Marcus Kuhl: Positives entgegensetzen

Marcus Kuhl, Sportmanager der Mannheimer Adler, will positiv in die nahe Zukunft
blicken, ohne die negativen Begleiterscheinungen der letzten Wochen und
Jahre wegzuwischen. Klar, die Saison liefe alles andere als optimal,
richtig, man wisse manchmal nicht mehr, wie man die Mannschaft anders
einstellen könnte, natürlich sei die Erwartung riesengroß nach den
Meisterschaften und zudem schwebe die neue Arena in dieser Hinsicht als eine
Art Damoklesschwert über dem Management. Aber, und hier will er ansetzen:
"Wir müssen jetzt positive Impulse setzen." Denn, so gut er die oftmals
frustrierten Fans auch verstehen kann, "wir hängen doch alle an diesen
Adlern und wir wollen alle Erfolge". Und Spaß bei den Spielen.
Neun Jahre lang habe man große Erfolge gefeiert, sagt Kuhl an diesem
Mittag im Mannheimer Cafe Journal, wo er sich mit Hockeyweb trifft, im
Grunde müsste man vielleicht auf dem sportlichen Gipfel den Hut nehmen und nach
drei Jahren wiederkommen. Aber das wollte er nicht, Mannheim ist seine Heimatstadt, die Adler sind
sein Verein. Und damit kam ein gewisser Absturz, den man aber, bitte schön,
in Relation sehen müsse. Man denke nur mal an andere Vereine, die hätten
eine solche Talsohle nach großen Zeiten ebenfalls durchschreiten müssen, man
denke auch nur mal an Lance Nethery, der ebenfalls ein paar Jahre habe
aussetzen müssen, bevor ihm wieder der Lorbeer gewunden wurde.
Und manchmal, sinniert Kuhl, da sei man vielleicht so enttäuscht, dass man
auch das Gute nicht mehr erkennen könne. Er nennt als Beispiel den Spieler
Butenschön. Der habe tatsächlich schlechte Spiele abgeliefert, das wolle
auch keiner beschönigen, aber als er dann besser wurde, da sei er längst
einer der Buhmänner gewesen. Die Stichworte Charakter, Stolz und Leidenschaft könne er fast nicht mehr
hören, gesteht der Manager, mit dem Mannheim immer Meister wurde, sei es als
Spieler oder als Sportlicher Leiter. Denn das Geschäft habe sich geändert,
die Cracks seien andere, das müsse sich auf eine Mannschaft auch grauslich
auswirken, wenn immer und immer wieder nach ihren Vorgängern gelechzt würde.
Diese Vorgänger hätten in Mannheim Großes geleistet, man sei ihnen dankbar,
aber er bereue keine Entscheidung, die er getroffen habe auf diesem Sektor.
Und er erzählt, wie das so laufe bei der Zusammenstellung einer
Mannschaft. Man frage sich, welche Positionen zu besetzen seien, suche nach
Spielern, schaue sich ihre Einsätze an, rede mit ihnen. Den Gerüchten, er
nehme das Scouting einfach nicht mehr so ernst wie früher, wirkt Kuhl
entschieden entgegen: "Das stimmt nicht, wir geben uns dieselbe Mühe." Aber
das könne auch schief gehen. Beispiel: Man sucht jemanden wie Mike Stevens
und findet John Tripp. Der hat 40 Spiele NHL hinter sich, dreimal wurde ihm
die Nase gebrochen, jetzt käme er nach Deutschland und wolle einfach mal
anders spielen, technischer. Dann müsse man ihn immerwährend daran erinnern,
für welche Rolle er geholt worden sei. Auch ein Penney oder ein Podollan
hätten im Laufe der Zeit bei den Adlern ihre Rollen geändert. Da entwickle
sich innerhalb eines Teams eine Hackordnung, in die Spieler früher oder
später hineinwachsen, programmierbar sei das nur sehr bedingt.
Vielleicht, meint Kuhl, bräuchte man einfach mehr Arbeiter, weniger Stars.
