Nach dem Adler-Sieg: Warten auf Bill Stewart
Klare Worte bei den AdlernJa, wo läuft er denn? So hätte eine der am häufigsten
gestellten Fragen an diesem Eishockeyabend lauten können. Denn, Krefelds Coach
Bill Stewart, der bis vor kurzem noch in Mannheim hinter der Band gestanden war,
übermannte die Rührung bei seiner Rückkehr. Schon auf dem Weg vom Eis in den
Kabinenbereich flossen die Tränen, bei der Pressekonferenz brachte er gerade
mal zwei Sätze heraus, bevor er schluchzend den VIP-Raum verließ und eine
lange Zeit nicht mehr gesehen ward. Sein Ex-Co-Coach und Freund Rico Rossi
suchte ihn, VIPs machten sich auf seine Fährte, Journalisten schnupperten in
allen Ecken des Stadions, doch nirgends fand man Stewart, bis er zuletzt wohl
doch noch auftauchte, will man dem Hörensagen glauben. Die Mannheimer Fans
verhielten sich fair dem Rückkehrer gegenüber: Sie riefen ihn nach Spielende.
Schließlich hat der Coach auch einiges geleistet in der Quadratestadt. Ein
Titel, eine Vizemeisterschaft und ein Pokalgewinn schlagen für den Kanadier zu
Buche, so viele Meriten kann nicht jeder vorweisen.
Dass er nicht eben beliebt war bei der kanadischen Fraktion in seinem Ex-Team,
das war ein sehr offenes Geheimnis. Und so wuchsen manchen Adlern Flügel an
diesem Abend. Mike Kennedy etwa, dem seine Sportskollegen attestieren, dass er
arg zu leiden gehabt habe unter Stewart. Der Stürmer zeigte schöne
Spielzüge, setzte sich ein, wollte beweisen, was er kann. "Wir brauchen
die Punkte", stapelte er Hockeyweb gegenüber erst einmal tief, konnte sich
aber dann doch nicht verkneifen zu sagen: "Wir wussten, dass die Gegner
nicht so gut spielen würden, schließlich haben sie einen brutalen Coach."
Das gesagt, wurde Kennedy aber gleich wieder sachlich. Er spiele fürs Team,
betonte er, und so ginge es allen. Helmut de Raafs System käme ihm auch persönlich
entgegen. Und außerdem habe die Mannschaft derzeit ganz allgemein einen guten
Lauf, Pfunde, mit denen man in den Play Offs wuchern wolle. Kennedy würde übrigens
Frankfurt als Gegner favorisieren, "das gibt doch jede Menge Spaß".
Das Spiel der Adler gegen die Pinguine war vor allem schnell. Es gab so ziemlich
alles, was zu einem Eishockeyspiel gehört: Schöne Spielzüge, Spannung, gute
Einzelleistungen, bisweilen auch eine mannschaftliche Geschlossenheit, die man
in Mannheim in dieser Saison bisweilen vermisst hatte. Zwischendurch offenbarten
sich dann aber auch Schwächen, Marc Seliger im Mannheimer Kasten musste mehr
als einmal in höchster Not retten. Seinem Gegenüber Janka ging es ähnlich,
der Goalie bewies Größe, und das, obwohl er in dieser Saison hinter einem
Robert Müller relativ wenig Spielpraxis erhalten hatte. Müller aber weilte in
Basel, um dort rettend einzugreifen, so dass die Pinguine nur über einen
Torwart verfügten. Ein Zeichen dafür, dass die letzten beiden Spiele nicht
mehr übertrieben ernst genommen werden vermutlich. Trotzdem: Das Team kämpfte
bis zuletzt und erspielte sich sogar den Ausgleich zum 2:2. In der 13. Minute
hatten Hock, Martinec und Kennedy für das 1:0 gesorgt, in der 17. Minute -
erneut in Überzahl übrigens - markierte Martinec das 2:0. Dass ihr Tomas an
seinem 28. Geburtstag ein Tor geschossen hatte, freute Ehefrau Sandra nach
Spielende besonders. Grund zur Zufriedenheit haben die Martinecs eigentlich die
ganze Saison gehabt, der Spieler gehörte von Beginn an zu den
Einsatzfreudigsten überhaupt. Was im übrigen auch für Robert Hock gilt.
Im zweiten Drittel waren Beaucage, Bertrand und Kurtz nach anderthalb Minuten für
Krefeld erfolgreich. Aufregung auf den Rängen in der 32.
Minute, als manche den Puck schon im Krefelder Kasten sahen. Doch der
Schiedsrichter, der ein wenig zu großzügig mit Zehn-Minuten-Disziplinarstrafen
umging, entschied hier goldrichtig. Die Scheibe hatte die Linie nicht überquert,
Krefelds Goalie hatte blitzschnell reagiert und sie sich kurz vor knapp
geschnappt. Das dritte Drittel war mal eben zwei Minuten alt, da schlugen die
Krefelder erneut zu, Appel schaffte den Ausgleich, lange Gesichter in
Mannheim, wo man bereits einen sicheren Sieg eingefahren zu haben glaubte.
