Kommentar: Das WM-Fazit und seine Folgen

Die Ansätze waren da. Das 4:2 gegen die Slowakei – einem der wohl besten deutschen WM-Spiele der letzten Jahre. Die ersten 30 Minuten gegen Norwegen. Und die letzten 57 Minuten gegen die USA. Eine junge Mannschaft, die zwar noch Fehler macht, die aber ihr Potenzial zeigt. Mit einem Gewinner des Turniers Philip Gogulla, der ein ganz persönliches Bewerbungsschreiben für die NHL abgab – vor allem mit seiner Vorbereitung zum dritten Tor gegen die Slowakei und seinem mehr als sehenswerten Treffer zum 2:0 gegen Norwegen.
Aber spricht jemand darüber? Und viel wichtiger für den deutschen Eishockeysport: Berichten die Tageszeitungen darüber? Nein! Und Schuld daran trägt einzig und allein der Deutsche Eishockey-Bund. Keinen Fehler ließ die Führungsriege aus – und auch Bundestrainer Uwe Krupp sah sich genötigt, die Fans anzugreifen, die ihrem Unmut Luft machten. Und das zu Recht. Dabei wäre es sogar völlig egal, ob die Anhänger in der Sache Recht haben, oder nicht. Wer sein Team seit Jahren derart außergewöhnlich unterstützt wie die deutschen Fans – bei jedem wichtigen Turnier – und dann auch noch nach Kanada fliegt, um es auch im Mutterland des Eishockeys zu machen, der hat jedes Recht, zu protestieren. Egal, was der Bundestrainer sagt. Egal, was ein Stanley-Cup-Sieger sagt. Wer daran zweifelt oder vielleicht sogar darin den Grund für die Niederlage gegen die USA sucht, der sollte es lieber lassen. Dass ist derart unsinnig, dass es sich beinahe schon verbietet zu betonen, dass das Unsinn ist.
Für den DEB bleibt die Aufgabe, diese WM der Katastrophen auf und neben dem Eis aufzuarbeiten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Auf dem Eis, da gab das desaströse 1:10 gegen Kanada. Sicherlich: Eine Mannschaft wie Kanada ist gerade im eigenen Land eine Klasse für sich. Aber es gibt keinen Grund, sich derart vorführen zu lassen. Was die Motivation der Kanadier war? Nun ja. Man kann ja mal spekulieren. Bei der Direktoratsentscheidungen im Fall Jason Holland gab es drei Nationen, die sich dafür aussprachen, Deutschland die Punkte abzuerkennen – was nur gerecht gewesen wäre. Neben den direkt betroffenen Norwegern und Slowaken waren das eben auch die Kanadier. Und die haben die Bestrafung dann einfach mal nachgeholt. Sicherlich darf man auch einmal fragen, warum nicht Robert Müller häufiger gespielt hat. Auch wenn er ebenso wie alle anderen gegen Kanada indisponiert war, war er letztlich der beste der drei Keeper. Mit einem starken Keeper im Rücken, lässt es sich deutlich besser spielen. Wer das nicht glaubt, kann ja mal in Duisburg und Köln nachfragen.
Doch schlimmer, viel schlimmer, als alles, was auf dem Eis passierte, war diese Unsumme an Fehlentscheidungen der DEB-Funktionäre. Um es – nach dem Kommentar von vor wenigen Tagen – noch einmal zusammenzufassen:
1) Nie hätte die verweigerte und zu spät nachgeholte Dopingprobe von Florian Busch verschwiegen werden dürfen.
2) So bitter es für den jungen Mann ist: Er hätte gesperrt werden müssen. Und ohne ihm zu nahe zu treten: Berlin wäre auch bei einer Sperre Meister geworden. Bestes Beispiel: Der Münchner Bill McDougall wurde in der Spielzeit 1999/2000 positiv auf Pseudo-Ephedrin getestet. Nach seiner Sperre holten sich die Barons dennoch den Titel. Und nur um es festzuhalten: Busch war nicht gedopt, doch nach den NADA-Richtlinien spielt das keine Rolle.
3) Busch hätte nicht an der WM teilnehmen dürfen.
4) Ein Fauxpas wie die Nicht-Spielberechtigung von Jason Holland darf einfach nicht passieren.
5) Der Bundestrainer darf unter keinen Umständen die Fans derart angreifen.
Dass einer dieser Fehler selbst den besten Funktionären unterlaufen kann, wäre nur menschlich. Aber die Summe dieser Fehler in einem derart kurzen Zeitraum – das ist schon erschütternd.
