Mental nicht auf der Höhe - Krefeld entführt Punkte aus dem Wellblechpalast
Worauf hatte EHC-Coach Pierre Pagé wenige Tage vor dem Spiel gegen die Krefeld Pinguine noch gleich hingewiesen? Ähnlich wie auch schon vor Wochenfrist gegen Iserlohn erhob der Trainer den warnenden Zeigefinger: „Krefeld kämpft um Platz 8, da müssen wir sechzig Minuten intensives Eishockey spielen!“ Aber Pustekuchen, die einstmals gefürchtete „Trutzburg“ Wellblechpalast verkommt momentan zum Selbstbedienungsladen für vorzugsweise schlechter platzierte Konkurrenten! So auch für die Krefeld Pinguine, die am Freitagabend vor 4500 Zuschauern durch einen 5:4-Auswärtssieg (2:2; 2:1; 0:1; 0:1) nach Penaltyschießen immerhin zwei Zähler aus Hohenschönhausen mit ins heimische Rheinland nehmen konnten.
Dabei hätten es mit etwas Glück sogar derer drei sein können! Denn die Hauptstädter waren wohl zu Beginn des Spiels mit den Gedanken noch beim Shoppen oder wo auch immer, jedenfalls nicht bei einem Eishockeyspiel in Deutschlands Eliteliga DEL! Der Fehler im neutralen Drittel, der bereits nach 22 Sekunden zur 0:1 Führung für die Gäste vom Niederrhein durch Shayne Wright führte, war geradezu hanebüchen! Youri Ziffzer, der erneut Oliver Jonas im Eisbärentor vertrat, wurde so von seinen Mannschaftskameraden ein denkbar schlechter Spielbeginn beschert. Nichts desto Trotz hielt der junge Keeper im Spielverlauf was zu halten war, was die Fans mit entsprechenden Sprechchören honorierten. Dass Ziffzer von seinen Vorderleuten wiederum wenig Unterstützung zu erwarten hatte, dürfte ihm ja schon zu diesem frühen Zeitpunkt bewusst gewesen sein. Aber nicht nur den „alten Hasen“ mangelte es gegen die Pinguine an Konzentration, frei nach dem Motto: „Wie die Alten sungen, so summen schon die Jungen.“, vertändelte die vierte Reihe um Norman Martens und André Rankel hinter dem eigenen Tor den Puck, welcher schlussendlich bei Ex-Eisbär Steffen Ziesche landete und der ihn prompt zum 0:2 versenkte (5. Spielminute). Wenig später hatten die Berliner bei eigener Überzahl mehrere Möglichkeiten zu verkürzen, aber sowohl Mark Beaufait als auch Kapitän Steve Walker scheiterten am gut aufgelegten Robert Müller im Gehäuse des Meisters aus dem Jahre 2003. Erst als Gäste-Verteidiger Justin Kurtz wegen Hakens und kurz darauf sein Teamkollege Ziesche (Stockschlag) sowie Eisbär Derrick Walser (Behinderung) von Hauptschiedsrichter Martin Reichert zur Strafbank beordert wurden, machten es die Hausherren besser: Steve Walker brachte die Eisbären im Powerplay nach schöner Einzelleistung mit seinem 12. Saisontreffer auf 1:2 heran (17.). Eines der wenigen Dinge, die in diesem Spiel beim Tabellenfünften klappten, war das Überzahlspiel. Neu-Nationalspieler Shayne Wright hatte sich keine zwei Minuten vor der ersten Pause noch eine Strafe eingefangen, die die Berliner zum Ärger von Gäste-Coach Bob Leslie zum 2:2 Ausgleich durch Verteidiger Derrick Walser nutzten (20.). Damit konnte das Spiel nach der Pause quasi wieder bei Null beginnen, was auch die Eisbärenfans ein Stück weit mit ihrem Team versöhnte.
Und so kam der Vizemeister auch mit etwas mehr Elan aus der Kabine und machte entsprechend Druck auf Nationalkeeper Müller, der bei Versuchen von Barta und Ustorf nur zwei Minuten nach Wiederbeginn alle Hände voll zu tun hatte. Die Eisbären hatten dann nach einer Strafe gegen den Krefelder Steve Brulé erneut in Überzahl die Chance in Führung zu gehen, doch anstatt den Puck einfach tief zu spielen, lief der Berliner Shawn Heins vor Selbstbewusstsein strotzend ins gegnerische Drittel, passte auf Beaufait, dessen Querpass an der blauen Linie fast folgerichtig von Ziesche im Pinguin-Trikot abgefangen wurde. Der stieß nun zielstrebig in die entblößte Abwehr der Hauptstädter und netzte in Unterzahl für seine Farben zum 2:3 ein (5.). Ernüchterung machte sich breit. Selbst Hauptschiedsrichter Reichert ging es danach wohl zu leise zu im Wellblechpalast, weshalb er kurzerhand Förderlizenzler André Rankel wegen eines Allerwelts-Checks für 2+10 Minuten auf die Strafbank verbannte, was die Eisbärenfans aufweckte und zu altgewohnter Lautstärke kommen ließ. Ein gellendes Pfeifkonzert begleitete das Powerplay der Gäste. Das war die Phase des Spiels, in der die Spieler mit dem Eisbären auf der Brust von ihren Fans unterstützt kämpften wie ihr Wappentier; mit dem Ergebnis, dass die Pinguine diese günstigste aller Gelegenheiten ungenutzt verstreichen ließen. Beim Kräfteverhältnis von 4 gegen 4 schwammen die Hausherren noch immer auf der Euphoriewelle der überstandenen Unterzahl und so verwunderte es wenig, dass Micki DuPont in der 28. Spielminute der Ausgleich zum 3:3 gelang. Besagte Welle schien für die Berliner die perfekte zu sein, denn auf ihrer Woge legte NHLer Erik Cole keine sechzig Sekunden später in seiner unwiderstehlichen Weise zur erstmaligen Eisbären-Führung nach - 4:3 (29.). Schiri Reichert schien an der angeheizten Atmosphäre Gefallen gefunden zu haben, denn nach zwei kurz aufeinander folgenden Strafen gegen die Eisbären Cole (Behinderung) und Walser (Spielverzögerung) brandete die lärmende Kulisse erneut auf. Diesmal waren die Pinguine im Powerplay allerdings etwas druckvoller, doch mit Glück und guten Paraden von Goalie Ziffzer hielten sich die Eisbären trotz guter Einschusschancen für Guillet, Kunce und Herperger schadlos. Drei Minuten vor der zweiten Pausensirene scheiterte auch noch der Russe Selivanov zweimal mit guten Möglichkeiten. Mit der knappen Führung für die Hausherren ging es in die Pause.