Eine fünf gegen drei Überzahlsituation brach dann tapfer fightenden Pinguinen
das Genick. Edgerton auf Hoch und Martinec markierte das 3:2 in der 49. Minute,
in der 52. Minute setzte Podollan nach wunderschönem Zuspiel von Martinec und
Bakos noch eins drauf. Es stand 4:2. Den krönenden Endpunkt setzte Joseph auf
Zuspiel von Kennedy und Edgerton. 5:2 hieß das Endergebnis, das 5700 aus dem Häuschen
geraten ließ. Andy Raubal, Ex-Riesserseer und jetziger Krefelder, haderte ein
wenig mit dem Schicksal, denn sein Team habe wirklich gut gespielt, sagte er
Hockeyweb. "Wir haben unglücklich verloren", meinte der Crack,
"entscheidend war die Fünf zu drei Überzahl, sonst hätten wir das Spiel
gewonnen, da bin ich sicher." Die Disziplinarstrafen, die der Unparteiische
verhängt hatte, fand Raubal in Ordnung, "wenn man meckert, muss man damit
rechnen." Dem Torwart sprach er ein Lob aus: "Jankie war sehr gut, er
hätte höchstens ein Tor halten können, bei den anderen war er machtlos, das
waren super Schüsse der Adler."
Bill Stewart, der mit rotgeweinten Augen im Kabinenbereich ein Bier trank, erzählte
Hockeyweb, "wie hart" es gewesen sei, nach Mannheim zurückzukehren.
Natürlich wäre er gerne mit einem vollständigen Team gekommen, und auch so hätte
das Spiel anders ausgehen können, im Moment aber sei er emotional zu aufgewühlt
für große Analysen. Mit einigen seiner alten Spieler habe er auch gesprochen,
sagte der Mannheimer
Ex-Trainer. Im freundschaftlichen Gespräch hatte man ihn vor allem auch mit
Adler-Gesellschafter Daniel Hopp gesehen. Hopp hatte sich immer ausgesprochen
fair dem Coach gegenüber verhalten. Während Bill Stewart sich von allen zurückgezogen
hatte, plauderten Mannheims Cracks mit den Journalisten. Rene Corbet, der immer
noch verletzt ist, nahm mit Freuden die Glückwünsche zum Titel "Liebling
der Saison", den die Fans vergeben, entgegen. Zweiter war Andy Roach
geworden, er ist ebenfalls gesundheitlich noch nicht auf dem Damm. Dritter wurde
der junge Christoph Ullmann, der nicht nur viele Fans unter den weiblichen
Teenies hat, sondern auch reifere Semester durch seinen Einsatz und sein Können
auf dem Eis beeindruckt.
Andy Roach machte seine Witze: "Das Spiel war langsam und langweilig",
grinste er, um dann ernst hinzuzufügen, dass viele der Cracks nahezu
beflügelt gewesen wären, weil sie ihrem alten Coach hatten zeigen wollen, wie
gut sie spielen können. Auf jeden Fall sei jetzt wieder Freude eingezogen in
die Mannschaft und das wolle man sich für die Playoffs bewahren. Marc Seliger,
den die Adler-Fans in dieser Saison zu schätzen gelernt haben, weiß noch
nicht, ob er in Mannheim bleiben wird. Er soll auf 18 Prozent seiner Bezüge
verzichten. Jene 18 Prozent, die sein alter
Arbeitgeber Nürnberg aufs Adler-Gehalt gesattelt hatte. "Ich habe dieses
Geld verdient", beonte Seliger Hockeyweb gegenüber, "und ich möchte
es
weiter verdienen, egal, wer es zahlt." Im Moment herrsche ein gewaltiges
Hick Hack bei den Verhandlungen. Natürlich würde er liebend gerne in
Mannheim bleiben, sagte Seliger, aber er habe auch andere Angebote. Einfach auf
18 Prozent verzichten wolle er jedenfalls in der kommenden Saison nicht.
"Das sind alles keine utopischen Summen", meinte er noch ohne
allerdings näher auf die Höhe einzugehen. Nun läge es an Marcus
Kuhl, was weiter geschehe.
Das gilt auch für Frankie Groleau. Dem liegt jetzt ein Angebot vor, zu verkürzten
Bezügen und für ein Jahr. "Nun beginnen die Verhandlungen",
meinte der Frankokanadier, der zu den absoluten Charakterspielern im Team gehört.
Seit Jahren setzt er sich für die Adler ein, hat noch keine Saison
durchgehangen, wie es anderen durchaus passiert ist. Seine Statistik kann sich
sehen lassen und auch Coach Helmut de Raaf scheint angetan zu sein von der
Einsatzfreude seines Verteidigers. "Marcus Kuhl hat gesagt, der Trainer
meint, ich passe gut ins System", freute sich Groleau. Allerdings müsse
der Vertrag noch besser für ihn werden, ihm lägen zwei andere Angebote vor,
darunter auch eines mit einem Zwei-Jahres-Kontrakt. Mannheim sei allerdings
seine erste Wahl, er fühle sich hier wohl, sei immer gut behandelt worden,
liebe die Stadt und die Fans. Für die Playoffs erwartet der Verteidiger
"harte Schlachten, egal, auf wen wir treffen, die Liga ist derart eng, dass
jedes Team jedes schlagen kann."
Spätenstens zu Playoff Beginn will einer dabei sein, den die Zuschauer besondes
lieben in der Quadratestadt: Youngster Fabio Carciola, der wie ein Wirbelwind übers
Eis fegt und älteren Cracks das Nachsehen lässt. Er zog sich im ersten Drittel
eine Muskelfaserverhärtung im Hüftbeuger zu. Mannschaftsarzt Dr. Guido Volk:
"Das kann leicht passieren und wenn man dann weitermacht, kann es ein
Faserriss werden." Deshalb müsse sich Carciola erstmal behandeln lassen
und dann ein wenig schonen. Dass er bei den Playoffs dabei sein wird, davon geht
der Doc aber "nach menschlichem Ermessen" aus. (Angelika von Bülow)