Welche Schlüsse muss der DEB nun also ziehen? Welche Konsequenzen muss es geben?
1) Fangen wir mit der Fanforderung nach dem Rücktritt von Franz Reindl an. Was für ihn spricht, ist sicherlich das Renommee, das er sich in vielen Jahren der Arbeit für den DEB verdient hat. Doch wohl kaum ein Verantwortlicher einer anderen Sportart hätte sich danach noch in seinem Amt wieder gefunden. Und um das mal zu sagen: Es waren nicht nur die Fans, die den Rücktritt forderten, sondern auch viele Pressevertreter, die von außen auf diese Sportart blickten – oder sich zumindest wunderten, dass es keine Konsequenzen gab. Er muss sich nun erst recht in seinem Amt beweisen. Was mich persönlich erstaunt: Was sagt eigentlich der DEB-Präsident dazu? Hat er nichts zu sagen?
2) Es muss unbedingt eine Einigung mit der NADA her. Und zwar mit einer Entschuldigung und ohne kindisches: „Aber wir haben Recht, männo!“ Um Himmels willen. Und wenn eine Einigung als Kompromiss eine kurze Sperre für Busch bedeutet – es muss ja nicht eine ganze Saison sein – dann ist das eben so. Welche Nachricht senden wir denn an die, die tatsächlich mit unerlaubten Mitteln betrügen? Dass man schon irgendwie durchkommt? Aber auch die NADA muss einsehen, dass eine Verfolgung eines nachweislich nicht gedopten Sportlers mit einer Forderung nach einer völlig überzogenen Sperre der Sache ebenso wenig dienlich ist.
3) Die Fanschelte des Trainers. Nur dass keiner auf die Idee kommt: Natürlich wäre eine Rücktrittsforderung in diesem Fall völlig daneben. Uwe Krupp ist und bleibt der mit Abstand beste Mann für diesen Job. Aber was der DEB braucht, ist ein Pressesprecher oder ein zusätzlicher Pressesprecher des Nationalteams, der im richtigen Moment – bildlich gesprochen – einfach mal das Mikrofon ausknipst, der den Verantwortlichen hilft, zumindest keinen Unsinn zu reden, wenn der Unsinn bereits passiert ist.
All das scheint nicht nur die Meinung Hockeywebs zu sein, nicht nur die Meinung anderer Fach- und sonstigen Medien. Ein Beispiel dafür, sind Leserbriefe die Hockeyweb erreichten. In Auszügen: „Der DEB wird von ehemals erfolgreichen Eishockeyspielern geführt, bei denen der Wille sicher gegeben ist, einen guten Job zu machen. Nur ist es eben ein Riesen-Unterschied, ob man auf Schlittschuhen läuft oder Manageraufgaben innehat. Das eine schließt das andere nicht zwingend aus, nur jeder Job will gelernt sein“, fordert beispielsweise Hockeyweb-Leser Stefan Hannappel. Weiter: „Und jedes gut geführte Unternehmen hat Pressesprecher und eine Öffentlichkeitsarbeit, die für einen Verband wie den DEB auch selbstverständlich sein sollten. Vor allem sollten diese Positionen von Profis besetzt sein und nicht von Würdenträgern und Strippenziehern, die an ihren Sesseln kleben.“ Schlimm wird es, wenn Eishockeyfans daraus den Schluss ziehen, vielleicht keine Dauerkarten mehr zu kaufen. So wie es Stefan Hannappel in seinem Leserbrief andeutet. Ein anderes Beispiel ist Hockeyweb-Leser Christof Reinke, der sich sorgt: „Das Ansehen des deutschen Eishockeys leidet immens. Fördergelder für den DEB werden (zu Recht) zurückgefordert, zukünftige Förderungen sind fraglich. Die nächste Olympiateilnahme ist ebenfalls fraglich aufgrund nicht mehr stattfindender Dopingkontrollen.“ Für ihn ist der Angriff Krupps auf die Fans die „Krönung“: „Diese Fans fahren jahrelang zu jedem Spiel der DEB-Auswahl, planen ihren Urlaub danach, geben sehr viel Geld aus um das Team zu unterstützen und sollen sich dann noch vom Bundestrainer verbieten lassen, ihre Meinung kund zu tun? Der DEB ist grad dabei sich die treuesten Fans zu vergraulen.“
Bleibt nur zu hoffen, dass der DEB ganz schnell anfängt, die eigenen Fehler einzusehen und zu korrigieren.
(Friedhelm Thelen)