Kommentar: Die völlige Image-Katastrophe nur knapp vermieden

Nur haarscharf ist das deutsche Eishockey um eine völlige Image-Katastrophe herum gekommen. Obwohl Jason Holland nicht spielberechtigt war, bleibt der 4:2-Sieg gegen die Slowakei – den sich die Nationalmannschaft durch starkes Eishockey verdient hatte – bestehen. Es sei unfair gegenüber den anderen Nationen in Bezug auf die künftigen Runden, dieses Spiel nun mit 0:5 zu werten, so der Weltverband. Ob die Slowakei das auch so sieht?
Jedenfalls bleibt ein fader Beigeschmack. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung – vor allem in dem Teil der Öffentlichkeit, der mit Eishockey relativ wenig am Hut hat – steht nicht das starke Spiel gegen die Slowakei im Vordergrund, sondern nun schon seit Tagen und Wochen der Fall Busch. Hätte es eine Wertung gegeben, wären die Chancen auf das Viertelfinale wohl gegen Null gegangen, da Deutschland selbst bei einem Sieg gegen Norwegen keine Punkte in die Zwischenrunde hätte mitnehmen können. Und das hätte man wohl kaum noch öffentlich verkaufen können.
Dennoch stellt sich die Frage, wie es überhaupt zu einem „Fall Holland“ kommen konnte. Spätestens seit der WM 1987, als die Spielberechtigung von Miroslav Sikora angezweifelt wurde (damals war der Nationalspieler letztlich aber doch spielberechtigt), hätte jeder beim DEB wissen müssen: Wenn wir einen potenziellen Nationalspieler einbürgern, dann wälzen wir jedes relevante Regelwerk, um auf jeden Fall auszuschließen, dass an der Spielerlaubnis gezweifelt werden kann. Wäre es nun zu einer Wertung gegen Deutschland gekommen, hätte man sich selbst verschuldet der Lächerlichkeit preisgegeben.
Warum? Am gleichen Tag, an dem das passiert wäre, musste die Öffentlichkeit auch erfahren, dass das Bundesinnenministerium die Fördermittel für die gesamte Sportart in Höhe von 600.000 Euro pro Jahr eingefroren hat. Das öffentliche Urteil kann dabei ganz schnell negativ ausfallen, wenn sich sogar die Bundesregierung, zu der das Ministerium nun mal gehört, genötigt sieht, einzuschreiten.
DEB-Sportdirektor Franz Reindl hat eingeräumt, einen groben und unverzeihlichen Fehler gemacht zu haben – und meinte damit den Fall Holland. Aber war es wirklich nur ein Fehler?
Fangen wir mit dem Fall Busch an:
1) Niemals hätte die zunächst verweigerte und dann verspätet abgegebene Dopingprobe verschwiegen werden dürfen.
2) Florian Busch hätte gesperrt werden müssen. Hätte der DEB den Spieler als „Auf-die-Finger-Hauer“ für die weiteren Play-off-Spiele und für die WM gesperrt, wäre die Reaktion der NADA wohl kaum so drastisch ausgefallen. Für den, der sagt, das sei unfair, gibt’s ein Beispiel: Tobias Kreuzmann ist Wasserball-Nationalspieler. Er rieb sich seinen Kopf, auf dem Haupthaar wich, mit einem Haarwuchsmittel ein. Dumm nur, dass einer der Inhaltsstoffe auf der Dopingliste stand. Auch bei ihm – wie bei Busch – war klar, dass dieser Sportler nicht dopt. Doch er wurde international für ein Jahr gesperrt. Anders als ein Eishockeyspieler kann ein Wasserballer mit seinem Sport zwar nicht seinen Lebensunterhalt verdienen, aber der Punkt ist: Regeln sind Regeln.
3) Selbst ohne Sperre darf man es wohl als sportpolitisch äußerst unsensibel ansehen, Florian Busch bei der WM einzusetzen – und das mit dem Verweis darauf, er sei ja nicht gesperrt. Das ist bestenfalls naiv. Die Quittung ist die Kündigung des Vertrages durch die NADA und die Sanktionen durch das Bundesinnenministerium.
Und dann der Fall Holland:
4) Eine Wertung wäre eine Katastrophe für die Außendarstellung des Sports gewesen. Man kann Franz Reindl in seinem Zitat in der DEB-Presseerklärung zu diesem Fall nur recht gegen: So ein Fehler ist unverzeihlich.
Also nur ein Fehler?
So ist der DEB nur minimal an der Situation vorbeigeschrammt, in der eine Forderung von personellen Konsequenzen unumgänglich gewesen wäre.
Ein Wort allerdings noch zum Verhalten der NADA: Niemand kann vollständig ausschließen, dass gedopt wird. Allerdings: Es gibt so gut wie keine bekannten Fälle, die nahe legen, dass im Eishockey gedopt wird. Die Reaktion auf das Fehlverhalten von Spieler und Verband im Fall Busch ist allerdings überzogen. Im Vergleich zu anderen Sportarten – gerade zu der Sportart mit den zwei fußbetriebenen Rädern – ist Eishockey sauber. Den deutschen Eishockeysport in diese Ecke zu stellen, ist unverantwortlich. Anti-Doping-Agenturen haben den Auftrag den Sport zu schützen! So aber wird aus einem unverzeihlichen Fehler eine Reaktion, die andere Vergehen voraussetzen, als eine Eselei eines jungen Spielers.
(Friedhelm Thelen)