Öst: "Im Grunde genommen sind wir einfach zu blöd" - Kritik an Chvatal

Scorpions erlegen tapfer kämpfende WölfeScorpions erlegen tapfer kämpfende Wölfe
Lesedauer: ca. 6 Minuten

Das Spiel gegen die Kassel Huskies wird wohl wegen der unschönen

Begeitumstände in die Vereinsgeschichte der Hannover Scorpions eingehen. Dabei fing alles ganz

harmlos an.

Die Scorpions legten wieder einmal einen Sturmlauf sondergleichen hin,

der den Kasselern kaum Luft zum atmen ließ. Nach genau drei Minuten und drei

Sekunden wurde dies auch folgerichtig durch das 1:0 von

Publikumsliebling David Haas nach schöner Kombination mit Soccio und

Lööf

belohnt. Doch obwohl die Scorpions während des gesamten ersten Drittels

die klar dominierende Mannschaft war - das Torschußverhältnis von 13 zu 4 spricht Bände - wollte trotz einem starken

Powerplay kein weiterer Treffer für das Heimteam fallen. In

der selben Minute konnten sie sogar froh sein, durch einen Kasseler

Break nicht den unverdienten Ausgleich kassiert zu haben. Doch auf

Kauhanen war Verlass und er entschärfte die Situation.

Die Kasseler hatten den besseren Start ins zweite Drittel und schafften

durch Stefan Retzer den Ausgleich (23.). Danach nahm das Unheil seinen

Lauf: Schiedsrichter Petr Chvatal, der bis dahin schon fleißig

Strafzeiten verteilt hatte, beförderte innerhalb von 27 Sekunden zwei

Scorpionsspieler auf die Strafbank, was den Huskies anderthalb Minuten

eine 5 gegen 3 Überzahl bescherte, welche sie auch durch Robitaille

(26.) zu nutzen wussten! Einer der beiden Scorpionsspieler, Fredrik Öberg

erhielt sogar anstelle von zwei Strafminuten 2+10 Strafminuten wegen

Unnötiger Härte, da der gefoulte Kasseler Spieler scheinbar verletzt war

und zur Behandlung in die Kabine musste. Ein paar Minuten später war er

aber wieder auf dem Eis und spielte weiter, als wäre nichts gewesen.

Die Fans waren verständlicherweise etwas aufgebracht, da das 1:2 aus

der fragwürdigen Strafzeiten-Verteilung des Schiedsrichters resultierte.

Doch statt die Wogen zu glätten, gefiel Chvatal sich offensichtlich in

der Rolle des Buhmanns und stellte in der 28. Minute Scorpions-Verteidiger

Gordon Borberg mit einer Spieldauerdisziplinarstrafe wegen angeblichen

Bandencheck von hinten mit Verletzungsfolge hinaus, doch auch hier war

der betroffene Kasseler Spieler kurz darauf wundersam genesen. Damit

hatte Chvatal die Fans nun endgültig gegen sich, zumal er eine

vergleichbare Aktion eines Husky-Spielers an einem Scorpion nicht

einmal mit einer Zwei-Minuten-Strafe bedachte, sondern es vorzog, das

Vergehen gar nicht zu ahnden. Ebensowenig wurde es geahndet, das die

Kasseler einmal einen Spieler zuviel auf dem Eis hatten.

Die Scorpions überstanden 4 Minuten und 59 Sekunden der aus der

Spieldauerstrafe resultierenden fünfminütigen Unterzahl, da die Huskies

auch im Powerplay ebenso wie im Spiel fünf gegen fünf an Harmlosigkeit

kaum zu überbieten waren. Eine Sekunde bevor die Scorpions wieder

komplett waren, stocherte Busch den Puck dann doch noch irgendwie über

die Linie (33.) und somit lagen die Kasseler nun vollkommen unverdient

mit 3:1 in Führung. Im zweiten Drittel ereignete sich nichts

wesentliches mehr und die Zuschauer dachten auch, die Fehlentscheidungen

des Schiedsrichters konnten nicht mehr schlimmer werden, doch da hatten

sie sich in Chvatal getäuscht.

Dieser hatte in der 42. Minute nichts

besseres zu tun, als die Trommler, die wie schon seit zig Jahren vor dem

Fanblock an der Plexiglasbande stehen und mit ihren Trommelstöcken wie

üblich auch auf das Plexiglas schlugen, ohne sichtbaren Grund mit Hilfe

der Ordner von ihren angestammten Plätzen zu vertreiben. Damit hatte

Chvatal sich nicht nur endgültig der Lächerlichkeit preisgegeben,

sondern auch sein Ziel erreicht und das Fass zum Überlaufen gebracht.

