Öst: "Im Grunde genommen sind wir einfach zu blöd" - Kritik an Chvatal
Scorpions erlegen tapfer kämpfende WölfeDas Spiel gegen die Kassel Huskies wird wohl wegen der unschönen
Begeitumstände in die Vereinsgeschichte der Hannover Scorpions eingehen. Dabei fing alles ganz
harmlos an.
Die Scorpions legten wieder einmal einen Sturmlauf sondergleichen hin,
der den Kasselern kaum Luft zum atmen ließ. Nach genau drei Minuten und drei
Sekunden wurde dies auch folgerichtig durch das 1:0 von
Publikumsliebling David Haas nach schöner Kombination mit Soccio und
Lööf
belohnt. Doch obwohl die Scorpions während des gesamten ersten Drittels
die klar dominierende Mannschaft war - das Torschußverhältnis von 13 zu 4 spricht Bände - wollte trotz einem starken
Powerplay kein weiterer Treffer für das Heimteam fallen. In
der selben Minute konnten sie sogar froh sein, durch einen Kasseler
Break nicht den unverdienten Ausgleich kassiert zu haben. Doch auf
Kauhanen war Verlass und er entschärfte die Situation.
Die Kasseler hatten den besseren Start ins zweite Drittel und schafften
durch Stefan Retzer den Ausgleich (23.). Danach nahm das Unheil seinen
Lauf: Schiedsrichter Petr Chvatal, der bis dahin schon fleißig
Strafzeiten verteilt hatte, beförderte innerhalb von 27 Sekunden zwei
Scorpionsspieler auf die Strafbank, was den Huskies anderthalb Minuten
eine 5 gegen 3 Überzahl bescherte, welche sie auch durch Robitaille
(26.) zu nutzen wussten! Einer der beiden Scorpionsspieler, Fredrik Öberg
erhielt sogar anstelle von zwei Strafminuten 2+10 Strafminuten wegen
Unnötiger Härte, da der gefoulte Kasseler Spieler scheinbar verletzt war
und zur Behandlung in die Kabine musste. Ein paar Minuten später war er
aber wieder auf dem Eis und spielte weiter, als wäre nichts gewesen.
Die Fans waren verständlicherweise etwas aufgebracht, da das 1:2 aus
der fragwürdigen Strafzeiten-Verteilung des Schiedsrichters resultierte.
Doch statt die Wogen zu glätten, gefiel Chvatal sich offensichtlich in
der Rolle des Buhmanns und stellte in der 28. Minute Scorpions-Verteidiger
Gordon Borberg mit einer Spieldauerdisziplinarstrafe wegen angeblichen
Bandencheck von hinten mit Verletzungsfolge hinaus, doch auch hier war
der betroffene Kasseler Spieler kurz darauf wundersam genesen. Damit
hatte Chvatal die Fans nun endgültig gegen sich, zumal er eine
vergleichbare Aktion eines Husky-Spielers an einem Scorpion nicht
einmal mit einer Zwei-Minuten-Strafe bedachte, sondern es vorzog, das
Vergehen gar nicht zu ahnden. Ebensowenig wurde es geahndet, das die
Kasseler einmal einen Spieler zuviel auf dem Eis hatten.
Die Scorpions überstanden 4 Minuten und 59 Sekunden der aus der
Spieldauerstrafe resultierenden fünfminütigen Unterzahl, da die Huskies
auch im Powerplay ebenso wie im Spiel fünf gegen fünf an Harmlosigkeit
kaum zu überbieten waren. Eine Sekunde bevor die Scorpions wieder
komplett waren, stocherte Busch den Puck dann doch noch irgendwie über
die Linie (33.) und somit lagen die Kasseler nun vollkommen unverdient
mit 3:1 in Führung. Im zweiten Drittel ereignete sich nichts
wesentliches mehr und die Zuschauer dachten auch, die Fehlentscheidungen
des Schiedsrichters konnten nicht mehr schlimmer werden, doch da hatten
sie sich in Chvatal getäuscht.
Dieser hatte in der 42. Minute nichts
besseres zu tun, als die Trommler, die wie schon seit zig Jahren vor dem
Fanblock an der Plexiglasbande stehen und mit ihren Trommelstöcken wie
üblich auch auf das Plexiglas schlugen, ohne sichtbaren Grund mit Hilfe
der Ordner von ihren angestammten Plätzen zu vertreiben. Damit hatte
Chvatal sich nicht nur endgültig der Lächerlichkeit preisgegeben,
sondern auch sein Ziel erreicht und das Fass zum Überlaufen gebracht.