Gut gelaunt erwartete man das Schlussdrittel. Konnte doch vermutet werden, dass die Eisbären nun die Kurve gekriegt hatten und sich den Sieg nicht mehr nehmen lassen würden. Doch weit gefehlt! Den Enthusiasmus des Mittelabschnitts hatten die Pagé-Schützlinge, wie schon so oft in dieser Spielzeit, in der Kabine gelassen. Die Cracks meinten wohl den knappsten aller Vorsprünge bis zur Schlusssirene verwalten zu können, obwohl sie bereits mehrfach den Beweis erbracht hatten, eben diese Fähigkeit nicht zu besitzen. Uneinsichtig oder grob fahrlässig - eines der beiden Attribute dürfte dafür zutreffend sein. So kam in der 53. Spielminute was kommen musste: Der Krefelder Rob Guillet fälschte einen Schuss von Paul Dyck zum 4:4 ins Eisbären-Gehäuse ab. Und auch zum Ende hin hatte man wiederum den Eindruck, dass der Gegner den größeren Willen zum Sieg besaß. Allerspätestens hier hatten sich die Mannen um Trainer Bob Leslie die zwei wertvollen Punkte im Kampf um die Play Offs verdient, die Ex-Preusse Rob Guillet mit seinem entscheidenden Penaltyschuss dann auch verdientermaßen sicherte.
Der Trainer der Pinguine resümierte nach der Begegnung zwar sparsam an Worten, aber dafür treffend: „Meine Mannschaft hat nach dem Ausgleich Klasse reagiert und eine Menge Charakter gezeigt!“
EHC-Coach Pierre Pagé legte den Finger zielsicher in die klaffende Wunde, als er bemerkte: „Wir haben ein mentales Problem.“, und zielte damit wohl auf die Erkenntnis vieler Beobachter im Wellblechpalast ab, die da besagt, dass es den Cracks insbesondere gegen schlechter platzierte Teams an der notwendigen Motivation und Konzentration fehlt. Da diese allerdings gegen direkte Mitbewerber vorhanden ist, muss hier wohl die Einstellung einiger Spieler ernsthaft hinterfragt werden. In Anbetracht des Fehlens von so bewährten Kräften wie Denis Pederson und Kelly Fairchild mahnte Pagé zugleich aber auch an, „dass immer die selben Spieler produktiv sind. Auch unsere Jungen müssen produktiv werden und in die Bresche springen, wenn andere ausfallen. Von Busch und Rankel kommt da im Moment zu wenig. Vielleicht müssen wir unseren Förderlizenz-Spielern noch mehr klar machen, dass sie sich ihr Essen auch mit Punkten und Toren verdienen müssen.“
Am Sonntag geht es für die Eisbären zu den Adlern in den Friedrichspark. Die quälen sich bekanntlich mit ganz ähnlichen mentalen Defiziten. Mal sehen, welches von beiden Teams im Duell der hochgetragenen Nasen eben jene vorn hat... (mac/ ovk)
EHC Eisbären Berlin - Krefeld Pinguine 4:5 n.P. (2:2; 2:1; 0:1; 0:1)
Tore:
0:1 (00:22) Wright EQ
0:2 (04:55) Ziesche - Grygiel/ Slivchenko EQ
1:2 (16:09) Walker - Persson/ DuPont PP1
2:2 (19:12) Walser - Shearer/ Beaufait PP1
2:3 (24:05) Ziesche SH1
3:3 (27:20) DuPont - Shearer/ Felski EQ
4:3 (28:17) Cole - Ustorf/ Heins PP1
4:4 (52:03) Guillet - Dyck/ Lehoux EQ
4:5 (Penalty) Guillet
Schiedsrichter: Reichert - Schelewski/ Kowert
Zuschauer: 4500
Strafen: 16+10 Rankel (Check gg. Kopf und Nacken)/ 18