Glücklicherweise ließen die Scorpions sich durch die unfaire Behandlung

des Schiedsrichters nicht vollends aus dem Konzept bringen und

verkürzten in der 44. durch Patrik Augusta auf 2:3. Kurz darauf wurden

sie selbstverständlich von Chvatal wieder dezimiert, doch legten sie ein

tolles Unterzahlspiel an den Tag, bei dem sie mehr Torchancen hatten als

die Überzahl-spielenden Huskies. Diese und auch die nächsten beiden

Strafzeiten überstanden die Hausherren schadlos, um dann zwei Minuten

vor Ende der Partie zunächst eine Auszeit und daraufhin Kauhanen vom Eis

zu nehmen. Das Risiko zahlte sich aus, Kapitän Lenny Soccio gelang unter

frenetischem Jubel der Fans der mehr als nur verdiente Ausgleich.

So ging es in die

Penalty-Lotterie, die die Huskies für sich entscheiden und so

unverdienterweise zwei Punkte mit nach Hause nehmen konnten.

Der nur allzu verständliche und unter den Umständen auch

nachvollziehbare Zorn der Fans schlug sich nach dem Spiel auf

Schiedsrichter Chvatal nieder. Er musste abgeschirmt und von einer

Polizei-Eskorte vom Eis in die Umkleidekabine und danach in sein Auto

geführt werden. Auch wenn man das Verhalten einiger Fans (Chvatal bekam

eine Bierdusche und wurde beschimpft und mit Gegenständen beworfen)

keinesfalls gutheißen sollte, trägt nur er allein die Verantwortung

dafür. Bei diesem Spiel blieb er den Beweis der DEL-Tauglichkeit

jedenfalls schuldig und es mutet als Ironie an, dass ausgerechnet er der

einzige Profi-Schiedsrichter im deutschen Eishockey ist.

Bei der anschließenden Pressekonferenz sorgte Huskies-Coach Axel

Kammerer für Gelächter bei den anwesenden Journalisten, indem er allen

Ernstes behauptete, dass er "sehr zufrieden mit dem Spiel" sei und

Chvatal "gut gepfiffen" hätte. Scheinbar hat Herr Kammerer ein anderes

Spiel gesehen, als die übrigen 3045 Zuschauer im Ice House oder er

leidet an Realitätsverlust. Jedenfalls sollte ein Coach, dessen Team

über 60 Minuten Eishockey der harmlosesten Sorte, vergleichbar mit ihrer

Leistung letzten Dienstag bei der 0:4 Klatsche bei den Hamburg Freezers,

gezeigt hat, ansonsten hauptsächlich durch Schwalben und ähnliche

Schauspieleinlagen "glänzte" und dessen Spieler sogar von der

Spielerbank aus mit ihren Schlägern nach den Scorpions-Fans schlugen -

Michael Ludwig vom Scorpions-Fanclub Icesnakes mußte sich ducken, um den

Schläger eines Kasselaners nicht ins Gesicht zu bekommen - , sollte

velleicht leisere Töne anschlagen und zumindest zugeben, dass der

Auswärtserfolg mehr als glücklich war.

Während Kammerer jedenfalls mit seinen Äußerungen für allgemeine

Belustigung sorgte, bemühte sich Scorpions-Teamchef Olle Öst um eine

kühle, realistische Analyse des Spiels. "Wir haben wieder einmal ein

Spiel verschenkt! Wir waren im ersten Drittel das klar bessere Team! Im

zweiten Drittel waren einige Kameraden etwas undiszipliniert und im

letzten Drittel sind wir ins Spiel zurückgekehrt und haben wenigstens

den einen Punkt gerettet! Penaltyschießen ist immer eine Lotterie."

Zur Schiedsrichterleistung drückten Leidborg und Öst sich durch die

Blume aus. Leidborg: "Ich verdiene nicht genug, um es mir leisten zu

können, das zu kommentieren...."

Öst: "Wir haben einen Profischiedsrichter in der DEL. Ich hoffe sehr,

wir pfeifen ansonsten weiterhin mit Amateuren!"

Zur sportlichen Gesamtsituation hatte Öst auch klare Worte: "Wir

verschenken zuviele Punkte! Gegen die Top-Teams haben wir schon 13

Punkte geholt, also 1,6 im Schnitt, was ziemlich gut ist. Gegen die

direkten Konkurrenzteams aber, die auf unserem Niveau oder schwächer

spielen, die wir an sich schlagen müssen, haben wir nur 7 Punkte geholt,

was 0,7 Punkte im Schnitt sind, ein katastrophaler Wert! Schon allein

anhand der letzten vier Spiele wird das Problem deutlich: In Ingolstadt

waren wir das klar bessere Team, verloren aber dennoch 2:3. Gegen

Freiburg hätten wir eigentlich 7:1 gewinnen müssen und in Krefeld waren

wir auch klar überlegen und haben die Punkte in der 55. selber

verschenkt und 2:3 verloren! Wir machen einfach zu wenig aus unseren

Torchancen! Wenn das so weitergeht, können wir die Playoffs abhaken!"

Auf die Frage, woran es den läge, dass die Chancenverwertung so

miserabel ist, antwortete Öst mit der für ihn typischen ehrlichen,

prägnanten und trockenen Art: "Im Grunde genommen sind wir einfach zu

blöd!"

(S. Palaser)


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