupt zum Eishockey gekommen?
Ich bin in Neuss geboren. Im Alter von 5 Jahren bin ich öfter mit meinem Onkel
Helmut de Raaf, der damals in Köln spielte, zu den Haien mitgegangen. Das hat
mir super gefallen und ich wollte immer mitmachen. Ich habe dann in Neuss
angefangen und bin nach ersten Laufeinheiten ziemlich schnell ins Tor gekommen.
Als ich 9 Jahre war sind meine Eltern aus privaten Gründen nach Füssen
gezogen. Dort habe ich dann in den Nachwuchsmannschaften und auch in der U-16
Nationalmannschaft gespielt.
Mit 15 Jahren bist du schon in die USA, wie kam das zustande?
Durch Kontakte von meinem Onkel wollte ich für ein Jahr in eine amerikanische
High-School und auch mein Eishockey verbessern. Dass es am Ende sieben Jahre
geworden sind, war nicht geplant.
Welche Erfahrungen und Eindrücke hast du in dieser Zeit gesammelt?
Am Anfang war es nicht leicht, alles war neu. Insgesamt war es eine sehr
wichtige und auch tolle Zeit für mich. Erst war ich drei Jahre an einer
High-School in Minneapolis, dann vier Jahre in Harvard. Dass ich nach Harvard
bin, hat sich so ergeben. Man hat mich angesprochen, weil sie Spieler brauchten.
Dort habe ich dann den "master of physics" gemacht. Ich habe sehr
viele Leute dadurch kennen gelernt und auch Freunde fürs Leben gefunden. Zum
Beispiel meine Frau, die ich vor eineinhalb Jahren geheiratet habe.
Und wie verlief diese Zeit aus Sicht des Eishockeys?
Die College-League ist für junge Spieler eine super Sache. Man wird sehr gut
unterstützt und die Trainer helfen einem sich zu entwickeln. Ich denke in
diesem Alter ist die Eishockey-Ausbildung besser als in Deutschland. Man hat
viel Training und muss auch oft im Kraftraum arbeiten. Die ersten drei Jahre in
Harvard war ich allerdings nur zweiter Torhüter, erst im letzten Jahr hatte ich
dann mehr Spiele. Deswegen bin ich wahrscheinlich auch nicht gedraftet worden.
Wie kam es dann später zum Engagement bei den Eisbären Berlin?
Ich habe immer gewusst, dass ich eines Tages wieder zurück nach Deutschland
gehen werde. Die Eisbären hatten Verletzungsprobleme und ich trainierte gerade
bei den Manchester Monarchs, dem Farmteam der Los Angeles Kings, die auch zum
Imperium von Herrn Anschütz gehören. Über meinen Agenten kam dann der Vertrag
mit den Eisbären zustande.
Nach Kurzeinsätzen im letzten Jahr hast du jetzt auch viele Experten überrascht
und den verletzten Shulmistra glänzend vertreten. Wie war der bisherige
Saisonverlauf aus deiner Sicht?
Diese Jahr läuft es ganz toll, wir haben eine Super-Mannschaft, es passt
einfach alles. Auch der Trainer ist sehr gut und gibt jungen Spielern die Möglichkeit,
auf sich aufmerksam zu machen. Er hat schon vor der Saison gesagt, dass ich so
mit ca. 20 Einsätzen rechnen kann. Dass sich Shulmistra verletzt hat, war natürlich
nicht voraus zu sehen, aber ich glaube, er kommt bald wieder zurück.
Wie würdest du deinen Spielstil beschreiben? Gibt es Torhüter, von denen
du viel gelernt oder abgeschaut hast?
Ich stehe gerne lange und viel, gehe aber auch schnell runter, wenn es sein
muss. Am meisten gelernt habe ich wahrscheinlich von meinem Onkel. In der NHL
gibt es so viele gute Torhüter, da kann man von jedem was abschauen.
Was musst du noch verbessern?
Konstant zu spielen ist ein großes Ziel und eine große Herausforderung.
Ich arbeite aber auch viel an meinem Stellungsspiel.
Wie siehst du deine Chancen auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft im
Mai 2003 in Finnland?
Dazu kann ich nichts sagen. Die WM ist ein Ziel für mich, aber
die Entscheidung trifft der Trainer.
Lange Zeit sah es speziell bei den deutschen Torhütern schwierig aus, es
gab kaum Talente. Mit Robert Müller, Dimitri Pätzold und dir haben jetzt beim
Deutschland-Cup drei junge deutsche Keeper hervorragende Leistungen gezeigt. Wie
beurteilst du die Situation der deutschen Keeper auch in der DEL?
Es gibt viele gute, junge deutsche Keeper. Das sieht man erst jetzt, wo sie
auch viel spielen dürfen. Natürlich ist die Idee, in der DEL nur noch mit
deutschen Torhütern zu spielen, nicht schlecht, aber wie will man das umsetzen?
Vielleicht wäre eine garantierte Minimalzahl an Spielen für deutsche Torhüter
in jeder Mannschaft ein erster Schritt.