Apropos neue Mannschaften aufstellen. Er erinnert an die Saison, als die
Verteidigung wohl durchdacht stand. Ein Seidenberg und ein
O'Sullivan waren fest eingeplant. Einen Monat vorher dann die Absagen, das
schmeiße einem die ganzen Überlegungen durcheinander. Dann habe man einen
Joseph geholt, der ja auch anfangs wunderbar gespielt habe und einen Myrvold
Und plötzlich passe es nicht mehr so, wie man es sich vorgestellt hatte. Auch
einem Lance Nethery sei das passiert nach seiner Zeit bei den Adlern. Das
sei bedauerlich, aber er könne nur sagen, dass die Gedankenspiele über neue
Teams absolut ernsthaft betrieben würden, dass manches aber einfach nicht
vorausplanbar sei.
Die Saison abzuschreiben, das wäre total falsch sagt Kuhl. Der sechste
Platz sei einigermaßen zementiert derzeit, aber nach oben sei vieles offen.
Nach der Pause zwei oder drei gewonnenen Spiele und schon sähe die Welt
wieder ganz anders aus. Vielleicht ist dann auch Claude Julien an Bord. Das
hänge jetzt von der NHL ab, ob endlich Nägel mit Köpfen gemacht würden.
Julien ist wie alle anderen Coaches nicht vom Lockout betroffen, "der
verdient weiterhin sein Geld", verdeutlicht Kuhl. Also müsse erstmal klar
sein, dass die NHL nicht mehr spiele in dieser Saison, dass der Coach aus
Montreal dann auch tatsächlich nach Deutschland kommen dürfe von seinem
Verein aus. Kuhl würde sich freuen, wenn die Verstärkung an der Trainer-Bank käme und betont, dass dies die Idee von
Headcoach Stephane Richer gewesen sei. "Julien ist ein sehr guter Freund von
Stephane", sagt Kuhl, "wir sind alle sicher, er könnte ihm mit seinen
Erfahrungen sehr helfen". Als Konkurrenz würde Richer den Kollegen nicht
sehen, im Gegenteil, Julien habe schließlich keinerlei Ambitionen auf einen
Posten in der DEL und Richer war schon immer jemand, der gerne von den
Erfahrungen anderer lernte. Für den Adler-Trainer zähle das Ergebnis und er
sei sicher, mit vereinten Kräften könne man mehr stemmen zum Endspurt hin.
Und dann gehts nochmal um die Stimmung. Kuhl erinnert sich an eine Saison,
"da kam man nach Landshut und da war so schlechte Stimmung, das ging von den
Ordnern los über die Mannschaft bis hin zu den Fans, das konnte nichts
werden". So will er es in Mannheim nicht haben und deshalb wirbt er dafür,
bei aller berechtigten Kritik ("Und die nehme ich an, ich weiß, dass ich
hier an entscheidender Position stehe, aber Kritik muss sachlich und
sportlich sein, dann hat jeder das Recht sie zu üben") jetzt allen nochmal
eine Chance zu geben. Und auch zu bedenken, dass sich in dieser Liga viel
getan habe. Sechs oder sieben Teams hätten sich enorm verstärkt, würden
bereits in Arenen spielen, hätten 20 Leute in der Geschäftsstelle, "und wir
haben immer noch dieselbe Anzahl von Leuten. Die anderen haben uns doch auf
diesem Gebiet längst überholt."
Personalplanungen sind natürlich im Gange in der Geschäftsleitung, sagt
Kuhl, aber er möchte auch betonen, dass er außer Corbet und Edgerton noch
niemanden verlängert habe bei den Ausländern. "Entscheidungen werden diesmal
nach dem letzten Spieltag getroffen." Mit den jungen Deutschen ist er
übrigens hochzufrieden, das möchte er nochmal eigens sagen. Ein rein
deutsches Team wird es aber in der DEL wohl nie geben, meint er, "der Zug
ist abgefahren". In Mannheim aber wolle man sich bemühen, immer wieder
Jungadler einzubauen, das Projekt laufe bestens, die Zusammenarbeit mit Rico
Rossi und den Falken zahle sich täglich aus und soll verlängert werden.
Erstmal aber gilt es, die letzte DEL-Saison im
Friedrichspark gut zu Ende zu bringen. Von der Seite des Sportmanagers aus
ist diese Spielzeit noch lange nicht gelaufen. Er möchte die Abschiedsfete
vom alten liebgewonnenen Gemäuer fröhlich und nicht frustriert feiern. Wie
die Fans. (Angelika von Bülow)