Glücklicherweise ließen die Scorpions sich durch die unfaire Behandlung
des Schiedsrichters nicht vollends aus dem Konzept bringen und
verkürzten in der 44. durch Patrik Augusta auf 2:3. Kurz darauf wurden
sie selbstverständlich von Chvatal wieder dezimiert, doch legten sie ein
tolles Unterzahlspiel an den Tag, bei dem sie mehr Torchancen hatten als
die Überzahl-spielenden Huskies. Diese und auch die nächsten beiden
Strafzeiten überstanden die Hausherren schadlos, um dann zwei Minuten
vor Ende der Partie zunächst eine Auszeit und daraufhin Kauhanen vom Eis
zu nehmen. Das Risiko zahlte sich aus, Kapitän Lenny Soccio gelang unter
frenetischem Jubel der Fans der mehr als nur verdiente Ausgleich.
So ging es in die
Penalty-Lotterie, die die Huskies für sich entscheiden und so
unverdienterweise zwei Punkte mit nach Hause nehmen konnten.
Der nur allzu verständliche und unter den Umständen auch
nachvollziehbare Zorn der Fans schlug sich nach dem Spiel auf
Schiedsrichter Chvatal nieder. Er musste abgeschirmt und von einer
Polizei-Eskorte vom Eis in die Umkleidekabine und danach in sein Auto
geführt werden. Auch wenn man das Verhalten einiger Fans (Chvatal bekam
eine Bierdusche und wurde beschimpft und mit Gegenständen beworfen)
keinesfalls gutheißen sollte, trägt nur er allein die Verantwortung
dafür. Bei diesem Spiel blieb er den Beweis der DEL-Tauglichkeit
jedenfalls schuldig und es mutet als Ironie an, dass ausgerechnet er der
einzige Profi-Schiedsrichter im deutschen Eishockey ist.
Bei der anschließenden Pressekonferenz sorgte Huskies-Coach Axel
Kammerer für Gelächter bei den anwesenden Journalisten, indem er allen
Ernstes behauptete, dass er "sehr zufrieden mit dem Spiel" sei und
Chvatal "gut gepfiffen" hätte. Scheinbar hat Herr Kammerer ein anderes
Spiel gesehen, als die übrigen 3045 Zuschauer im Ice House oder er
leidet an Realitätsverlust. Jedenfalls sollte ein Coach, dessen Team
über 60 Minuten Eishockey der harmlosesten Sorte, vergleichbar mit ihrer
Leistung letzten Dienstag bei der 0:4 Klatsche bei den Hamburg Freezers,
gezeigt hat, ansonsten hauptsächlich durch Schwalben und ähnliche
Schauspieleinlagen "glänzte" und dessen Spieler sogar von der
Spielerbank aus mit ihren Schlägern nach den Scorpions-Fans schlugen -
Michael Ludwig vom Scorpions-Fanclub Icesnakes mußte sich ducken, um den
Schläger eines Kasselaners nicht ins Gesicht zu bekommen - , sollte
velleicht leisere Töne anschlagen und zumindest zugeben, dass der
Auswärtserfolg mehr als glücklich war.
Während Kammerer jedenfalls mit seinen Äußerungen für allgemeine
Belustigung sorgte, bemühte sich Scorpions-Teamchef Olle Öst um eine
kühle, realistische Analyse des Spiels. "Wir haben wieder einmal ein
Spiel verschenkt! Wir waren im ersten Drittel das klar bessere Team! Im
zweiten Drittel waren einige Kameraden etwas undiszipliniert und im
letzten Drittel sind wir ins Spiel zurückgekehrt und haben wenigstens
den einen Punkt gerettet! Penaltyschießen ist immer eine Lotterie."
Zur Schiedsrichterleistung drückten Leidborg und Öst sich durch die
Blume aus. Leidborg: "Ich verdiene nicht genug, um es mir leisten zu
können, das zu kommentieren...."
Öst: "Wir haben einen Profischiedsrichter in der DEL. Ich hoffe sehr,
wir pfeifen ansonsten weiterhin mit Amateuren!"
Zur sportlichen Gesamtsituation hatte Öst auch klare Worte: "Wir
verschenken zuviele Punkte! Gegen die Top-Teams haben wir schon 13
Punkte geholt, also 1,6 im Schnitt, was ziemlich gut ist. Gegen die
direkten Konkurrenzteams aber, die auf unserem Niveau oder schwächer
spielen, die wir an sich schlagen müssen, haben wir nur 7 Punkte geholt,
was 0,7 Punkte im Schnitt sind, ein katastrophaler Wert! Schon allein
anhand der letzten vier Spiele wird das Problem deutlich: In Ingolstadt
waren wir das klar bessere Team, verloren aber dennoch 2:3. Gegen
Freiburg hätten wir eigentlich 7:1 gewinnen müssen und in Krefeld waren
wir auch klar überlegen und haben die Punkte in der 55. selber
verschenkt und 2:3 verloren! Wir machen einfach zu wenig aus unseren
Torchancen! Wenn das so weitergeht, können wir die Playoffs abhaken!"
Auf die Frage, woran es den läge, dass die Chancenverwertung so
miserabel ist, antwortete Öst mit der für ihn typischen ehrlichen,
prägnanten und trockenen Art: "Im Grunde genommen sind wir einfach zu
blöd!"
(S. Palaser)